Gesundheit
900 km entfernt – 2 Ärzte operieren dieselbe Patientin
Ein Chirurg operiert in Lissabon, der andere gleichzeitig in Spanien – beide dieselbe Patientin. Augmented Reality und 5G machen es möglich.
Wurde ein neues Kapitel in der Medizingeschichte aufgeschlagen? Während Chirurg Pedro Gouveia in Lissabon im OP stand, bereit eine Brustkrebs-Operation durchzuführen, stand Rogelio Andrés-Luna in Saragossa (Spanien) auf der Bühne des Congress of Spanish Association of Breast Surgeons, überwachte die OP und leitete Gouveia von Spanien aus an. Gemeinsam demonstrierten die beiden die neueste Methode zur chirurgischen Fernüberwachung.
Pedro Gouveia trug bei der OP eine Hololens-2-Brille. Sie ermöglichte ihm, durch Transparenz die reale Welt um sich herum zu sehen – nämlich die Patientin, die auf dem OP-Tisch lag – und gleichzeitig Zugriff auf Informationen zu haben, die auf die Spezialgläser der Brille projiziert werden. So als wäre er ein Kampfpilot mit seinem Spezialhelm.
Der Kollege in Spanien, Rogelio Andrés-Luna, hatte als einziges Arbeitsgerät einen Laptop-Computer, der über ein privates 5G-Telekommunikationsnetz mit Pedro Gouveias Hololens verbunden war, und verwendete einen der üblichen Webbrowser dazu. Obwohl die beiden Ärzte 900 Kilometer voneinander trennten, lief alles so ab, als stünde der "betreuende Chirurg" direkt neben dem "durchführenden Chirurgen" und schaue ihm über die Schulter.
5G macht's möglich
Aber wie war das möglich – angesichts der zeitlichen Verzögerung, die bei Bildern und Videos durch die Internet-Übertragung entsteht? Wie ist es den beiden Chirurgen gelungen, ihre heiklen Handlungen mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Sekunden zwischen dem, was der eine von ihnen tat und dem, was der andere sah, zu synchronisieren?
Die Antwort liegt in der 5G-Technologie – die neueste und leistungsfähigste Technologie zur Übertragung digitaler Informationen. 5G reduziert die Latenzzeit auf wenige Millisekunden.
Remote Proctoring
Während der Operation konnte Rogelio Andrés-Luna nicht nur (fast) genau sehen, was Pedro Gouveia in jedem Moment tat, sondern Pedro Gouveia konnte auch fast augenblicklich über die Hololens nützliche und zeitnahe Informationen erhalten, insbesondere kurze Videos von ähnlichen Operationen, die er zuvor durchgeführt hatte. Und er konnte sogar direkt vor seinen Augen – über den Körper des Patienten gelegt – blaue Linien sehen, die sein Tutor, Andrés-Luna, zuvor in Echtzeit auf seinem Laptop gezeichnet hatte. "Wir haben das weltweit erste Live-Experiment während einer Brustkrebsoperation durchgeführt, bei dem wir das so genannte 'Remote Proctoring' eingesetzt haben", erklärt Pedro Gouveia enthusiastisch.
Remote Proctoring wird bereits zur Fernüberwachung von Klausuren eingesetzt. In diesem Fall ermöglicht es die Software, die Studierenden während der Prüfung per Video zu überwachen und auch mögliche verdächtige Verhaltensweisen (wie die Benutzung von Handys) zu erkennen.
Operationen im Metaverse als Training für angehende Chirurgen
Dr. Gouveia erklärt, dass derzeit junge Chirurgen, nachdem sie ihre Ausbildung beendet haben, ihr chirurgisches Debüt ohne jegliche Aufsicht geben. Das ist vor allem in abgelegeneren Orten und Ländern der Fall. Manchmal sind sie sogar die einzige Person, die qualifiziert ist, Operationen durchzuführen. “Ihre Operationen können aufgezeichnet und anschließend beurteilt werden. Aber während der Operation an sich sind sie auf sich allein gestellt und brauchen Hilfe.”
Die Technologie kann dazu verwendet werden, Chirurgie-Studenten während Operationen zu assistieren. Fast so als wären sie im selben Raum. “Die Durchbrüche, die immersive Technologien durch Remote Mentoring/Proctoring bringen werden, eröffnen eine neue Ära: die Nutzung des sogenannten “Metaverse” in der postgradualen medizinischen Ausbildung. Das Metaverse wird als Internetzugang über erweiterte, virtuelle, gemischte und/oder extended Realität über ein Headset definiert. Es gilt bereits jetzt als die nächste Generation der mobilen Computerplattform.”