Science

Tage werden immer kürzer – Forscher stehen vor Rätsel

Vor zwei Jahren hat die Erde plötzlich ihre Rotation beschleunigt, die Tage wurden seither immer kürzer. Forscher stehen vor einem Rätsel.

Roman Palman
Ein sich drehender Globus. Symbolbild
Ein sich drehender Globus. Symbolbild
Getty Images/iStockphoto

Manchmal hat man das Gefühl, der Tag vergeht wie im Fluge. Die schlechte Nachricht: das ist nicht nur ein subjektiver Eindruck, sondern auch wirklich Realität. Der 29. Juni 2022 war der bisher kürzeste Tag seit Beginn der Messgeschichte mittels Atomuhren.

Der Rekordtag war um 1,59 Millisekunden kürzer als die sonst üblichen 24 Stunden, melden die Betreiber des seit 1998 bestehenden Webportals timeanddate.com. Damit schlägt er auch die seit 2020 aufgestellte Rekordserie – schon seit zwei Jahren werden immer kürzere Tage gemessen.

Grund für diese Unstimmigkeit liegt in der Erdrotation. Unser aller Heimat rotiert einmal alle 24 Stunden um die eigene Achse, was uns Sonnenauf- und -untergang beschert. Das Kuriose: eigentlich verlangsamt sich die Erdrotation über lange Zeit gesehen. Jedes Jahrhundert werden die Tage um wenige Millisekunden länger.

Über die Jahrzehnte wurde das von den Zeitmessern durch das Hinzufügen von Schaltsekunden immer wieder ausgeglichen. Denn geraten Atomuhren und Erdrotation zeitlich zu weit auseinander, könnte es zu Problemen mit GPS-Satelliten, Smartphones, Computern und anderen Systemen führen.

Immer schneller und schneller

Doch seit 2020 ist genau das Gegenteil der Fall, der blaue Planet beschleunigte seine Rotation. Im selben Jahr wurde 28 Mal der Rekord für den kürzesten je gemessenen Tag aufgestellt und wieder gebrochen. Auch 2021 "raste" die Erde weiter dahin, neue Rekorde wurden aber knapp verpasst – bis eben den 29. Juni 2022.

"Die Erde hat es eilig", witzeln die Analysten von timeanddate.com. Die Grafik zeigt die gemessenen Tageslängen seit 2019.
"Die Erde hat es eilig", witzeln die Analysten von timeanddate.com. Die Grafik zeigt die gemessenen Tageslängen seit 2019.
timeanddate.com

Dass nicht jeder Tag genau 24 Stunden, oder 86.400 Sekunden, lang ist, liegt daran, dass die Erde bei ihrer Drehung um die eigene Achse etwas wackelt. Dadurch, dass sie keine perfekte Kugel mit gleich verteilter Masse ist, kommt es immer wieder zu einem Wobbler.

Wissenschaftler stehen vor Rätsel

Wieso sich jetzt aber ein so signifikanter Trend zu verkürzten Tagen abzeichnet, stellt Wissenschaftler vor Rätsel. Die Mutmaßungen reichen von Prozessen in den inneren und äußeren Erdschichten, zu Bewegungen in Ozeanen, Gezeiten bis hin zum Klima. Die vielversprechendste Theorie trägt den Namen "Chandler Wobble". Damit wird die geringe Bewegung der geographischen Pole auf dem Erdball beschrieben.

"Die normale Amplitude des Chandler Wobble ist etwa drei bis vier Meter auf der Erdoberfläche, aber zwischen 2017 und 2020 ist diese vollständig verschwunden", erklärt Leonid Zotov gegenüber timeanddate.com. Ob das wirklich dahintersteckt? Die Untersuchungen laufen jedenfalls. Zotov ist aber positiv, dass der Tiefpunkt dieser Phase womöglich bald erreicht wird, oder bereits hinter uns liegt.

Gab es noch nie

Fix ist aber: sollte sich die Erdrotation weiter beschleunigen, könnte es bald zu einer in der Geschichte bisher nie dagewesenen Maßnahme kommen: eine Schaltsekunde müsste erstmals wieder abgezogen, sprich übersprungen, werden.

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