Ukraine

Tausende Tote – Putin setzt jetzt alles auf eine Karte

Um Bachmut tobt seit Monaten eine höllische Schlacht zwischen Ukrainern und der Russen-Armee. Dabei ist die Stadt strategisch gar nicht so wichtig.

Eine Drohnen-Aufnahme zeigt russische Artillerie-Einschläge in Bachmut, 20. September 2022.
Eine Drohnen-Aufnahme zeigt russische Artillerie-Einschläge in Bachmut, 20. September 2022.
IMAGO/Cover-Images

Seit sechs Monaten tobt um Bachmut eine zermürbende Schlacht zwischen den russischen Invasoren und der ukrainischen Armee. Obwohl jeden Tag Zehntausende Granaten auf die Stellungen beider Kriegsparteien niederhageln, hat sich die Frontlinie seither nur um wenige Meter verschoben.

Vor dem Krieg lebten hier rund 75.000 Menschen. Jetzt ist die Stadt in der Oblast Donezk und ihr Umland eine Kraterlandschaft aus Bombentrichtern, Schützengräben und Trümmerhaufen. 

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    Bilder von der Schlacht um Bachmut im Osten der Ukraine, 2022.
    Bilder von der Schlacht um Bachmut im Osten der Ukraine, 2022.
    Libkos / AP / picturedesk.com

    "Das ergibt dann diese apokalyptischen Bilder", beschrieb der österreichische Bundesheer-Oberst Markus Reisner die schrecklichen Szenen vor Ort bereits Ende November. Er fühlt sich an den Ersten Weltkrieg erinnert: Bachmut sehe aus "wie Verdun 1916".

    Womöglich sterben Hunderte jeden Tag

    Wie viele Soldaten hier bereits ihre Leben lassen musste, ist unklar. Weder Russland noch die Ukraine machen Zahlen zu eigene Verlusten öffentlich – und wenn, können diese kaum für bare Münze genommen werden. Serhiy Grabskiy, ein ehemaliger Oberst der ukrainischen Armee, ist Militäranalyst in Kiew. Er schätzt, dass die Ukraine jeden Tag "eine halbe Kompanie" – etwa 30 bis 50 Soldaten – verliert. 

    Allerdings hatten die Ukrainer in dieser Region bereits ab der Krim-Invasion 2014 mehrstufige Verteidigungsanlagen zu den nahen Separatisten-Gebieten in Donezk und Luhansk errichtet.

    Die Russen könnten als Angreifer nach Grabskiys Schätzung deshalb ein Vielfaches an Verlusten haben. Er spricht gegenüber CBC Kanada von mutmaßlich vier bis fünf Mal so vielen Verwundeten und getöteten auf Seiten von Wladimir Putins Armee.

    Darum wird Bachmut verbissen verteidigt

    Über die Lage rund um die Bachmut sagte jüngst der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski: "Dort gibt es eine sehr harte Konfrontation. Jeder Meter zählt." Die Besatzer hätten die Stadt zerstört. "Bachmut, Soledar, Marjinka, Kremmina – für lange Zeit gibt es keinen Lebensraum mehr in diesen Gegenden", so Selenski.

    Die Stadt selbst hat militärisch für sich genommen aber kaum Bedeutung, sie fungiert hauptsächlich als Bollwerk vor den beiden viel größeren Donbass-Metropolen Slowjansk und Kramatorsk im Norden der Oblast Donezk.

    Aus Kiewer Sicht geht es darum, dass sich die Russen hier mit Menschen und Material möglichst aufreiben, die Verluste in die Höhe getrieben werden. Ähnlich wurde bereits bei der Verteidigung von Lyssytschansk vorgegangen. Putins Truppen müssen für jeden gewonnenen Meter Boden mit viel Blut bezahlen.

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      Lyssytschansk vor dem Fall: Diese Bilder wurden im Juni 2022 aufgenommen.
      Lyssytschansk vor dem Fall: Diese Bilder wurden im Juni 2022 aufgenommen.
      State Emergency Services of Ukraine Press Service/Handout via REUTERS

      Warum opfert Putin so viel für diese Stadt?

      Doch warum ist Bachmut für den Kreml so wichtig, dass man hier sogar die gut ausgestatteten Söldner der Gruppe Wagner federführend agieren lässt? 

      Militäranalyst Grabskiy sagt, dass Bachmut aktuell der einzige Teil der langen Frontlinie zu sein scheine, an dem Russland in die Offensive gehen könne. Dies sei wichtig für das Militär, um Kreml-Despot Wladimir Putin einen Erfolg auf dem Schlachtfeld liefern zu können.

      Dieser Meinung ist auch Jon Roozenbeek, Wissenschaftler der Britischen Akademie an der Universität Cambridge. Gegenüber "Newsweek" sagt er, dass die Einnahme der Stadt für Russland vor allem von symbolischer Natur wäre, da sie Putin die Möglichkeit gäbe, nach den erfolgreichen Gegenangriffen der Ukraine im vergangenen Monat eine Art militärischen Sieg zu erringen. "Es ist einfach die einzige Stadt, in der sich Russland vorwärts statt rückwärts bewegt hat", sagte er.

      Der Kreml scheint hier derzeit auch alles auf diese Karte zu setzen, denn Berichten zufolge wurden die aus Cherson abgezogenen Elitetruppen der Fallschirmjäger nun, um mobilisierte Neuankömmlinge ergänzt, Richtung Bachmut geschickt.

      Die Rolle der Wagner-Söldner

      Neben den regulären Streitkräften Russlands ist die berüchtigte Söldnergruppe Wagner auf dem Schlachtfeld im Einsatz. "Es geht um Geld", sagt Militäranalyst Grabskiy.

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        Mehrere Reihen von Betonblöcken ziehen sich mittlerweile kilometerweit durch den Osten der Ukraine.
        Mehrere Reihen von Betonblöcken ziehen sich mittlerweile kilometerweit durch den Osten der Ukraine.
        Screenshot RIAFAN

        Er vermutet, dass die Söldnergruppe vom Kreml beauftragt worden sei, Bachmut einzunehmen, und dass dies mit einer beträchtlichen finanziellen Belohnung verbunden sein werde – unabhängig von der Zahl der russischen Todesopfer.

        Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin wolle beweisen, dass er ein wichtiger Bestandteil der russischen Militärmaschinerie sei, so Grabskiy.

        Das sagen ausländische Beobachter

        Sowohl die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) als auch das britische Verteidigungsministerium haben die Möglichkeit einer Einnahme der Stadt durch Russland zwar eingeräumt, sind jedoch der Ansicht, dass die damit verbundenen Kosten den Nutzen bei weitem überwiegen würden.

        Nach Angaben des ISW wäre die Einnahme von Bachmut zwar von großer symbolischer Bedeutung, aber die russischen Streitkräfte hätten danach dennoch Schwierigkeiten, tiefer in das Gebiet Donezk vorzudringen.

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          privat, iStock