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"Resident Evil 7" im Test: Horror im neuen Zuhause

Als Resident-Evil-Fan der ersten Stunde waren die Erwartungen an Resident Evil 7 Biohazard von Capcom riesig.

Heute Redaktion
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Bereits von den ersten Trailern und Teasern an war der Hype gewaltig, ebenso die Ansprüche: Ein Resident Evil in der Egoperspektive und zudem in VR spielbar? Und eine Rückkehr zu den Horror-Wurzeln der Serie? Kann das gut gehen?

Als der Zombie-Hund durch das Fenster der Spencer-Villa bricht, bleibt mir fast das Herz stehen. Bis dahin hatte ich schon einiges an Horror-Spielen durchlebt, an die angespannte Atmosphäre dieses Titels kam aber bisher nichts heran. Es ist das Jahr 1996 und ich spiele Resident Evil. Der Survival-Horror-Titel fesselte mich über Stunden, nie hatte ich bis dahin fast greifbare Angst in einem Videospiel erlebt.

Umso enttäuschender war für mich, was über die Jahre aus der Resident-Evil-Reihe spätestens nach Resident Evil 3: Nemesis wurde. Keine Frage, der für viele Zocker beste Teil Resident Evil 4 ist ein toll gemachtes und eindrucksvolles Spiel. Mich schmerzte aber, dass seitdem auf Action statt auf Survival-Horror gesetzt wurde. So muss ich bis heute trotz zehn Hauptspielen und zahlreichen Ablegern sagen: Das erste Resident Evil ist auch das beste.

Die Kamera spielte mit der Angst

Es war die so einfach wie geniale Kameraperspektive, die den Spieler im Original meist im Ungewissen ließ, ob er durch einen leeren Gang oder direkt ins Verderben läuft. Über die Zeit änderte sich die fixe Kameraperspektive zu einer Über-die-Schulter-Ansicht und die Hilflosigkeit zu wilden Schießereien und Prügeleien. So verloren und wehrlos wie in den ersten Teilen fühlte ich mich leider nie mehr, Flucht vor den Zombies wurde zur Ausnahme statt die Regel zu bleiben.

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All das sollte Resident Evil 7: Biohazard ändern, versprach Capcom. So sehr ich mich darüber freute, so skeptisch war ich aber auch. Egoperspektive? VR-Modus? Eine Story, die so gar nicht zum Resident-Evil-Universum passen will? Eine so einschneidende Veränderung gab es zuletzt zwischen dem dritten und vierten Teil der Serie - und obwohl sich das Gameplay modern und großartig zeigte, blieb der bis dahin geliebte Horror und Nervenkitzel auf der Strecke.

Überleben im Horror-Haus

Der Schrecken, der die Spieler erwartet, findet nun auf einer Plantagen-Anlage in der fiktiven Stadt Dulvey in Louisiana etwa vier Jahre nach den Geschehnissen von Resident Evil 6 statt. Statt in die Haut eines ausgebildeten Soldaten schlüpfen wir in jene des Zivilisten Ethan Winters. Dessen Frau Mia wird seit drei Jahren vermisst und ist längst totgeglaubt. Allerdings erhält Ethan plötzlich eine Nachricht, in der scheinbar Mia ihren Mann vor einer mysteriösen Gefahr warnt. Der Weg für Ethans auf der Suche nach seiner Frau führt daraufhin in ein vermeintlich verlassenes Anwesen, in dem man (nicht nur) Bekanntschaft mit der wahnsinnigen Familie Baker macht.

Mehr dürfen und wollen wir an dieser Stelle auch gar nicht zur Story verraten, denn das würde jedem einzelnen Spieler einen großen Grad an Spielspaß nehmen, den Resident Evil 7 bietet. Erwähnenswert ist aber, dass auch Teil 7 sich durchaus gut in die Horror-Reihe einfügt und Bezug auf andere Teile nimmt, auch wenn dies dezent passiert. Damit gelingt Capcom ein guter Spagat zwischen einem verständlichen Einstiegstitel für Neulinge und einer schönen Hommage für Kenner der Reihe.

Tiefe Angst statt "Jump-Scares"

Von den ersten Minuten an verbreitet Resident Evil 7 eine Stimmung, die mit jener älterer Horror-Klassiker vergleichbar ist. Das Erforschen des Anwesens erinnert frappant an den Film "The Texas Chainsaw Massacre" mit psychologischen Schrecken und schockierende Szenen. Während man Ethan durch die vollgestopften Gänge und fauligen Abfälle im Haus steuert, herrscht eine ununterbrochene Grundangst, die sich durch geschickt eingesetzte Panikmomente fast ins Unerträgliche steigert.

Bei den Schockmomenten handelt es sich glücklicherweise nicht um billige "Jump-Scares", sondern sie bauen sich langsam auf und kündigen sich an - was sie weit schauriger macht. So erinnert uns ein irres Lachen, ein umfallender Gegenstand oder eine schnell verschwindende Silhouette daran, dass wir nicht alleine sind, bevor Augenblicke später Familienoberhaupt Jack Baker um eine Ecke schlurft (oder gar durch eine Wand bricht) und ankündigt, uns wie einen Käfer zu zerquetschen. Bis dahin hat sich eine so bedrohliche Stimmung aufgebaut, dass man gar nicht daran denkt, den Gegner zu attackieren, sondern sich abwendet und um sein Leben läuft. Ein schneller Blick zurück zeigt, wie Jack den Tisch zertrümmert, der ihm bei der Verfolgung im Weg steht.

Flucht heißt nicht Entkommen

Flucht ist meist der Weg, den man in Resident Evil suchen wird. Was der Horrortitel dabei perfekt kann, ist dem Spieler das Gefühl zu geben, dass es kein großer Erfolg ist, dem Psychopathen entkommen zu sein. Im Gegenteil, die Familie Baker erweckt den Anschein, dass sie uns manchmal die Flucht einfach macht, weil sie weiß, dass es aus ihren Fängen sowieso kein Entkommen gibt. Die Wahnsinnigen spielen mit uns wie eine Katze mit einer Maus, bevor es zum tödlichen Showdown kommt. Resident Evil 7 ist Horror allererster Güte.

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Die heißgeliebten Zombies wird man in Resident Evil 7 übrigens nicht entdecken, dafür warten umso erschreckendere Gestalten auf uns. Neben der Baker-Familie treffen wir die "Molded", bizarr verformte Gestalten mit messerscharfen Zähnen. Sie greifen in verschiedenen Formen an, sei es mit dehnbaren Gliedern, Klauen oder Spuckattacken. Für Panik sorgen aber auch Insekten, die von Marguerite Baker kontrolliert werden oder uns gelegentlich den Weg zu Vorräten verwehren. Zudem dürfen sich Spieler auf die eine oder andere unheimliche Überraschung einstellen.

Ganz nah am ersten Resident Evil dran

Das Gameplay von Resident Evil 7 ist getreu dem des ersten Teils angelegt. Statt Gegnermassen gibt es geschickt platzierte Feinde, statt Geballer darf und soll geflüchtet werden. So stehen auch wiederum Rätsel und die Suche nach dem Weg aus den Schrecken im Mittelpunkt. Mit Einrichtungsgegenständen kann interagiert werden, gesammelte Gegenstände wie Kräuter lassen sich zu Heiltränken verarbeiten - eine automatische Gesundheitsregeneration gibt es nicht. Auch Waffen wie Pistolen, Schrotflinten und Flammenwerfer sind auffindbar, ein Gefühl der Sicherheit kommt trotzdem nie auf und Munition ist sowieso immer knapp.

Dazu kommt ein limitiertes Inventar-System, das simpel funktioniert und nicht mit Dutzenden Möglichkeiten frustriert. Weitere Gegenstände können in verteilten Koffern gelagert werden, als Speicherpunkte dienen ebenso verteilte Audiorekorder. Apropos Speichern: Es gibt auch eine Autosave-Funktion, die innerhalb fairer Spielabstände speichert - mit steigendem Schwierigkeitsgrad steigt aber auch der Abstand der Speicherpunkte.

Eine wirklich willkommene neue Funktion ist, dass wir nicht nur als Ethan das Spiel bestreiten. Wenn wir Videos mit Botschaften finden, schlüpfen wir schon mal in die Rolle einer Figur aus demselben. Dann lassen sich kürzere Sequenzen in der Haut anderer Figuren steuern, die uns mehr zur Geschichte des Horror-Anwesens und seiner Bewohner verraten. Kein Widerspruch ist, dass vor allem die Egoperspektive den genialen Horror des Ursprungstitels grandios vermittelt. War es vor Jahren die fixe Kameraperspektive, die uns ins Verderben laufen ließ, ist unser Sichtfeld aus der Ich-Perspektive zwar frei steuerbar, nun aber durch Wände, Mauern, Ecken oder Treppen begrenzt. Ein ständiges Gefühl der Platzangst begleitet uns. 

Großartige Sound- und Lichteffekte

Ein halbwegs flotter Durchlauf brachte uns beim Spielen auf gut zehn Stunden, wer gerne alles genau erforscht, muss noch einmal fünf Stunden drauflegen. Der Titel bietet aber auch einen hohen Wiederspielwert, da sich immer wieder Situationen bieten, die auf verschiedenen Wegen gelöst werden können, viele Geheimnisse erst nach langer Suche entdeckt werden und vor allem die Hauptgegner nicht immer an vorgegeben Standorten auftauchen, sondern scheinbar selbst die Umgebung durchstreifen. 

Ganz große Klasse sind die Sound- und Lichteffekte. Begonnen von der Sprachausgabe über die Gestaltung der Umgebung und der Gegner. Blut tropft von Vorhängen oder sammelt sich in Waschbecken, Käfer knirschen unter den Füßen und die Stimmen der Bakers jagen einem Schauer über den Rücken. Die Grafik glänzt bis ins kleinste Detail, schwarzer Schein schimmert im kärglichen Licht, Verstümmelungen werden grausig-realistisch gezeigt.

Gespielt werden kann Resident Evil 7 übrigens auch komplett mit der PlayStation VR, was in unserem Fall Vor- und Nachteile hatte. Positiv ist, dass die Horror-Atmosphäre sich noch einmal verstärkt, wenn man mit der VR-Brille am Kopf ängstlich hinter Kisten hervorlugt oder sich panisch nach einem Geräusch umsieht. Allerdings geht in der VR-Version einiges von der großartigen Grafik verloren und in unserem Fall kam ein gewisser Grad an Motion Sickness - vor allem bei Fluchtszenen - hinzu. Der VR-Modus wird wohl eher etwas für Schwindelfreie sein, auch wenn er sich durch Einstellungen beim Blickwinkel und dem Grad der Bewegungsfreiheit verfeinern lässt. Ausprobieren sollte man ihn aber ihn jedem Fall, den ein intensiveres VR-Erlebnis gab es bisher nicht.

Fazit: Horror hat ein neues Zuhause

Bei soviel Beifall gibt's keine anderen negativen Eindrücke? Ich muss ganz ehrlich behaupten: Nein. Die einzige Auffälligkeit ist: Ladebildschirme gibt es zwar kaum, trifft man aber auf einen, kann man sich auf eine etwas längere Wartezeit einstellen. Möglich und wünschenswert, dass dies noch durch Updates behoben wird. Ansonsten ist es ein besseres Resident Evil geworden, als ich zu träumen gewagt hätte. Das düstere Game weckt meine Ängste wie es die ersten Titel konnten und ließ mir keine Minute, in der ich mich nicht bedroht und panisch fühlte.

Spieler erwartet ein fantastischer Mix aus Schleichpassagen, Rätseln und erbitterten Kämpfen, die allesamt lange in Erinnerung bleiben werden. Nach Aufstieg und Fall der Resident-Evil-Reihe ist Resident Evil 7 die erhoffte Auferstehung der Serie. Und endlich habe ich das Trauma des durchs Fenster brechenden Zombiehundes überwunden, dafür aber durch jenes einer psychopatischen Familie samt deformierten Kreaturen ersetzt. Der wohl schönste Schluss für mich ist jener, den ich nach 21 Jahren nun ziehen kann: Resident Evil 7 ist das beste Resident Evil!