Politik
Engpässe! Regierung greift auf Sprit-Reserven zurück
Aufgrund drohender Versorgungsengpässe in Österreich hat der Hauptausschuss jetzt die weitere Freigabe von Erdöl-Reserven genehmigt.
Bereits Anfang Juni machte es ein Zwischenfall in der Raffinerie Schwechat notwendig, Diesel und Benzin aus den Pflichtnotstandsreserven für den Markt freizugeben. Nun hält Energieministerin Leonore Gewessler eine weitere Maßnahme für notwendig, um die Versorgung mit Treibstoff zu gewährleisten. Sie verordnet die Freigabe von 100.000 Tonnen Diesel und 45.000 Tonnen Halbfabrikaten aus den Reserven. Der Hauptausschuss des Nationalrats gab dafür am Montag mit breiter Mehrheit seine Zustimmung.
Erdöl-Reserven werden um 5,8 Tage reduziert
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS genehmigte der Hauptausschuss die Verordnung der Energieministerin zur Freigabe von Pflichtnotstandsreserven (181/HA). Die zuständige Erdöl-Lagergesellschaft m.b.H. (ELG) muss ab 15. Juli innerhalb von zwei Monaten 100.000 Tonnen Diesel und 45.000 Tonnen Halbfabrikate aus ihren Reserven für den Markt zur Verfügung stellen. Die Halbfabrikate werden an die OMV zur Weiterverarbeitung in Fertigprodukte abgegeben, weil nur die OMV eine zur Verarbeitung notwendige Raffinerie betreibt. Die 100.000 Tonnen Diesel werden an alle Marktteilnehmer gemäß einem Verteilungsschlüssel verteilt.
Die Pflichtnotstandsreserven reduzieren sich damit um weitere 5,8 Tage. Als EU-Mitglied ist Österreich verpflichtet, Erdölvorräte zu halten, die den durchschnittlichen Importen von 90 Tagen entsprechen. Laut Erläuterungen ist die Maßnahme aber notwendig, um Ausfälle in der Versorgung mit Treibstoff, besonders in der nachfragestarken Urlaubssaison, zu verhindern. Denn die Situation sei aufgrund mehrerer Faktoren angespannt: Seit dem Zwischenfall in der Raffinerie wird zwar mit Hochdruck an der Behebung des Schadens gearbeitet, die OMV schränkte ihre Kund:innen auf 80% der vertraglichen Menge ein.
Weil die Unternehmen täglich versuchen müssen, zusätzliche Mengen zu beschaffen, kann die Versorgung jeweils nur für ein paar Tage gesichert vorausgesagt werden. Die Situation in der OMV selbst hat sich indes weiter angespannt. So hat die Deutsche Bahn zugesicherte Zugtransporte kurzfristig storniert und noch nicht neu geplant. Aufgrund eines Blitzschlags fällt eine Dieselquelle in Deutschland aus. 200.000 Tonnen Halbfabrikate können aufgrund ihrer Qualität nicht verpumpt werden und im Hafen Koper (Slowenien) kommt es zu Personalausfällen. All diese Faktoren führen laut Ministerium zu einer Störung, die mit marktkonformen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig abgewendet werden könne, weshalb eine staatliche Lenkungsmaßnahme nötig sei.
Schwierige Zeiten
Energieministerin Leonore Gewessler betonte im Ausschuss, dass ihr und allen Experten bewusst sei, dass man mit der Pflichtnotstandsreserve gerade in so schwierigen Zeiten äußerst vorsichtig umgehen müsse. Aufgrund unvorhergesehener Ereignisse könne die OMV aber die kontinuierliche Versorgung des Treibstoffmarktes in den kommenden Monaten nicht gewährleisten. Mit der vorliegenden Verordnung komme Gewessler daher ihrer Verpflichtung nach, die Versorgung zu sichern. Sie unterstrich auch, dass alle freigegebenen Produkte nur in Österreich abgegeben und bezogen werden dürfen.
Eine Expertin der OMV berichtete über den Vorfall und die Folgen für das Unternehmen. Es handle sich um die größte Krise in der Geschichte der Raffinerie Schwechat, sagte sie. Als Reaktion habe man nach unverzüglicher Information der Ministerin ein Krisenteam aufgestellt und ein alternatives Versorgungssystem aufgebaut. Die Reparatur der Anlage laufe derzeit in einem Drei-Schichtbetrieb. Die Expertin zeigte sich zuversichtlich, dass spätestens Ende September mit dem Hochfahren der Anlage begonnen werden kann.
Ein Vertreter der Erdöl-Lagergesellschaft m.b.H. (ELG) informierte, dass die freizugebenden Mengen sehr schnell in den Markt gebracht werden können, weil sie zu großen Teilen bereits in den Tanklagern der OMV bzw. der anderen Vertragspartner lagern. Die ELG verstehe sich als Hüterin der Reserven für Krisenzeiten, sprach sich der Experte dafür aus, die Bestände nicht leichtfertig ohne Prüfung freizugeben.