Streit eskaliert
Ampel-Knall in Deutschland – Scholz will bald Neuwahlen
Scholz warf FDP-Chef Lindner in hohem Bogen aus der Regierung. Die deutsche Ampel-Koalition ist damit Geschichte. Bald soll es Neuwahlen geben.
Lange Jahre quälenden Hickhacks und Stillstands in vielen Bereichen sind vorbei. Die deutsche Ampel-Regierung ist am späten Mittwochabend nach stundenlangem internen Streit implodiert. SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz (66) hat seinen Finanzminister, FDP-Chef Christian Lindner (45) aus dem Kabinett geschmissen. Der nimmt gleich alle seine Minister – Volker Wissing (Verkehr), Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung, Forschung) – mit.
Um 21.30 Uhr machte der deutsche Kanzler seiner Wut in einer für ihn beispiellos harten Rede Luft: Lindner habe "kleinkariert taktiert", Entscheidungen "blockiert" und mit "Egoismus" torpediert, habe nur Interesse am "kurzfristigen Überleben der eigenen Partei". "Er hat zu oft mein Vertrauen gebrochen", gipfelte Scholz.
Deshalb habe er die Entlassung Lindners beim Bundespräsidenten beantragt. Am Donnerstagnachmittag soll das entsprechende Papier Frank-Walter Steinmeier vorgelegt werden. Direkt im Anschluss soll der Nachfolger ernannt werden.
Vertrauensfrage, Neuwahlen
Rot-Grün alleine hat nun aber keine regierungsfähige Mehrheit mehr. Olaf Scholz will deshalb in der ersten Sitzungswoche des Bundestages im neuen Jahr die Vertrauensfrage stellen, um eine Neuwahl herbeizuführen. Die Abstimmung soll am 15. Jänner 2025 erfolgen. Erwartet wird, dass Scholz diese verliert. Eine Neuwahl solle dann unter Einhaltung der vorgegebenen Fristen "spätestens bis Ende März" erfolgen. Der Opposition geht das freilich nicht schnell genug.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch rechnet in einem Podcast des Nachrichtenmagazins "Politico" damit, dass Scholz bei einer Neuwahl neuerlich als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen will: "Davon gehe ich fest aus". Ähnlich tönt SPD-Chefin Saskia Esken in RTL: "Das wird Olaf Scholz sein, wir gehen gemeinsam in den Wahlkampf, und wir sind überzeugt, dass wir die Wahl auch gewinnen." Die FDP sagt das Gleiche für sich: Lindner werde wieder Spitzenkandidat sein.
Es brodelte schon lange
Dieser hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Der FPD-Chef meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik – da konnten weder SPD noch Grüne mit, was der Liberale wohl sicher wusste. In deutschen Medien wird deshalb auch von einem "Scheidungspapier" gesprochen.
Der FPD-Chef will aber vorerst noch weiterarbeiten. Sein Vorschlag: Die Ampel-Parteien sollen, wie 2005 gemeinschaftlich schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.