Ukraine
"Das ist das Endstadium" – Putin vor Zusammenbruch
Brisante Wende um Wladimir Putin! Immer mehr Russen sind für Frieden statt Krieg, der russische Kriegstreiber steht vor Macht- und Kontrollverlust.
Zu Beginn des neuen Jahres tauchen viele Russen über die traditionell arbeitsfreien Feiertage ab in eine Ruhephase – oft mit Kaviar, Sekt, Wodka und Gesprächen am Küchentisch auch über den Krieg. Dabei geht es nicht zuletzt um den Oberbefehlshaber, um Präsident Wladimir Putin. Der 70-Jährige blies zwar in einer kämpferischen Neujahrsbotschaft zur Fortsetzung des Krieges in der Ukraine und gegen den Westen. Aber in Umfragen sind mehr Russen (50 Prozent) für den Beginn von Friedensverhandlungen als für weitere Kampfhandlungen (40 Prozent).
Angesichts zahlreicher Niederlagen im Krieg nehmen viele Russen Putin inzwischen nicht mehr als starken Anführer war. Der Verzicht auf die Jahrespressekonferenz und die Rede zur Lage der Nation lassen darauf schließen, dass er keine neuen Antworten auf drängende Fragen hat, dass der Präsident selbst keine Orientierung geben kann. Dabei hilft ihm im Moment aus Sicht von Analysten noch, dass der von vielen vorhergesagte Zusammenbruch der Wirtschaft trotz großen Sanktionsdrucks bisher ausgeblieben ist.
Russland: Radikale Rechte wittern Verrat an oberster Stelle
Gleichwohl attestieren unabhängige Experten Putin Macht- und Kontrollverlust. Vielmehr muss die Elite zusehen, wie radikale Kräfte wie der gefürchtete Chef der paramilitärischen Organisation "Wagner", Jewgeni Prigoschin, auf das politische Feld vordringen. Putin droht Gefahr von rechten Nationalisten, auf die er sich lange gestützt hat. Einer ihrer Wortführer ist der ehemalige Geheimdienstoffizier Igor Girkin, der unter dem Pseudonym Igor Strelkow 2014 den Aufstand der Separatisten im Osten der Ukraine anführte.
Zwar unterstützen solche Kräfte wie Girkin den imperialistischen Krieg Moskaus zur Rückgewinnung "alter Größe". Doch sind sie von der Kriegsführung und den stetigen Niederlagen so enttäuscht, dass sie Verrat an oberster Stelle wittern. Girkin arbeitete sich öffentlich an Verteidigungsminister Sergei Schoigu ab – wegen der Korruption bei der russischen Armee und der Unfähigkeit der Befehlsführung. Manche fassen solche Äußerungen längst als Kritik an Putin selbst auf.
Der in London im Exil lebende Kremlkritiker Michail Chodorkowski rief seine Landsleute auf, nicht weiter zuzusehen. "An der Seite stehen – das bedeutet mitmachen", sagte er. Der 59-Jährige wirft Putin vor, mit einem "faschistischen" Kurs den Kreml besetzt zu haben. Zugleich lobt der Ex-Öl-Manager, der unter Putin viele Jahre im Straflager gesessen hat, dass viele Russen trotz Militärzensur und einer "explosionsartigen Zunahme der Repressionen" ihrem Unmut Luft machen.
"Das ist das Endstadium, ein Mechanismus der Selbstzerstörung"
Russland habe sich mit dem Krieg völlig übernommen, weil es keine Ressourcen habe, den Westen herauszufordern, bilanziert die Politologin Tatjana Stanowaja. "Das ist das Endstadium, ein Mechanismus der Selbstzerstörung jenes postsowjetischen Russlands, wie wir es kennen." Für die Machthaber gebe es keinen Ausweg mehr.
"Das Regime, das den Krieg begonnen hat, kann nicht gewinnen, weil es keine Ressourcen hat, und nicht verlieren, weil es psychisch dazu nicht bereit ist. Das bedeutet, dass sich die selbstzerstörerischen inneren Kräfte eher verstärken werden", sagt Stanowaja. Die Expertin sieht die Gefahr, dass "Radikale mit revolutionären Einstellungen" stärker werden. Der "Schrecken der Selbstzerstörung" berge aber auch die Hoffnung, dass dann etwas Neues entstehen könne.