Sechs Chemotherapien

"138 Euro zum Leben"– Krebs-Kranker klagt Reha-Geld ein

Michael G. wurden zunächst 70 Prozent Behinderung attestiert. Doch nun soll er wieder arbeiten gehen – womöglich in "Schicht-Arbeit".
Aram Ghadimi
14.03.2025, 05:30

"Das ist eine Katastrophe. Nirgendwo ist Geld für die Menschen", sagt Michael G. im "Heute"-Gespräch und entschuldigt sich sogleich, dass er husten muss.

Nachdem, was der Niederösterreicher durchgemacht hat, grenzt es an ein Wunder, dass er einigermaßen gefasst davon zu erzählen beginnt, wie es dazu kam, dass er unter dem Existenzminimum lebt.

Sechsmal Chemo, dann "arbeitsfähig"

"Nach sechs Zyklen Chemotherapie ist mir Ende Jänner 2024 ein Drittel der rechten Lunge entfernt worden", erzählt G., dem anfangs eine 70-prozentige Behinderung attestiert wurde. "Wenn es aber nach der Pensionsversicherungsanstalt geht, soll ich wieder arbeiten gehen", sagt G.

Das Gutachten der PVA

Nur sieben Monate nach seiner schweren OP wird G. zu einem unabhängigen Gutachter geschickt, der für die PVA einschätzen soll, wie es um die Arbeitsfähigkeit von G. steht: "Der Gutachter lässt mich 15 Meter gehen und schreibt danach, ich sei arbeitsfähig, obwohl ich seit März 2024 eine Immuntherapie machen muss. Dieser Mensch ist ein Irrer."

Ein Gutachter attestiert Michael G., dass er für Schichtarbeit einsetzbar ist.
privat

Tatsächlich hält das PVA-Gutachten fest, dass Michael G. "zumindest 20 Stunden arbeitsfähig ist" und auch für "Schichtarbeit" (siehe oben) einsetzbar ist. Folgende "Zwangshaltungen" seien ebenfalls zumutbar: "gebückt, kniend und hockend". Ja, selbst "exponierte Arbeiten" mit Unfall- und Verletzungsgefahr werden ausdrücklich als zumutbar angesehen.

Früher, vor seiner schweren Erkrankung, war Michael G. als Hochbau-Techniker im Außendienst unterwegs und dabei immer wieder auf Baustellen. Laut dem Gutachten, wäre es für G. zumutbar, in Schichtarbeit durch enge Wartungsschächte zu kriechen.

PVA strich Reha-Geld

"Mit Jahresende 2024 wurde mir von der PVA das Reha-Geld gestrichen. Ich wurde von der ÖGK wieder ins Krankengeld übernommen, was bedeutet, dass ich 365 Euro weniger bekomme", sagt G. und fügt an: "Das liegt unter dem Existenzminimum."

"Heute" hat eine Anfrage an die PVA gestellt, die mit folgender Stellungnahme antwortet:

"Bei Herrn G. wurde im November 2023 vorübergehend Invalidität festgestellt, er hat seit 1.11.2023 Reha-Geld bezogen. Die gesetzlichen Bestimmungen sehen bei vorübergehender Invalidität regelmäßige Begutachtungen vor. Bei einer neuerlichen Begutachtung im November 2024 wurde eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes festgestellt, sodass das Gesamtleistungskalkül wieder für eine zumindest halbschichtige Tätigkeit am Arbeitsmarkt ausreicht. Herrn G. wurde daher das Reha-Geld entzogen."

Verzweifelt wandte sich G. an die Arbeiterkammer, um gegen den Entzug des Reha-Geldes zu klagen, erzählt er. Dann mischt sich Wut in seine Stimme: "Die Zeit bis zur Verhandlung kann ich wirtschaftlich nicht mehr stemmen."

Auch dazu hat "Heute" die PVA befragt, die folgendes sagt: "Herr G. hat gegen den Bescheid Klage beim Landesgericht St. Pölten eingereicht, nachdem es sich dabei allerdings um ein laufendes Verfahren handelt, können wir diesbezüglich keine Stellungnahme abgeben."

Verzweifelt am Sozialamt

Schließlich sah sich G. gezwungen beim Sozialamt St. Pölten um einen "Behindertenzuschlag von 218 Euro pro Monat" anzusuchen, doch auch dies sei ihm mit der Begründung, dass er um 1,64 Euro zu viel Geld bekomme, abgelehnt worden, sagt G.

Gegenüber "Heute" rechnet G. vor: "Das Existenzminimum in Österreich liegt bei 1.209,1 Euro. Ich aber bekomme 1.206,3 Euro Krankengeld. Das ist um 1,64 Euro über der Bagatellgrenze von 5 Euro, weshalb ich keinen Behindertenzuschlag bekomme."

Dazu schreibt das Sozialamt St. Pölten (Schreiben liegt der Redaktion vor): "Der oben angeführte Antrag auf Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und auf Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs wird betreffend G. Michael abgewiesen."

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138 Euro zum Leben

Das Sozialamt hat für Michael G. einen Anspruch von 3,31 Euro errechnet und daher seinen Antrag abgelehnt. Im selben Schreiben wird gleichzeitig festgehalten, dass G. eine Miete von 847,0 Euro, 143,0 Euro Betriebskosten und zusätzlich 78,0 Euro für seine Heizung zahlt.

Michael G. fühlt sich von allen Institutionen des Landes im Stich gelassen: "Zieht man meine Miet- und Betriebskosten vom Krankengeld ab, bleiben mir etwa 138 Euro", sagt G. gegenüber "Heute".

{title && {title} } agh, {title && {title} } Akt. 14.03.2025, 17:58, 14.03.2025, 05:30
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