Die Werbebotschaften von Dr. Smile auf TikTok und Instagram klangen einfach zu verlockend, einige Influencer priesen den Zahnschienen-Anbieter in den höchsten Tönen: günstige Monatszahlungen von rund 30 Euro, Ergebnisse innerhalb weniger Monate und das alles bequem von zu Hause aus – einzig ein 3D-Scan bei einem Partner-Zahnarzt war nötig.
Doch laut dem Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) kam es bei vielen Kunden zu Schmerzen und gesundheitlichen Schäden wie Zahnfleischrückgang, Zahnverlust, Kiefergelenks-Probleme, offenen Biss, Tinnitus und Migräne. Kein Wunder: Denn die "Behandlung" erfolgte per App und Foto-Uploads.
„Ich war Schmerzpatientin – die Ästhetik war für mich nur Nebensache“Eva K.Dr. Smile Betroffene
Auch Eva K. (38) zählt zu den Geschädigten: "Ich war Schmerzpatientin, beim Schlafen wurde ein Zahn durch eine Fehlstellung nach hinten gezogen. Es ging darum, diese Fehlstellung zu korrigieren, die Ästhetik war für mich nur Nebensache", erzählt die Burgenländerin im Gespräch mit "Heute".
2021 stieß die 38-Jährige auf das Angebot von Dr. Smile. Nach einem 3D-Scan ihres Gebisses bei einem Partner-Zahnarzt, erhielt Eva K. die Zahnschienen per Post: "Meinen Behandlungsplan haben sie mir online zugeschickt. Ich hab' mich so gefreut, dass es nur ein paar Monate dauert und ich dann das Problem los bin."
Doch als die selbstständige Heilmasseurin die Schienen zugeschickt bekam, fingen die Probleme an: "Eine Schiene hat nicht richtig gepasst, ich habe lange mit Dr. Smile hin- und hergeschrieben, dann habe ich endlich einen neuen 3D-Scan und neue Schienen bekommen", erzählt Eva K.
Doch auch mit den neuen Schienen war das Problem nicht behoben: "Der Zahn wurde nicht in Reih und Glied gebracht – ganz im Gegenteil. Er hat von den Schienen eine Delle bekommen. Ich konnte die Behandlung nicht fortsetzen, hab zigmal mit Dr. Smile hin- und hergeschrieben. Ich wollte einfach nur eine Lösung für mein Problem."
„Die Schienen haben einen Schaden verursacht, von schmerzfrei bin ich weit entfernt“Eva K.hat 2.000 Euro in Dr. Smile investiert
Mittlerweile hat Eva K. die Zahlungen eingestellt – aber: "Ich habe etwa 2.000 Euro gezahlt und leider viel zu viel Zeit in das Ganze investiert. Die Schienen haben einen Schaden verursacht, von schmerzfrei bin ich weit entfernt", ist die 38-Jährige verbittert.
Da ihre Rechtsschutzversicherung erklärte, dass keine Chance auf Rückerstattung besteht, wandte sich die Burgenländerin an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) bzw. an das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ).
Um grundsätzliche Rechtsfragen zu klären, führten EVZ und VKI vier Musterprozesse gegen Dr. Smile und bekamen Recht – so verhängte etwa das Bezirksgericht Donaustadt eine Geldstrafe von 77.500 Euro, weil die Bewerbung mit "33 Euro pro Monat" weder die Gesamtkosten noch den effektiven Zinssatz erkennen ließen. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wiederum urteilte, dass Dr. Smile in Österreich keine Berechtigung für zahnärztliche Behandlungen hatte – die Behandlungsverträge wurden für nichtig erklärt.
Und schließlich stellte das Bezirksgericht Liesing fest, dass Konsumenten ein Rücktrittsrecht zusteht, da die Verträge außerhalb von Geschäftsräumen – in diesem Fall per Videoanruf mit Verkäufern und nicht mit Zahnärzten – abgeschlossen wurden.
„Der Fall zeigt deutlich, dass gesundheitliche Dienstleistungen nicht wie Modeprodukte über Social Media vermarktet werden dürfen“Reinhold SchranzLeitung Europäisches Verbraucherzentrum Österreich
Das war offenbar zu viel für Dr. Smile: Ende 2024 zog sich das deutsche Start-up vom österreichischen Markt zurück. Dennoch wandten sich seit 2021 rund 400 Betroffene an das EVZ: "Der Fall Dr. Smile zeigt deutlich, dass gesundheitliche Dienstleistungen nicht wie Modeprodukte über Social Media vermarktet werden dürfen. Gerade im sensiblen Bereich der Zahnmedizin brauchen Konsumenten klare Informationen und echte zahnärztliche Betreuung – und keine Verkaufs-Chats mit Provisionsverkäufern", kritisiert EVZ-Leiter Reinhold Schranz.
Betroffene sollten ihre Rechtsansprüche gegen Dr. Smile konsequent durchsetzen, rät Schranz. Diese können von der Rückerstattung der Behandlungskosten bis zur Übernahme der Folgekosten für eine Ersatzbehandlung sowie Schmerzensgeld reichen.
"Es ist in jedem Fall ratsam, sich zur Durchsetzung der Ansprüche an eine Verbraucherschutz-Einrichtung wie das EVZ Österreich oder den Verein für Konsumenteninformation (VKI) sowie an einen Rechtsanwalt zu wenden – insbesondere bei einer bestehender Rechtsschutzversicherung", meint der EVZ-Leiter abschließend.