Kritik an Kassen-Fusion
"Desaster" – ÖGK-Chef spricht im ORF Klartext
Trotz mehrere Reformen ist das Gesundheitssystem in Österreich mit Problemen konfrontiert. ÖGK-Chef Andreas Huss bezog im ORF Stellung.
In Österreich steigt seit Jahren die Unzufriedenheit im Gesundheitsbereich – auch aufgrund der langen Wartezeiten auf Arzttermine. Obwohl immer mehr Geld für den Gesundheitssektor ausgegeben wird, zeigt keine der zahlreichen Reformen in den letzten Jahren Wirkung.
Am Sonntag sprach Andreas Huss, Obmann der österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), in der ORF-Pressestunde über die anhaltenden Probleme. "Wir haben große Herausforderungen. In Österreich sind sehr oft lange im Spital", so Huss, der gleichzeitig betont, dass das Gesundheitssystem im internationalen Vergleich sehr gut funktioniere.
Schwere Mängel ortet der Experte jedoch in den Bereichen der Gesundheitsförderung, der Prävention und für die Gesundheitskompetenz. "Da haben wir international gesehen sehr, sehr schlechte Werte", stellt Huss klar. Diese Punkte müsse man nun angehen.
"Bis 2028 wird uns diese Fusion 1,21 Milliarden Euro kosten"
Die Zusammenlegung der Krankenkassen unter der ÖVP-FPÖ-Regierung habe mehr Probleme als Nutzen gebracht. "Bis 2028 wird uns diese Fusion 1,21 Milliarden Euro kosten", so der ÖGK-Obmann, der von einem "finanziellen Desaster" spricht. Sinnvoll wäre nun österreichweit einheitliche Leistungen zu schaffen. Zudem soll auch das Honorar für Ärzte einheitlich gelöst werden.
Kritik äußert Huss zudem, dass in der Sozialversicherung der Arbeitnehmer nun die Arbeitgeber die Mehrheit haben. Zudem sei der Umstand, dass jedes halbe Jahr der Obmann der ÖGK rotiert, ein "Humbug". "Das müssen wir rückgängig machen.
Primärversorgungszentren als Modell für die Zukunft
Als ORF-Journalistin Claudia Dannhauser die Wartezeiten auf Arzttermine mit dem Ostblock vergleicht, äußert "Ich lade sie ein, in den Ostblock zu fahren. Dort sieht die Gesundheitsversorgung nach wie vor ganz anders aus."
Um dem Problem dennoch entgegenzuwirken, erachtet Huss den Ausbau der Primärversorgungszentren in Österreich, die er als Versorgung der Zukunft bezeichnet, als sinnvoll. Konkret könne man hier mehrere medizinische Berufe miteinander verbinden, was gleichzeitig zu einer Entlastung der Spitäler führe. Dafür brauche es jedoch zusätzliches Geld aus dem Steuertopf. Durch die ÖGK soll nun in allen Landeshauptstädten ein eigenes Gesundheitszentrum errichtet werden.
Handlungsbedarf in Wien
Den Vorschlag des Wiener SPÖ-Stadtrats Peter Hacker, der Spitalsärzten, die nur halbtags arbeiten, künftig eine eigene Wahlarztpraxis verbieten will, unterstützt Huss. Während in anderen Bundesländern so eine Regelung bereits umgesetzt wurde, herrscht in Wien weiterhin Handlungsbedarf.
Ausbau der Digitalisierung
Ein großer Fokus soll nun auch auf der Digitalisierung liegen. Dazu soll die elektronische Gesundheitsdatenbank ELGA weiter ausgebaut werden. Ziel sei es, dass neben Ärzten beispielsweise auch Physiotherapeuten auf aktuelle Daten ihrer Patienten zurückgreifen können. Auch Wahlärzte sollen künftig Zugang zu ELGA haben.
Forderung an neue Regierung
Von einer künftigen Bundesregierung wünscht sich Huss die Umsetzung des einheitlichen Gesamtvertrags, sowie 300 Primärversorgungszentren in ganz Österreich. Zudem seien Diabetes- und Frauengesundheits- und Psychosoziale-Zentren absolut notwendig. "Um das umzusetzen, braucht es mindestens eine Milliarde Euro", stellt der ÖGK-Chef klar.