Politik
"Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen"
Van der Bellen, Sobotka, Edtstadler und Schallenberg reisten am Montag nach Auschwitz, um dem größten Verbrechen der Geschichte zu erinnern.
Am Montag wurde die österreichische Ausstellung an der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau eröffnet. Angeführt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka reisten auch Europaministerin Karoline Edtstadler, Außenminister Alexander Schallenberg und Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer mit in den Süden Polens.
„"Es ist geschehen, daher kann es wieder geschehen."“
Worte des Gedenkens an die Teilnehmer der anschließenden Gedenkfeier richteten auch Marian Turksi, Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Turski ist 1926 geboren und einer der letzten Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz. Er überlebte auch den Todesmarsch aus dem Vernichtungslager ins Konzentrationslager Buchenwald und wurde schließlich im Ghetto Theresienstadt am 8. Mai 1945 befreit.
Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen
"Der Antisemitismus und Rassismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen. Antisemitismus und Rassismus waren in der österreichischen Gesellschaft schon vor 1938 präsent", erinnert Alexander Van der Bellen.
"Es ist unser Wille und unsere Verpflichtung, die Erinnerung an die Opfer des Holocaust zu bewahren. Und es ist unser Wille und unsere Verpflichtung, daran zu erinnern, dass nicht nur die Opfer, sondern auch Täter und Täterinnen Teil unserer Gesellschaft und von ihr geprägt waren. Dem Andenken der Opfer des Holocaust werden wir nur gerecht, wenn wir dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbockdenken und Gewalt niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden. Denn: 'Alle Menschen sind frei und gleich an Würde geboren!'"
Größtes Verbrechen der Menschheitsgeschichte
Auschwitz sei zum Symbol der industrialisierten Massenvernichtung und zum Inbegriff der Shoah, des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte geworden, erinnerte Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler. Auschwitz konfrontiere bis heute die EuropäerInnen und ÖsterreicherInnen mit schwierigen Fragen. Heute seien Antisemitismus und Rassismus wieder deutlich auf dem Vormarsch, warnte Edtstadler. Die gesamte Gesellschaft sei durch diese Entwicklungen gefordert. Edtstadler erinnerte etwa an Entgleisungen von Corona-LeugnerInnen, die den Holocaust verharmlosen oder die Erinnerung an ihn für ihre Zwecke instrumentalisieren. Solchen Entwicklungen müsse man entgegentreten, sagte Edtstadler.
Auschwitz sei der größte Friedhof der Menschheit, sagte Oskar Deutsch, Präsident des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs und Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Die Ausgrenzung der Opfer habe jedoch bereits in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft begonnen, in den Städten und Dörfern in ganz Europa. Nach dem Krieg sei diese Tatsache verdrängt worden. In Österreich habe es lange keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Schoah gegeben. Die Erinnerung an sie solle jedoch wachgehalten werden, damit so etwas nicht mehr passieren könne. Die neue Ausstellung ermögliche die notwendige Auseinandersetzung mit der österreichischen Vergangenheit.
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg ging in seinen Worten auf die Funktion des grenzübergreifenden Lernens aus der Geschichte ein. Ein Ort wie Auschwitz, ein "Ort des Unaussprechlichen" voller mahnender und schmerzhafter Erinnerungen, bewahre uns vor dem "lebensgefährlichen Glauben", wir seien vor einer Wiederholung der Geschichte gefeit. Es sei wichtig, sich ohne Scheuklappen auch den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte zu stellen und uns damit unserer Verantwortung auf kollektiver, aber auch auf individueller Ebene bewusst zu werden. Eine drohende Wiederkehr der Vergangenheit könne nur durch zukunftsfähige Erinnerungen aufgehalten werden.