Helmut Zwander

Biologe hebelt ÖVP aus: "Kann mir niemand einreden"

Das EU-Renaturierungsgesetz steht auch wegen einer anhaltenden ÖVP-Blockade in Österreich auf der Kippe. Ein Kärntner Biologe und Landwirt kontert.

Roman Palman
Biologe hebelt ÖVP aus: "Kann mir niemand einreden"
Bauernmarkt in Favoriten. Die ÖVP sieht durch Renaturierung die Ernährungssicherheit gefährdet. Stimmt nicht, sagen Experten.
Gerhard Deutsch / KURIER / picturedesk.com

Das EU-Renaturierungsgesetz sorgt in Österreich für Donnerwetter und einen handfesten Streit in der türkis-grünen Koalition. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) würde zwar gerne zustimmen, darf es wegen einer Blockade der Bundesländer rechtlich aber nicht. Das rote Wien und Kärnten hatten bereits ein Umdenken anstoßen wollen, scheiterten aber an der ÖVP-geführten Mehrheit.

Niederösterreichs Landeshauptfrau und aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz Johanna Mikl-Leitner zementierte ihre Ablehnung der Wiederherstellung von zerstörten Ökosystemen in der Vergangenheit unter anderem mit der Begründung ein, dass damit die Ernährungssicherheit gefährdet werde. Zuletzt verschärfte sie ihre Gangart, bezeichnete das EU-Renaturierungsgesetz als "zukunftsvergessen".

"Entscheidender Schritt"

Genau das Gegenteil sei der Fall, sagt Helmut Zwander. Der erfahrene und für seine Verdienste ausgezeichnete Biologe und Bio-Bauer sieht im EU-Renaturierungsgesetz einen "entscheidenden Schritt zur Erhaltung der Artenvielfalt". Diese ist in den letzten Jahren massiv in Gefahr geraten.

"Es ist eine Tatsache, dass eine der ganz großen ökologischen Probleme nicht nur der Anstieg des CO2 ist, sondern auch der Verlust des Lebensraumes und der Rückgang der Biodiversität", erklärt der Wissenschafter im Gespräch mit Radio Kärnten.

Im Hintergrund seien sehr viele Probleme mit dem Kollaps der Artenvielfalt verbunden. Als langjährige wissenschaftlichen Leiter des Kärntner Pollenwarndienstes und Präsident des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten weiß er: "Wenn die Arten zurückgehen, verschwinden auch viele Nutzinsekten, und das nützen dann Schädlinge aus".

Aus dem Reich der Märchen sei hingegen das Argument, dass es durch dieses Gesetz in Österreich zu einer Knappheit an Lebensmitteln kommen könnte:

"Es kann mir niemand einreden, dass wir mit einer vernünftigen Ernährung bei den vielen fruchtbaren Böden in Österreich auf eine Lebensmittel-Knappheit zusteuern", hebelt er diese von Kritikern bemühte Narrative aus.

Die viel größeren Probleme seien Zwander zufolge der viel zu hohe Fleischkonsum im Land und die massive Verbauung und die Zubetonierung von landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Das sagt auch das Umweltbundesamt:" Der Verordnungsentwurf zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme zielt explizit auf die Herstellung der Ernährungssicherheit ab". Damit wolle die EU die langfristigen Nachhaltigkeit und Resilienz der heimischen Landwirtschaften in einer sich durch die Erderhitzung schnell wandelnden Welt sicherstellen.

Darum geht es beim EU-Renaturierungsgesetz

Durch das Renaturierungsgesetz ("Nature Restoration Law") sollen bis zum Jahr 2050 alle zerstörten Ökosysteme der EU wiederhergestellt werden oder unter Wiederherstellung sein.
Zwischenziel bis 2030 ist, dass ein Fünftel aller Meeres- und Landflächen in der EU Wiederherstellungsmaßnahmen in Kraft sind. So sollen etwa Moore wieder vernässt, Flüsse renaturiert und Wälder zu vielfältigen Mischwäldern umgebaut werden.
Noch fehlt auf EU-Ebene die qualifizierte Mehrheit für das Gesetz im Ministerrat, das könnte sich mit einem "Ja" aus Österreich ändern. Sollte es wie bisher bei der durch die Bundesländer erzwungenen Enthaltung bleiben, gilt diese de facto als "Nein"-Stimme zählen.

Moore in Oberösterreich ‒ die "Schwämme der Natur"

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