Gesundheit
Corona: Wieso Übergewichtige besonders gefährdet sind
SARS-CoV-2 befällt das Fettgewebe und vermehrt sich dort – mit Folgen. Das zeigt eine neue Studie. Aber es gibt Medikamente, die helfen könnten.
Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, die sich im Falle einer Corona-Infektion negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken können. Neben genetischen Faktoren und dem Immuntyp, spielen auch Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes eine Rolle. Ebenso Übergewicht. Es zeigt sich, dass Betroffene öfter schwere Verläufe haben und an Corona versterben. Die Rolle des Fettgewebes für die Virusinfektion und Virusvermehrung von SARS-CoV-2 sowie mögliche Konsequenzen für den Stoffwechsel war bisher zu großen Teilen ungeklärt.
Dieser Fragestellung wurde nun in einer Studie nachgegangen. Forscher des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie (HPI) und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben einen möglichen Grund dafür gefunden. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachmagazin "Cell Metabolism" veröffentlicht.
Das Forschungsteam konnte in Gewebeproben COVID-19-Verstorbener zeigen, dass SARS-CoV-2 häufig im Fettgewebe von COVID-19-Patienten nachweisbar ist. Bemerkenswerterweise wurde das Virus vorwiegend im Fettgewebe von männlichen Personen nachgewiesen, die gemäß BMI übergewichtig oder adipös waren. Bei weiblichen Personen wurde es zwar auch in Fettgeweben nachgewiesen, wobei es keine eindeutige Korrelation zwischen der Fettmasse und den Virus-mRNA-Spiegeln gab.
"Insgesamt liefern wir direkte Beweise dafür, dass Fettgewebe, insbesondere bei männlichen Personen mit Fettleibigkeit, für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich ist", schreiben die Autoren der Studie.
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Virusvermehrung stört Fettstoffwechsel
In einem präklinischen Modell einer COVID‑19-Erkrankung wurde zudem gezeigt, dass sich SARS-CoV‑2 von den Atemwegen in das Fettgewebe ausbreitet und sich dort weiter vermehrt. Dies führt zu einer lokalen Entzündung und hat Folgen für den gesamten Stoffwechsel.
Um herauszufinden, welche Rolle die Fettzellen bei der Ausbreitung der Coronaviren spielen, führte das Team außerdem Versuche mit Zellkulturen durch. Dabei konnten sie feststellen, dass der zelleninnere Fettstoffwechsel für die Ausbreitung von SARS-CoV-2 ein maßgeblicher Faktor ist. Fettzellen bilden beim Heranreifen besonders große Mengen eines bestimmten Rezeptors auf ihrer Oberfläche. Diese sogenannten ACE2-Rezeptoren dienen als Andockstellen für die Covid-19-Viren.
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Zwei Wirkstoffe als mögliche Behandlungsstrategien
Durch einen Hemmstoff für das Fettabbau-Enzym Lipase konnte das Forschungsteam die Virenvermehrung in den Fettzellen um das 100-Fache verringern. Wurde gleichzeitig der Cholesterinsenker Atorvastatin verabreicht, sank die Virenvermehrung noch weiter.
"Da es sich dabei um zwei bereits gegen andere Krankheitsbilder zugelassene Wirkstoffe handelt, könnten unsere Ergebnisse eine Basis für neue Behandlungsstrategien gegen COVID-19 darstellen", erläutert Gülşah Gabriel, Leiterin der HPI-Abteilung "Virale Zoonosen - One Health" und Professorin für Virologie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), die Ergebnisse.