Politik
"Oberster Kriegsherr" KHG in "nebulöser" Sitzung
Zeuge Rainer Wieltsch berichtete am Mittwoch im Buwog-Gerichtssaal über die entscheidende Sitzung am 7. Juni und die Rolle von Karl-Heinz Grasser dabei.
Der Vorsitzende der Auswahlkommission, Rainer Wieltsch, war am Mittwoch im Zeugenstand. Wer ihn zur "nebulösen" Sitzung am 7. Juni bei Grasser eingeladen hat und wer da genau dabei war, daran konnte er sich nicht mehr erinnern.
Zeugenstand verfehlt
Der Prozess begann jedenfalls ungewöhnlich. Zunächst fehlten die Zeugen - die Richterin musste sie noch holen lassen - dann fand Wieltsch nicht in den Zeugenstand. Weil die Anklagebank und die Tischreihe für die Anwälte über die gesamte Breite des Gerichtssaals aufgestellt sind, müssen die Zeugen daran vorbei. Wieltsch wanderte allerdings in die Mitte der Anklagebank und musste umkehren, um an Grasser vorbei in den Zeugenstand zu treten.
Zweite Runde war logisch
Die Tatsache, dass die zweite und finale Bieterrunde ohne Empfehlung der Kommission entschieden wurde, schien für Wieltsch nicht ungewöhnlich. Es sei nach Öffnung der Angebote am 4. Juni 2004 - über die er telefonisch informiert wurde - klar gewesen, dass es eine zweite Runde braucht. Durch ein Zinsänderungsrisiko, das einer der Bieter von seinem Angebot abgezogen hatte, seien noch 30 oder gar 60 Mio. Euro mehr drinnen gewesen. Die Vergabebank Lehman Brothers habe dann die genaue Rechenarbeit geleistet und die Entscheidungsbasis geliefert.
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Die Entscheidung für die zweite Runde fiel also bei der Sitzung am 7. Juni. Dort habe sich sein Eindruck, dass einer der Bieter "unter Umständen mehr zahlen möchte", verstärkt. Die fragliche Finanzierungsgarantie von 960 Mio. hätten die Sitzungsteilnehmer unterschiedlich interpretiert. Fest stand für Wieltsch aber: Da geht noch was. Für ihn allein schon aufgrund des Zinsänderungsrisikos, das einer der Bieter vom Angebotspreis abgezogen hat.
Die eigentliche Kommissionssitzung verschob Wieltsch gleich nach diesem Termin auf 13. Juni. Parallel dazu bekamen schon die Bieter - von Lehman, wie Wieltsch vermutet - die Info und begannen erneut zu rechnen.
Mysteriöse Einladung zu "nebulöser Sitzung"
Wie es überhaupt zu der Sitzung am 7. Juni kam, war Wieltsch bei seiner Zeugenaussage nach so vielen Jahren schleierhaft. Er könnte telefonisch dazu eingeladen worden sein, mutmaßte er. "Für mich ist der Termin auch etwas nebulös", gab er zu. Danach habe er seine Kommission jedenfalls "auf Spur gebracht", also "informiert", dass die reguläre Sitzung am Tag danach verschoben wird.
Unterlagen "mitgehen lassen"
Einen Scherz machte der Zeuge auch. Viele andere berichteten bis jetzt, dass die Unterlagen, die in der Sitzung am 7. Juni, streng wieder eingesammelt wurden. Geheimhaltung und so. Wieltsch hat jedenfalls Unterlagen. Wo er sie her hat, wusste er am Mittwoch nicht mehr. "Ob ich sie bekommen habe, ob ich sie mitgehen hab lassen, ich weiß es wirklich nicht", scherzte er.
Grasser als "oberster Kriegsherr"
Grassers Rolle als Finanzminister beschrieb Wieltsch als "obersten Kriegsherren". Er habe sich informieren lassen und "die wichtigen Entscheidungen mitgetroffen". Das war seine Aufgabe im Buwog-Verkauf. Die Kommission habe eine beratende Funktion gehabt, aber "gewisse Entscheidungen musste dann schon er treffen".
Damit meinte Wieltsch auf Nachfrage die Sache mit Kärnten und, "dass wir eine zweite Runde machen". Hier hatte "natürlich der Minister" die letztendliche Entscheidung zu treffen. Da dürfe man nicht beleidigt sein, formulierte er es.
Meischberger aus der Zeitung, aber unordentlich
Er als Kommissionschef hat Walter Meischberger und Peter Hochegger nie wahrgenommen. "Die kenne ich nur aus der Zeitung", sagte er.
Die Richterin sah sich auch die Unterlagen an, die Wieltsch als Zeuge mitbrachte. Diese sind in der Mappe nicht chronologisch geordnet. "Aber bitte, das ist meine Unordnung und hat keinen tieferen Sinn", erklärte er dazu.
960 Mio. mit Interpretationsspielraum
Die Zahl 960 Mio., die aus einem Angebot der ersten Bieterrunde stammt, wird hier im Verfahren oft als zentrale Zahl betrachtet. Wie sah das Wieltsch? War das ein fixes Höchstgebot, auch gültig für die zweite Runde? Oder nur eine Bankgarantie?
Wieltsch erinnerte sich, dass das in der Sitzung am 7. Juni durchaus unterschiedlich interpretiert wurde: "Jeder, der in der Sitzung war, hat die Zahl in irgendeiner Form mitgenommen", sagte er. So haben es auch andere Zeuge angegeben.
Dass die Zahl aber ausschlaggebend für das Durchführen einer zweiten Runde war, dementierte Wieltsch: "Es waren sicher nicht die 960 Mio., die den Ausschlag für die zweite Runde gegeben haben. Es war das Zinsänderungsrisiko."
"Wir wissen alle, dass er recht hat"
Bei der Befragung durch den Privatbeteiligtenvertreter Johannes Lehner wird es teilweise laut und hektisch. Er "stürzte" sich auf einen Satz des Zeugen (so formulierte es die Richterin), der ihm scheinbar eine neue, überraschende Information verriet. Dabei ging es darum, dass die Bieter bei einer zweiten Runde zwingend drei Prozent auf den Kaufpreis aufschlagen hätten müssen.
Im 14. Prozessbrief, der die Bieter offiziell über eine zweite Runde informierte, stand das nicht - obwohl der Zeuge das zunächst glaubte. Aber in seinen Aufzeichnungen steht es, sagte Wieltsch. Grassers Anwalt, Norbert Wess, regte sich über dieses Thema auf, da die Sache mit den drei Prozent ja auch aus anderen Unterlagen hervorgehen würde und damit klar sei: "Wir wissen alle, dass der Herr Wieltsch recht hat." Er ärgerte sich und verstand nicht, was die Fragen zu diesem Thema überhaupt sollen.
Befragung durch Wess
Auch Grassers Anwalt Norbert Wess hatte noch Fragen an den Zeugen. Er ging mit dem Zeugen die Aussagen von Lehman-Mitarbeitern durch. Diese stellten die zweite Bieterrunde quasi als Teil der ersten dar. Auch der heutige Zeuge bestätigte das so.
Deshalb sei es logisch, dass die offizielle Kommissionssitzung verschoben wurde und nicht - wie laut Wess die Anklage behauptet - abgesagt bzw. vorverlegt wurde.
Der nächste Prozesstag ist für den 2. April angesetzt.
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(csc)