Der namentlich nicht genannte 52-jährige Patient kämpfte bereits seit 15 Jahren mit einer Kokainabhängigkeit und litt außerdem unter Fettleibigkeit. Sein Body-Mass-Index (BMI) betrug 35,4, was als Adipositas Grad 2 eingestuft wird. Er hatte zuvor bereits verschiedene Gewichtsverlustprogramme und Drogentherapien ausprobiert – jedoch ohne anhaltenden Erfolg.
Kokain ist eine stark süchtig machende Substanz, die Euphorie und Sucht hervorruft. Es besteht eine erhebliche Überschneidung zwischen Adipositas und substanzbezogenen Störungen, da bei beiden dieselben neurobiologischen Bahnen im Belohnungssystem des Gehirns beteiligt sind. Das Konzept der "Nahrungsmittelsucht" erklärt das zwanghafte Essverhalten bei Adipositas, bei dem kalorienreiche Nahrungsmittel ein ähnliches Verlangen wie Drogen auslösen.
Über einen Zeitraum von 12 Wochen erhielt er wöchentliche Dosen von Semaglutid, dem Wirkstoff, der in den Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy enthalten ist. Das half ihm, erfolgreich von 105 kg auf 92 kg abzunehmen und seinen BMI auf 31 zu reduzieren. Womit aber niemand gerechnet hatte: Mit den Kilos schwand auch das Verlangen nach Kokain. Die Wirkung des Semaglutid auf die Hunger- und Belohnungszentren des Gehirns hatte offensichtlich auch die Drogensucht eingewirkt.
Der im Journal of Medical Case Reports veröffentlichte Bericht zeigte, dass seine Punktzahl bei einem Quiz über das Kokainverlangen von 5,6 auf 2,3 sank, was eine 60-prozentige Verringerung des Verlangens bedeutete.
Während nicht klar war, ob der Mann schließlich gänzlich mit dem Kokainkonsum aufgehört hatte, habe sich sein "körperlicher Gesundheitszustand habe sich verbessert, einschließlich mehr Energie und weniger Gelenkschmerzen", so der Professor.
"Dieser Fall ist interessant, weil er eine Richtung für die Behandlung der Kombination von Fettleibigkeit und Kokainsucht aufzeigt", schrieb Professor Vincenzo Maria Romeo, der die Studie leitete. Es ist der erste Fall, der zeigt, wie Semaglutid sowohl Sucht als auch Fettleibigkeit gleichzeitig behandeln kann.
Experten gehen davon aus, dass es auf dieselben Bereiche im Gehirn abzielt, die Menschen zu übermäßigem Essen verleiten, sodass es bei der Bekämpfung einer Reihe von Süchten nützlich sein könnte. Eine erst letzte Woche veröffentlichte Studie ergab, dass die Injektionen das Verlangen nach Alkohol drastisch reduzieren können – und Raucher, die daran teilnahmen, pafften weniger.
