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10 Fragen und Antworten zur 60-Stunden-Woche

Heute Redaktion
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Ab dem 1. September 2018 tritt die von der türkis-blauen Regierung beschlossene Arbeitszeitflexibilisierung in Kraft. Hier erfahren Sie alles, was Sie dazu wissen müssen.

Das neue Arbeitszeitgesetz, das im Juli im Nationalrat beschlossen wurde, tritt mit 1. September in Kraft und erlaubt künftig das Arbeiten von zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden pro Woche.

Frage 1: Muss ich jetzt 60 Stunden pro Woche arbeiten?

Nein. Grundsätzlich bleibt die "Normalarbeitszeit" bei acht Stunden täglich und 40 Stunden in der Woche (bzw. 38,5 Stunden). Wenn darüber hinaus mehr Stunden gearbeitet wird, fallen Überstunden an. Diese werden mit 50 Prozent Zuschlag am Monatsende ausbezahlt oder als Zeitausgleich konsumiert.

Frage 2: Was wird dann eigentlich verändert?

Die Höchstgrenzen der Arbeitszeit werden verlängert. Das heißt, das es Arbeitnehmern ab dem 1.9. grundsätzlich erlaubt ist, 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Bisher galt: Auch inklusive Überstunden durften Arbeitnehmer nicht verpflichtet werden, mehr als zehn Stunden am Tag bzw. 50 Wochenstunden zu arbeiten.

Frage 3: Wie sieht es mit der Freiwilligkeit aus?

Zwar heißt es im Gesetzestext, dass Arbeitnehmer ohne Angabe von Gründen Überstunden, die die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden bzw. die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschreiten, ablehnen darf. Sollte der Arbeitgeber aufgrund einer Weigerung mit einer Kündigung drohen, so haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, diese vor Gericht anzufechten.

Der Gesetzestext:

"Es steht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, Überstunden nach § 7 und § 8 Abs. 1 und 2 ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten."

Umstritten ist allerdings, wie das in der Realität aussehen wird. So gibt es in Österreich keinen generellen Kündigungsschutz. Somit können Arbeitnehmer Mitarbeiter rein theoretisch ohne Angabe von Gründen kündigen.

Frage 4: Gibt es Ausnahmen oder Sonderregelungen?

Ganz vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen werden Familienangehörige von Unternehmen. Auch von der Regelung ausgenommen sind leitende Angestellte und Arbeitnehmer mit "maßgeblicher selbständiger Entscheidungsbefugnis".

Für den Tourismus gilt: Die tägliche Ruhezeit von derzeit elf auf acht Stunden für alle Betriebe mit geteilten Diensten wird verkürzt. Auch soll es die Möglichkeit der Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe geben, dies allerdings beschränkt auf vier Ausnahmefälle pro Jahr.

Frage 5: Wie sieht es jetzt mit Gleitzeit aus?

Bei Gleitzeit können Arbeitnehmer Beginn und Ende der täglichen Normalarbeitszeit innerhalb eines zeitlichen Rahmens frei gestalten. Es ist also möglich, die Normalarbeitszeit flexibel zu verteilen. Bisher galt, dass diese bis zu 10 Stunden pro Tag dauern durfte. Durch die flexible Gestaltung kann ein Zeitguthaben oder auch ein Zeitminus aufgebaut werden. Künftig gilt, dass an fünf Tagen maximal zwölf Stunden gearbeitet werden darf.

Frage 6: Gibt es jetzt keine bezahlten Überstunden mehr?

Doch, zumindest theoretisch. Grundsätzlich gilt, dass für angeordnete Überstunden (nicht zu verwechseln mit Gleitzeitstunden) ein Zuschlag fällig wird. Das Problem in der Praxis: Welche Überstunden sind angeordnet und welche nicht?

Frage 7: Welche Grenzen gibt es noch?

Bisher musste ein Unternehmen nachweisen können, dass es zu einem "unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteil" kommen würde, wenn nicht vorübergehend Zusatzarbeit geleistet wird. Mit dem neuen Gesetz ist das nicht mehr notwendig, nun muss nur ein "erhöhter Arbeitsbedarf" angegeben werden. Auch Betriebsräte müssen zu Mehrarbeit nun nicht mehr ihre Zustimmung geben. Außerdem ist keine schriftliche Vereinbarung oder ein arbeitsmedizinisches Gutachten mehr nötig.

Es gibt nur noch zwei Bedingungen: 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen dürfen nicht mehr als 24 Wochen im Jahr "verhängt" werden und nach acht Wochen ist eine 14-tägige Überstunden-Pause vorgeschrieben.

Entschärft wird dies durch ein EU-Gesetz: in einem Zeitraum von 17 Wochen darf die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Wochenstunden nicht überschreiten.

Frage 8: Wie sieht es mit Vier-Tages-Wochen aus?

Die Vier-Tages-Woche war bereits mit dem bisherigen Gesetz möglich, im neuen Gesetz sucht man nach einem Anspruch darauf vergeblich.

Gibt der Chef den fünften Wochenarbeitstag nicht frei, ist das legal. Nur der Arbeitgeber entscheidet, wann ein Arbeitnehmer Zeitausgleich nehmen darf und ob die Stunden überhaupt zusammenhängend zu einem ganzen Tag genommen werden dürfen. Erst wenn der Arbeitgeber ein halbes Jahr nicht auf Anfragen reagiert, können Arbeitnehmer einen Zeitausgleich einseitig beantragen und ihn vier Wochen später nehmen, wenn sie keine Konsequenzen dadurch befürchten.

Frage 9: Kann mir jetzt mein Wochenende genommen werden?

Nein, aber es gibt eine Ausnahme. Vier Sonn- und Feiertage pro Jahr kann der Arbeitgeber ohne Notwendigkeit eine Ausnahme von der Wochenend- oder Feiertagsruhe umsetzen. Dies geschieht über Betriebsrat oder individuell mit den Arbeitnehmern.

Außer mit jenen, die bereits jetzt eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer hatten. Sie müssen "überwiegende persönliche Interessen" geltend machen, warum sie an einem Sonn- oder Feiertag nicht arbeiten wollen, wenn der Chef dies anordnet.

Frage 10: Wer profitiert davon eigentlich?

Profitieren können etwa jene Personen, die mehr arbeiten und sich etwas dazuverdienen wollen und nicht in All-In-Verträgen stecken.

Einiges im Gesetzestext, wie Zusatz-Zeitausgleich etwa, ist in der Theorie attraktiv, liegt aber an der Umsetzung des Arbeitgebers. Spielt er mit, bleibt es bei 8-Stunden-Tagen, 40-Stunden-Wochen und den bereits zuvor möglichen 4-Tages-Wochen. Oder aber der Chef zielt auf 12-Stunden-Tage, 60-Stunden-Wochen, die legal möglichen Sonn- und Feuertagsdienste und keine zusammenhängenden Zeitausgleichsstunden ab.

Bei Arbeitgebern wiederum ist der Vorteil, Aufträge schneller abarbeiten oder Produktionsspitzen ausgleichen zu können.

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