Klimaschutz

11,5 Hektar täglich – Klimaökonom fordert Netto-Baustop

In Österreich wird täglich eine Fläche von 16 Fußballfeldern verbaut. Der Klimaökonom Gernot Wagner fordert einen Stopp der Bodenversiegelung.

Lydia Matzka-Saboi

Österreich ist "Europameister" im Versiegeln von Grünflächen. Auch wenn der tägliche Bodenverbrauch in den letzten zehn Jahren sukzessive zurückgegangen ist, lag er im Durchschnitt der letzten drei Jahre immer noch bei 11,5 Hektar pro Tag, also bei einer Fläche von 16 Fußballfeldern täglich. Dabei hat sich die schwarz-grüne Bundesregierung ein "Nachhaltigkeitsziel" von höchstens 2,5 Hektar Fläche Bodenverbrauch pro Tag gesetzt.

In Wahrheit bräuchte es einen Netto-Baustopp, findet Klimaökonom Gernot Wagner, um die "Zerstörung Österreichs durch Verbauung und Zersiedelung aufzuhalten." Vor allem der viel gehegte Wunsch nach einem Eigenheim im Grünen befeuere die zunehmende Bodenversiegelung, sagt Wagner in "Heute For Future TV". Wer ein Einfamilienhaus kaufen will, der möge dem Klimaschutz zuliebe doch besser ein bestehendes erwerben, das thermisch saniert und renoviert werden kann.

"Wir müssen aufhören, Natur in Bauland umzuwandeln, denn wir haben genug leerstehende Häuser und Wohnungen in Österreich, die genutzt werden können", sagt Wagner in "Heute For Future TV".
"Es bedarf der Stadt, um die Natur zu retten", so Klimaökonom Gernot Wagner. Er zelebriert den urbanen Lebensstil als <em>die</em> klimagerechte Daseinsform.
"Es bedarf der Stadt, um die Natur zu retten", so Klimaökonom Gernot Wagner. Er zelebriert den urbanen Lebensstil als die klimagerechte Daseinsform.
"Heute"/Denise Auer

Der gebürtige Amstettner (Niederösterreich) und "Österreicher des Jahres 2022" forscht an der Columbia Business School, lebt mit seiner Frau sowie den beiden Kindern in einem 70 Quadratmeter großen Apartment in New York, lebt klimagerechtes Wohnen tagtäglich vor. Ein Leben in der Stadt sei wesentlich effizienter und klimafreundlicher. Bekannt wurde Wagner mit dem 2021 im "Brandstätter Verlag" erschienenen Buch "Stadt, Land, Klima".

In den Entscheidungen, wie wir wohnen, essen und reisen, wie wir unseren Alltag gestalten und welche Politik wir wählen, liegt für ihn der Schlüssel für eine zukunftstaugliche Welt.

Klimaökonom Gernot Wagner im Talk mit "<em>Heute</em>"-Redakteurin Lydia Matzka-Saboi.
Klimaökonom Gernot Wagner im Talk mit "Heute"-Redakteurin Lydia Matzka-Saboi.
"Heute"/Denise Auer

Hat sich der Traum vom Haus im Grünen ausgeträumt?

"Land, wirkliches Land, ist fantastisch", sagt Wagner. "Stadt macht wirkliches Land erst möglich, und umgekehrt natürlich auch. Aber nein, das Haus 'im Grünen' ist weder tatsächlich im Grünen, noch ist es selbst irgendwie grün. Das dient meist einfach nur der Quadratmetermaximierung auf Kosten von fast allem – Pendelzeit einerseits, aber auch Lebensqualität."

"Der Grund, warum trotz Klimakrise immer noch so viele Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese gebaut werden, ist, dass es so billig ist", erklärt Wagner. Einen Altbau, zum Beispiel einen leerstehenden Vierkanthof, zu sanieren oder ein Einfamilienhaus am Land aufzustocken, sei wesentlich teurer als der Kauf eines Reihenhauses in der Vorstadt.

Bodenversiegelung werde immer noch direkt oder indirekt subventioniert. "Denken wir nur an den Bausparvertrag, da beginnt's schon bei der Linguistik, wie wir diese Dinge nennen", sagt Wagner. Man könnte den Bausparvertrag ja auch zur Renovierung alter Häuser und Wohnungen heranziehen.

Wagner spricht im Interview auch die soziale Komponente an. Bei der Wahl des Wohnorts sollten Eltern sich auch fragen, wo sie wollen, dass ihr Kind nach der Schule seine Freizeit verbringt: "Alleine im eigenen Schlafzimmer am Handy in Suburbia oder mehr Zeit gemeinsam als Kernfamilie, und ja, das ist in der kleinen Wohnung in der Stadt viel eher möglich als im großen Einfamilienhaus im Speckgürtel", so Wagner.

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