Politik
"Deppate Kuh" – alle brisanten Vorwürfe im Chat-Skandal
"Kurz kann jetzt Geld scheißen" und "scheiße mich jetzt an." Chats aus 2016 von Thomas Schmid lassen jetzt eine Polit-Bombe platzen. Alle Vorwürfe.
Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid "singt" vor der Staatsanwaltschaft und packt nun alles zum Chat-Skandal, der 2016 seinen Ausgang nahm, aus. Damals zeigte sich Schmid noch stolz, aber erste Zweifel, dass alles nicht rechtens sei, dürften ihm schon damals gekommen sein. Als damaliger Shooting-Star im Finanzministerium schrieb er als Vertrauter von Sebastian Kurz, nachdem er dessen Außenministeriums-Budget erhöht haben will, an Kurz-Freund Gernot Blümel: "Ich habe Sebastians Budget um 35 Prozent erhöht. Scheiße mich jetzt an. Mitterlehner wird flippen. (...) "Kurz kann jetzt Geld scheißen."
Nun, sechs Jahre später, will Schmid vor der Staatsanwaltschaft auspacken und "Kronzeuge" werden – und die Aussagen vor diesem Schritt klangen schon ganz anders. Etwa zum Vorwurf des "Beinschab-Tools", bei dem mit Steuergeld bezahlte und frisierte Umfragen Kurz zum Kanzler gemacht haben sollen, sagte Schmid laut einem Tonband-Mitschnitt 2021, den Kurz aufgezeichnet hat: "Dass diese deppate Kuh dann diese Rechnungen da umeinanderschickt und, aus dem die jetzt machen, das war alles ein Auftrag, das war eine ganz andere Sache." Doch um welche Vorwürfe geht es da genau?
„Das "Beinschab-Tool"“
Schmid bestätigte in seiner Einvernahme die wesentlichen Vermutungen der Ermittler in der Causa "Beinschab-Tool". Dabei sollen mit Steuergeld bezahlte Umfragen rund um Kurz von der Meinungsforscherin Sabine Beinschab und Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin zugunsten von Kurz "geschönt" und dann über die "Österreich"-Chefs Wolfgang und Helmuth Fellner medial verbreitet worden sein. Abgerechnet sei dies laut Aussage über das Finanzministerium worden, einerseits über Scheinrechnungen, andererseits über Inseratengeschäfte. Alles im Auftrag von Kurz, so Schmid, der sich dabei auch selbst belastet, während alle anderen mutmaßlich Beteiligten die Vorwürfe bestreiten.
„Falsch-Aussage im U-Ausschuss“
Schmid wirft Ex-Kanzler Kurz auch eine mögliche Falschaussage im U-Ausschuss vor. Dort hatte Kurz bestritten, mit Schmid über dessen Bestellung in die ÖBAG-Chefetage vorab gesprochen zu haben. Schmid beteuerte dagegen, dass es nicht nur entsprechende Gespräche gegeben habe, sondern die Planung von Kurz ausgegangen sei.
„Steuergeld für Kurz-Karriere“
Einer der brandneusten Vorwürfe von Schmid lautet, dass das "Fortkommen" von Kurz und seiner ÖVP-Truppe mit Geldmitteln des Finanzministeriums erfolgt sei. Dabei gehe es um entsprechende Postenbesetzungen, "Wordings" und Vorbereitungen von Regierungsverhandlungen – all das sei auch hinter dem Rücken der Finanzminister geschehen, so Schmid.
„Projekt Regierungsverhandlungen“
Anknüpfend an die Vorbereitungen für Regierungsverhandlungen der ÖVP soll es zu einer Hausdurchsuchung bei einer Consulting-Gruppe in Graz gekommen sein. Der Hintergrund: Die Unterlagen für das "Projekt Regierungsverhandlungen" sollen zwar in der ÖVP erstellt, aber von "Externen" begleitet worden sein – wiederum bezahlt vom Finanzministerium und nicht der ÖVP, so Schmid.
„Steuer-Causen um Wolf und Benko“
Ebenfalls in den Skandal hineingezogen werden durch die Schmid-Aussage Unternehmer Siegfried Wolf und Signa-Gründer Rene Benko. Bei Wolf soll es – so die Aussage Schmids – einen großzügigen Steuernachlass gegeben haben. Bei Wolf soll eine Steuersumme von elf auf sieben Millionen Euro gekürzt worden sein – auf Wunsch von Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling, so Schmid. Wie Schmid ebenfalls aussagte, soll er als damaliger Generalsekretär im Finanzministerium auch für Benko "aktiv" geworden sein – im Gegenzug für eine Steuernachzahlungs-Erledigung habe Benko Schmid einen Job in seinem Konzern mit 300.000 Euro Jahresgehalt, Dienstauto und noch einmal 300.000 Euro Bonus angeboten, hieß es. Zur Gruppe gewechselt sei Schmid aber dann auf Wunsch von Kurz nicht.
„Verhinderung von Steuerprüfungen“
Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wird von Schmid schwer belastet. Der Vorwurf: Sobotka habe bei ihm bereits 2013 und 2014 interveniert, um Steuerprüfungen bei zwei Stiftungen von ihm und Erwin Pröll beziehungsweise einem Institut zu verhindern, was "erledigt" worden sei. Sobotka dementiert dies und will Schmid deswegen rechtlich belangen, sieht sich aber zeitgleich mit Rücktrittsforderungen der Opposition konfrontiert.
„Bürgermeister sollte Finanzchef werden“
Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger wird von Schmid belastet – er soll sich 2017 dafür starkgemacht haben, dass ein ÖVP-Bürgermeister und guter Freund zum neuen Vorstand eines einflussreichen Finanzamts werde, dessen Qualifikation habe für die Besetzung keine Rolle gespielt. Schmid sei dem "nachgekommen". Wöginger erklärte, er habe sich für einen geeigneten Kandidaten eingesetzt und die Vorwürfe seien "nichts Neues".
„Die Causa Silberstein“
Das Amtsgeheimnis will Schmid wiederum in der Causa Silberstein verletzt haben – indem er erheben ließ, ob die heimische Finanz gegen Silberstein ermittle, nachdem dieser in Israel festgenommen worden war. Die entsprechende Informationen habe er dann weitergeleitet – unter anderem an Schelling und den engsten Kreis um Kurz –, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass die unzulässig war. Gegen einen Ex-ÖVP-EU-Mandatar wird dabei zudem offenbar wegen Anstiftung ermittelt.
„Plattform zur Image-Beeinflussung“
Schmid packte auch darüber aus, dass Kurz und ÖVP-Bundesgeschäftsführer Axel Melchior Druck gemacht hätten, an einen Funktionär der Industriellenvereinigung heranzutreten. Dieser sollte offenbar eine ganz besondere Plattform aus Geldern der Industriellenvereinigung umsetzen, so der Vorwurf, auf der ein dramatisches Stimmungsbild der heimischen Wirtschaft gezeichnet werde. Mutmaßliches Ziel: Der Eindruck solle entstehen, es brauche einen Regierungswechsel und Kurz am Ruder, der Funktionär soll aber kopfschüttelnd abgelehnt haben.
„Inseraten-Chef für Fellner-Medien“
Ebenso bizarr liest sich ein weiterer Vorwurf Schmids: Die Fellner-Brüder sollen, nachdem er zum ÖBAG-Chef wurde, den Wunsch geäußert haben, dort einen "Inseraten-Geschäftsführer" zu installieren, der Einfluss auf Kampagnen von Unternehmen und Schaltungen von Anzeigen in den Fellner-Medien nehmen sollte.
„Zahlreiche Postenbesetzungen “
Gleich mehrere kuriose Postenbesetzungen und entsprechende Absprachen habe es ebenso gegeben. Zwei im öffentlichen Dienst seien auf Wunsch von Schelling und mit Involvierung von Kurz erfolgt, hieß es. Kurz sei dabei äußerst wichtig gewesen, "dass das Leute sind, die nicht permanent alles hinterfragen, sondern die das dann durchziehen, was man ihnen vorgibt". Brisant geht es auch im mutmaßlichen CASAG-Deal weiter, bei dem ÖVP und FPÖ den FPÖ-Mann Peter Sidlo auf einem Novomatic-Ticket in den Vorstand entsendet haben sollen, obwohl dieser von vielen Seiten als vollkommen ungeeignet angesehen wurde. Schmid will dazu auch auspacken, kennt aber nach eigener Aussage keine Details.
„"Vollgas" bei der Kirche“
Letzter bisher bekannter Vorwurf des Polit-Skandals: Der Kirche soll gedroht worden sein, ihre Privilegien zu überprüfen, weil sie Pläne zu einer harten Asylpolitik der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung und die Sicherungshaft abgelehnt hatte, so Schmid. Ausgegangen sei dies laut Schmid von Kurz, der ihn aufgefordert habe, bei der Kirche deswegen "Vollgas" zu geben. Das habe er "umgesetzt und dem Wunsch entsprochen". Für alle Genannten und bei allen Vorwürfen gilt die Unschuldsvermutung.
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