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15-Jährige stirbt nach wenigen Wochen im Kinderspital
Anastasija wurde kurz vor ihrem 15. Geburtstag ins Spital eingeliefert. Wenige Wochen später verstarb sie an einer Sepsis.
Enna (Name von der Redaktion geändert*) und ihre Familie befinden sich in tiefer Trauer. Mitte Juni wurde bei ihrer 14-jährigen Tochter Anastasija Leukämie diagnostiziert. Ein Monat später verstarb das Mädchen im St. Anna Kinderspital in Wien. Für die 38-jährige Mutter ist an diesem Tag eine Welt zusammengebrochen. Sie ist sich sicher, dass man den Tod ihrer einzigen Tochter hätte verhindern können.
Ein Anruf, der alles veränderte
Am 15. Juni suchte die damals 14-jährige Anastasija das Gespräch mit ihrer Mutter. Das Mädchen habe Knoten im Halsbereich bemerkt, die ihr Sorgen bereiteten. Nachdem wenig später zusätzlich ihre Augen anschwollen, machte sich Enna mit ihrer Tochter direkt auf den Weg zum Hausarzt, der einen Bluttest durchführte.
Nur einen Tag später kam schließlich der Anruf, der alles veränderte. Aufgrund der besorgniserregenden Blutergebnisse musste die Teenagerin sofort ins Krankenhaus. Dort erhielt Anastasija dann die schreckliche Diagnose: Leukämie.
Leukämie:
Leukämie ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems, die umgangssprachlich auch als Blutkrebs bezeichnet wird. Anstelle von normalen weißen Blutkörperchen produziert der Körper entartete Blutzellen. In der Folge entstehen ein Mangel an gesunden Blutzellen und unterschiedliche Krankheitssymptome.
Im Spital wurde nicht lange gezögert. Nachdem die Anastasijas Nieren mithilfe einer Dialyse entlastet wurden, brachte man einen Katheter an der Beinleiste an und leitete umgehend die Chemo-Therapie ein. Infolgedessen entwickelte sich in den nächsten Tagen eine Schleimhautentzündung (Mukositis) im Mundraum.
"Ich habe die Ärzte von Tag eins an immer und immer wieder gefragt, wann sie bei Anastasija endlich die Zahnspange rausnehmen würden. Aber es geschah einfach nichts. Die Entzündung bereitete meiner Tochter große Schmerzen und die Spange verschlimmerte den Zustand. Mein Kind konnte auch nicht wirklich essen. Mir waren die Hände gebunden", erzählt die trauernde 38-Jährige.
Die plötzliche Wendung nach der Chemo-Therapie
Des Weiteren beschäftigte Enna der angelegte Katheter, der laut ihr innerhalb von elf Tagen kein einziges Mal gewechselt wurde. "Und wieder habe ich die Ärzte wiederholt gefragt, warum man den Katheter nicht wechseln würde. Aber erneut teilte man mir mit, dass alles ok sei und ich mir keine Sorgen machen müsse", so die Mutter.
Am 1. Juli, circa zwei Wochen nach der Erstaufnahme, hatte Anastasija den ersten Block von insgesamt sieben Chemo-Blöcken abgeschlossen. Die Ärzte waren mit dem Ansprechen auf die Chemotherapie zufrieden, die Leukämie konnte zurückgedrängt werden. Man hatte sogar von einer kurzzeitig möglichen Entlassung gesprochen. Doch am Folgetag kam dann der Schock: Anastasija ging es plötzlich miserabel.
„"Viele Faktoren sprachen für die Nebenwirkungen der Chemo, aber die hohe Temperatur hat mich stutzig gemacht. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht."“
Neben Erbrechen und Durchfall hatte das Mädchen trotz der verabreichten Antibiotika 42 Grad Fieber. "Viele Faktoren sprachen für die Nebenwirkungen der Chemo, aber die hohe Körpertemperatur hat mich stutzig gemacht. Irgendwas stimmte nicht. Die nächsten Tage waren eine Qual. Das Erbrechen, die Haut meiner Tochter – so etwas habe ich noch nie gesehen. Ich hatte es im Gefühl. Es herrschte bereits Alarmstufe Rot. Doch seitens der Ärzte hieß es lediglich, dass auch die Bauchspeicheldrüse Probleme mache, aber man sonst zuversichtlich sei. Am 9. Juli teilten sie mir dann mit, dass bei meiner Tochter die verursachenden Keime einer Sepsis identifiziert wurde. Nun könne man die Medikamente besser darauf abstimmen", erzählt Enna im "Heute"-Talk.
Sepsis:
Bei einer Sepsis dringen Krankheitskeime wie z.B. Bakterien in den Blutkreislauf ein. Fieber und Kreislaufschwäche kennzeichnen unter anderem das Krankheitsbild. Manchmal ist auch ersichtlich, wo sich die Eintrittsstelle des Keims befindet (z.B. Verletzung). Im Verlauf einer Sepsis kommt es häufig zu einer lebensbedrohlichen Störung und sogar zum Versagen eines oder mehrerer Organe. Daher ist der frühestmögliche Therapiebeginn (z.B. Gabe von Antibiotika, oft auch intensivmedizinische Behandlung) entscheidend.
Neben einer bakteriellen Infektion wurde zudem eine Pilzinfektion festgestellt. Für Enna kam die Diagnose der Blutvergiftung viel zu spät. Generell hatte sie das Gefühl, von den Ärzten nicht ernstgenommen zu werden. In den darauffolgenden Tagen baten die Ärzte Anastasijas Mutter sich für eine mögliche Zellenspende testen zu lassen. Ihre Tochter brauchte nämlich dringend Leukozyten (weiße Blutkörperchen, die an der Abwehr von infektiösen Erregern beteiligt sind). Doch am 14. Juli war der Vorschlag laut Enna wieder vom Tisch. Dem Mädchen ging es wieder besser und die Methode wäre mit viel zu hohen Risiken verbunden gewesen.
„"Schritte, wie die künstliche Beatmung oder die Dialyse, wurden immer erst Tage später nach unseren Anmerkungen durchgeführt."“
"Egal was ich zu den Ärzten sagte, seien es Anmerkungen auf den niedrigen Blutdruck meiner Kleinen, oder dass mein Mann und ich aufgrund des glänzenden Bauchs meiner Tochter vermuteten, dass sie Wasser im Bauch hätte, hieß es immer wieder: 'Wir achten darauf. Wir machen das schon!' Ich fühlte mich zurechtgestutzt. Doch anschließend stellte sich heraus, dass wir in allen Punkten Recht behielten. Darauffolgende Schritte, wie die künstliche Beatmung oder die Dialyse aufgrund des angesammelten Wassers, wurden immer erst Tage später nach unseren Anmerkungen durchgeführt."
Die Dialyse, Anastasijas letzte Behandlung, erfolgte schließlich am 16. Juli. Bevor Enna das Krankenhaus an jenem Sonntag verließ, hielt sie den behandelnden Arzt am Arm fest: "Ich fragte ihn, ob meine Tochter in Lebensgefahr sei. Er meinte, wenn die Behandlung sofort durchgeführt wird, dann nicht. Am Folgetag erhielt ich frühmorgens dann einen Anruf vom Krankenhaus. Meine Tochter sei um 03.25 Uhr an einem Sepsis-Schock verstorben."
"Eine Katastrophe, da braucht man nichts schön zu reden"
Seitens der Ärzte war die Hoffnung sehr groß, dass man Anastasija heilen könne: "Die Chance, dass Patienten die Leukämieerkrankung nicht überleben ist mit 10 Prozent zwar gering, aber es ist nicht ausgeschlossen. Todesfälle in den ersten Wochen der Behandlung sind äußerst selten, aber kommen leider vor. Hinzu kommt, dass das Mädchen unter der aggressivsten Form der Leukämie gelitten hat", so Wolfgang Holter, Ärztlicher Direktor des St. Anna Kinderspitals.
Laut ihm hätte das gesamte Team alles gegeben, um das Mädchen zu heilen. Der Verlauf der Krankheit konnte aber schlussendlich nicht aufgehalten werden. "Anastasija erlitt in der kurzen Zeit gleich zwei schwere Infektionen: eine bakterielle und eine Pilzinfektion, mit seltenen und sehr aggressiven Keimen. Das ist äußerst ungewöhnlich, aber es kann leider vorkommen", erklärt der Direkt im "Heute"-Gespräch. Dadurch, dass die Leukämie das Knochenmark zersetzt, werden die Abwehrkräfte laut Holter noch mehr geschwächt. Man ist demnach noch anfälliger für Infektionen.
„"Für die Familienmitglieder ist das verständlicherweise eine Katastrophe, da braucht man nichts schön zu reden."“
Holter und sein Team sprechen der Familie ihr tiefstes Beileid aus: "Für die Familienmitglieder ist das verständlicherweise eine Katastrophe, da braucht man nichts schön zu reden. Hinzu kommt, dass alles so schnell ging. Ich möchte, dass die Familie weiß, dass sie jederzeit vorbeikommen kann. Wir möchten den Familienangehörigen auch weiterhin zur Seite stehen und beantworten ihnen auch alle Fragen. Gerne können Sie auch eine Vertrauensperson hinzuziehen."
Ein wehmütiger Blick zurück
Seit Anastasijas Tod vor wenigen Wochen gerät Enna ständig ins Grübeln: "Die Zeit, die meine Tochter im Krankenhaus verbrachte, ging an meine Substanz. Sobald wir eine positive Nachricht von den Ärzten erhielten, war kurz darauf alles anders. Das ging so weiter, bis zum Schluss", so die Mutter.
Die 38-Jährige hätte sich gewünscht, dass die Ärzte ihre Sorgen und Ängste ernster genommen hätten. "Bei sämtlichen Gesprächen, wurde mir das Gefühl vermittelt, dass ich die besorgte Mutter sei, die sich nicht auskennt. Daher folgte auch meist immer ein 'Ja, Ja', wenn ich etwas zum Anmerken hatte." Im Nachhinein kränkt das die Wienerin umso mehr.
„"So gerne hätte ich noch gesehen, wie sie gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder ihren eigenen Frisörsalon aufmacht. Das war nämlich immer ihr größter Traum gewesen."“
Immer wenn sich Enna Fotos von ihrer Tochter vor dem Spital-Aufenthalt ansieht, erlebt sie eine Talfahrt der Gefühle. Am Tag vor Anastasijas Diagnose, kaufte die 38-Jährige noch für ihren bevorstehenden Geburtstag ein. 24 Stunden später musste das Mädchen ihren 15. Geburtstag im Krankenhaus verbringen.
"Meine Kleine durfte das Spital leider nicht mehr verlassen. So gerne hätte ich noch gesehen, wie sie gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder ihren eigenen Frisörsalon aufmacht. Das war nämlich immer ihr größter Traum gewesen. Von Nichts hat sie lieber gesprochen“, erzählte die Mutter wehmütig. Jetzt bleiben Enna, ihrem Ehemann und den drei Söhnen nur noch die Erinnerungen an ihre geliebte Anastasija.