Politik
Für Michaelis war Summe 960 Mio. kein Zufall
Ex-ÖIAG-Chef Peter Michaelis bewies am Donnerstag sein "wirtschaftliches Denkvermögen" und vertiefte sich mit der Richterin in komplizierte Analysen.
Ex-ÖIAG-Chef Peter Michaelis berichtete am Donnerstag im Buwog-Gerichtssaal sehr detailliert über die Formalitäten des Verkaufsprozesses der Bundeswohnungen. Er konnte alle Mitglieder der Auswahlkommission beim Namen nennen, wusste die genauen Daten der Sitzungen etc.
Auf Nachfrage verriet er der Richterin, dass seine detailgenaue Erinnerung nicht allein seinem Gedächtnis an diese Zeit vor 15 Jahren geschuldet ist. Er habe sich auf seine Aussage hier intensiv vorbereitet und diverse Schriftstücke (Rechnungshofbericht, Protokolle von damals, Prozessbriefe von damals) nochmals studiert.
Seine Aussagen waren also eine Mischung aus Erinnerung, Rekonstruktion und nachträglicher Analyse. Michaelis interpretierte mit der Richterin hauptsächlich die Unterlagen, die sich ja auch schon im Hauptverhandlungsakt befinden.
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Kärnten entscheidend
Ganz stark sei in ihm das Gefühl aufgekommen - im Nachhinein - dass hier das Land Kärnten (also Jörg Haider) mit seinem Vorkaufsrecht an einer der zu verkaufenden Gesellschaften (ESG) die Zügel in der Hand hatte. Kärnten hätte bestimmen können, wer Bestbieter wird.
Ob das den Beteiligten damals in vollem Ausmaß bewusst war, das weiß er heute nicht mehr. An Ungereimtheiten damals erinnerte er sich nicht, er konnte dafür mit seine "wirtschaftlichen Denkvermögen" aufwarten und die damaligen Prozesse anhand der Unterlagen rekonstruieren.
960 Mio. sehr wohl entscheidend
Was er dabei herausarbeitete, war, dass die Zahl 960 Mio. Euro aus der ersten Bieterrunde sehr wohl äußerst wichtig war (Grasser war hier gegenteiliger Meinung).
Wir erinnern uns: Die letztlich unterlegene CA Immo hatte diese Zahl als "Finanzierungsgarantie" in ihr Erstrundenangebot inkludiert - obwohl sie das nicht tun hätte müssen. Für die Anklage ist das die "magische" Zahl, für deren Weitergabe an die Konkurrenz die Provision an Meischberger, Grasser, Plech und Hochegger geflossen sein soll. Karl-Heinz Grasser hielt das in seiner Aussage für eine Missinterpretation der Ermittler. Von dieser Zahl hätte man niemals darauf schließen können, was in der zweiten Runde geboten wird - er könne also gar nicht der Tippgeber gewesen sein.
Warum die CA Immo diese Zahl "verriet", konnte Michaelis jedenfalls auch nicht verstehen. Er meinte, dass man damit signalisiert hätte, wieviel man bieten hätte können. Das sei "zumindest mal ein Anhaltspunkt" für die zweite Runde gewesen.
Was nicht heißen solle, dass man nicht auch noch mehr hätte bieten können, theoretisch! Aber so kam es nicht, die CA Immo bot in der zweiten Runde dann wirklich knapp 960 Mio. Euro: "Ein Zufall kann das in meinen Augen überhaupt nicht gewesen sein", sagte Michaelis dazu.
"Lucky Punch" gegen "dumme" CA Immo
Wenn ein Konkurrent also möglicherweise von dieser Zahl aus der ersten Runde erfahren hätte, dann hätte er wohl einen "Lucky Punch" versuchen und mit nur einer Million mehr den Zuschlag bekommen können, theoretisierte Michaelis. "Wenn die (Konkurrenten Anm.) so dumm sind, dann probieren wir's", hätte die Überlegung dazu sein können. Sieht man sich die Zahlen an, ist es wohl genauso gekommen.
Wer den Tipp mit den 960 Mio. an Meischberger weitergab, das wusste Michaelis freilich nicht. Laut Meischberger war es Jörg Haider: "Dazu hab ich überhaupt keine Wahrnehmungen, null!", sagte Michaelis vehement. Wäre er Ermittler, hätte er aber auf jeden Fall auch einen "möglichen Informationsabfluss" bei der CA Immo (dem unterlegenen Bieter) untersucht.
Zweite Runde sinnvoll, 3 Prozent auch
Die Sinnhaftigkeit einer zweiten Bieterrunde stellte Michaelis jedenfalls nicht in Frage. Ganz im Gegenteil, eine zweite Bieterrunde anzusetzen, das hätte auf jeden Fall Sinn gemacht, sagte er aus. Schließlich hätte ja ein Bieter klargemacht, mehr zahlen zu können, wenn die Zuschlagsfrist kürzer wäre. Das habe man dann auch mit einer - reichlich komplizierten - Drei-Prozent-Regel sichergestellt.
Die Bieter hätten im ersten Angebot klargemacht, dass sie bei verkürzter Zuschlagsfrist (heißt Beschluss im Ministerrat) bereit wären, mehr zu zahlen. Das wollte das Ministerium in der zweiten Bieterrunde "herausholen". Und um sicherzugehen, dass die Bieter das - bei einem schnellen Zuschlag - auch wirklich machen, wurde diese Drei-Prozent-Regel ersonnen.
Auch Sitzung nicht ungewöhnlich
Genauso üblich wie der Beschluss einer zweiten Runde war für Michaelis auch der Rahmen, in dem die Entscheidung fiel. Grasser-Anwalt Norbert Wess wollte das in seiner Befragung des Zeugen wissen. Ob es denn ungewöhnlich sei, dass es solche Nicht-Kommissionssitzungen bei Privatisierungsprozessen gebe, ganz im Allgemeinen? Das verneinte Michaelis, es "stand dem Minister frei", sich auch in anderen Runden mit der Materie zu befassen.
Die Analyse der Formulierung dieser Regel in den Prozessbriefen an die Bieter gestaltete sich reichlich kompliziert. Gemeinsam mit der Richterin kam der Zeuge dann aber schließlich zu dieser Schlussfolgerung. Das sei ja eigentlich ganz einfach, sagte der Zeuge - aber eben auch reichlich kompliziert, sagten Prozessbeobachter.
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(csc)