Zwei-Klassen-Medizin

55 % der Hausärzte privat – Alarm um Medizinversorgung

Bei Kinder- und Frauenärzten behandeln sogar schon rund zwei Drittel nur Privatpatienten, deckt eine SPÖ-Anfrage auf. "Heute" hat die Details.

Angela Sellner
55 % der Hausärzte privat – Alarm um Medizinversorgung
Weil so viele Kassenärzte fehlen, bleibt Patienten in Österreich oft nur der teure Weg zum Privatarzt.
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Patienten in Österreich verzweifeln zunehmend. Wer einen Arzt braucht, muss oft monatelang auf einen Termin warten oder findet gar keine Kassen-Ordination in seiner Wohnumgebung. In der Not hilft oft nur der Gang zu einem Privatarzt, verbunden mit hohen Kosten für alle, die keine Zusatzversicherung haben.

Weniger Kassen-, mehr Wahlärzte

"Die Zwei-Klassen-Medizin in Österreich ist krass gestiegen", so SPÖ-Klubobman Philip Kucher zu "Heute". Es gibt immer weniger Kassenärzte, während die Privatmedizin im Vormarsch ist. Das gilt insbesondere für Kinder, Frauen- und Hausärzte, wie eine Anfragebeantwortung des Gesundheitsministeriums zeigt.

SPÖ-Klubobmann Philip Kucher schlägt Alarm: "Die medizinische Versorgungssituation in Österreich ist schlecht wie nie."
SPÖ-Klubobmann Philip Kucher schlägt Alarm: "Die medizinische Versorgungssituation in Österreich ist schlecht wie nie."
Helmut Graf
Unser Gesundheitssystem wird immer schlechter statt besser
Philip Kucher
SPÖ-Klubobmann

Demnach sind in Österreich inzwischen 55 % aller Hausärzte privat. Im Vorjahr gab es hierzulande 3.965 Hausärzte mit Kassenvertrag – dem standen 4.808 Wahlärzte gegenüber. 2017 waren die Kassenärzte noch in der Überzahl: Bei den Allgemeinmedizinern gab es 4.093 Kassen- und 3.952 Wahlärzte. Der Anteil der Privatärzte stieg also im Zeitraum 2017 bis 2023 von 49 auf 55 %. Während es um 128 Kassenärzte weniger gibt, sind es um stolze 856 mehr Wahlärzte.

Zwei Drittel der Frauenärzte nur privat

Bei den Kinderärzten ist die Situation noch krasser, hier sind schon 62 % privat. Richtig extrem ist es bei den Frauenärzten, von denen zwei Drittel (68 %) keine Kassenpatientinnen behandeln.

Am schlimmsten in Niederösterreich

Besonders schlimm ist es in Niederösterreich: Hier waren laut den Zahlen des Gesundheitsministeriums im Vorjahr 76 % der Kinder- und Frauenärzte privat! Im Bundesländervergleich sind hier auch die meisten Planstellen vakant (siehe Grafik).

"Die Versorgungssituation ist schlecht wie nie", sagt SPÖ-Klubobmann Philip Kucher gegenüber "Heute". Dabei wurde Österreich lange Zeit "eines der besten Gesundheitssysteme der Welt" attestiert.

Ein Kinderarzt für 30.581 Einwohner

Inzwischen allerdings herrscht in manchen medizinischen Feldern eine krasse Unterversorgung. Die alarmierenden Zahlen: In Österreich kommt auf 30.581 Einwohner nur ein Kinderarzt, auf 21.930 Einwohnerinnen nur ein Frauenarzt. Einen Hausarzt müssen sich 2.283 Menschen teilen.

Privatkosten explodieren

Immer öfter müssen die Patienten einen Wahlarzt in Anspruch nehmen. Der Vormarsch der Privat- und demnach Zwei-Klassen-Medizin zeigt sich auch in der Explosion der Kosten für Wahlarzt-Behandlungen. Der Arztbesuch wir also eine Frage des Geldes. Die Privatkosten für Hausarztbesuche stiegen im Vergleich zu 2017 um 19 Millionen Euro pro Jahr  – das sind 33 % mehr. Für Kinderarztbesuche sind es 25 Millionen Euro mehr (+120 %), für Frauenarztbesuche 42 Millionen mehr (+55 %).

"Unser Gesundheitssystem wird immer schlechter statt besser", schlägt Kucher Alarm. Das öffentliche Gesundheitssystem wieder zu stärken, ist ein zentraler Punkt im SPÖ-Wahlprogramm.

Den Ärztemangel wollen die Sozialdemokraten unter anderem durch eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze bekämpfen. Wer sich bereiterklärt, nach der Ausbildung für eine gewisse Zeit als Kassenarzt zu arbeiten, soll bei der Bewerbung um einen Studienplatz vorgereiht werden.

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Auf den Punkt gebracht

  • In Österreich verschärft sich die Zwei-Klassen-Medizin, da immer mehr Ärzte nur Privatpatienten behandeln, was besonders bei Kinder- und Frauenärzten auffällt
  • Die SPÖ kritisiert die zunehmende Unterversorgung und fordert Maßnahmen wie die Verdoppelung der Medizinstudienplätze, um das öffentliche Gesundheitssystem zu stärken
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