Gesundheit

Erster Long-Covid-Tracker kommt auf den Markt

Der Long-Covid-Patient Harry Leeming entwickelte einen Tracker, der Betroffenen krankheitsspezifische Messwerte liefert. 

Sabine Primes
Long Covid und ME/CFS gelten seit langem als "unsichtbare Krankheit". Vor allem, weil es mit den gängigen Methoden nicht diagnostizierbar ist.
Long Covid und ME/CFS gelten seit langem als "unsichtbare Krankheit". Vor allem, weil es mit den gängigen Methoden nicht diagnostizierbar ist.
Getty Images

Harry Leeming war ein gesunder Mann: Jung, sportlich, täglich im Fitnessstudio, ist auf Berge geklettert und hat sogar mit dem Fahrrad Kontinente überquert. Der Ingenieur für Elektroautos erkrankte im September 2020 an Corona. Keine große Sache, dachte er. Schließlich war er pumperlg'sund. Am Anfang verlief die Infektion problemlos, aber im Verlauf der Wochen begannen sich die Symptome zu häufen. Bald konnte der athletische Harry nur noch mit Mühe aufstehen und wurde schließlich größtenteils bettlägerig.

Dann traf er seine schicksalhafte Entscheidung. Auf Anraten seines Arztes begann er, sich selbst zu pushen. Fünf Tage später checkte er sich im Krankenhaus ein und war seitdem nie mehr derselbe. "Nichts ist härter, als zwei Jahre mit Long Covid zu leben", erzählt er im Interview mit Health Rising. "Bei anderen chronischen Krankheiten wie Diabetes gibt es fortschrittliche Technologien, die den Menschen helfen, ihren Zustand zu kontrollieren. Das sollte bei ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom) und Long  Covid nicht anders sein. Genauso wie Menschen mit Diabetes ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren, müssen Menschen mit Long Covid in der Lage sein, ihr Belastungsniveau zu kontrollieren. Wir sind dabei, die Werkzeuge zu entwickeln, die dies durch ANS-Tracking ermöglichen", erklärt der Ingenieur.

Visible Plus

"Es hat mich frustriert, dass zwar Milliarden von Dollar in tragbare Geräte gesteckt wurden, um gesunden Menschen zu helfen, ihre Fitness zu managen, aber keines davon wirklich bei schweren, komplexen chronischen Erkrankungen wie Long Covid und ME/CFS funktioniert, um ihre Aktivität zu managen", sagt Leeming. "Die Möglichkeit, Menschen wie mir zu helfen und gleichzeitig die Wissenschaft voranzubringen, hat mich dazu bewogen, Visible zu entwickeln. Leicht zugängliche Wearables haben das Potenzial, dies in großem Umfang zu tun."

Im nächsten Jahr will Leeming sein Start-Up "Visible Plus" auf den Markt bringen. Ein Monats-Abonnement, das ein tragbares Gerät enthält, das Echtzeit-Messungen und krankheitsspezifische Messwerte für Long Covid liefert. Leemings Entwicklung stellt möglicherweise eine revolutionäre Entwicklung im Bereich der Wearables für Long Covid, ME/CFS und ähnliche Krankheiten dar.

"Unsichtbare Krankheit"

ME/CFS und verwandte Krankheiten gelten seit langem als "unsichtbare Krankheit", weil die meisten Menschen gesund aussehen und die Standardtests in der Regel normale Ergebnisse liefern. "Ich leide an Erkrankungen des Nervensystems und obwohl alle meine Bluttests normal ausfallen, kann ich anhand der Daten meiner Wearables sehen, dass mein Körper auf einfache Stressfaktoren, die von den aktuellen Geräten zur Gesundheitsüberwachung nicht berücksichtigt werden, nicht richtig reagiert, etwa aufrechtes Sitzen oder Stehen."

Hier kommt Visible ins Spiel: Die neue App soll Patienten ermöglichen, regelmäßig biometrische Signale ihres Körpers mit der Kamera ihres Smartphones zu messen. Diese Daten werden mit den Symptomen, der Anstrengung und anderen Faktoren (Medikamente, Menstruationszyklus) überlagert, um den Nutzern zu helfen, ihren langfristigen Fortschritt zu verstehen und Muster in ihrer Krankheit zu erkennen. Die Nutzer können sich auch dafür entscheiden, ihre Daten anonym mit Forschern wie dem Imperial College London zu teilen.

Erfolgversprechend: Pacing
Beim Therapieansatz des "Pacing" geht es darum, auf den eigenen Körper zu hören. Die Strukturierung der Aktivität streng nach den eingeschränkten körperlichen Energiereserven des Patienten. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort "pace" für Geschwindigkeit ab. Und genau darum geht es: Das Tempo des Alltags unter Kontrolle zu haben – und auf die Bremse zu treten, wenn die Anstrengung zu groß wird. Das bedeutet, im Alltag schonend mit den eigenen Ressourcen umzugehen und zu erkennen, wo die eigenen Grenzen liegen und dann eine Pause einzulegen. 
Das Pacing ist auch ohne ärztliche Anleitung selbstständig machbar. Je früher man damit beginnt, desto schneller wird sich der Zustand stabilisieren und desto eher wird man wieder fit.

Beta-Version downloadbar

Die App ist jetzt als "Open Beta" verfügbar. Jeder kann sie herunterladen, testen und nutzen, während die Visible-Plattform weiter entwickelt wird. Mit der kostenlosen App können Sie Ihre Herzfrequenzvariabilität mit der Kamera Ihres Smartphones messen, Trends bei Ihrer Krankheit erkennen und Ihre Daten mit Forschern teilen.