Ukraine

"Zurückbomben" – ORF-Star warnt vor Putin-Eskalation

Wladimir Putin will die Besetzung der ukrainischen Gebiete mit Referenden legitimieren. Es droht eine gewaltige Eskalation, warnt ORF-Star Wehrschütz.

Roman Palman
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz bei einem Interview in der ZIB 13:00 am 20. September 2022.
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz bei einem Interview in der ZIB 13:00 am 20. September 2022.
Screenshot ORF

Plötzlich muss für die Russen alles sehr schnell gehen: in den besetzten Gebieten sollen schon ab Freitag Referenden abgehalten werden, in denen die Bürger über einen Anschluss an Russland abstimmen sollen. So will man offenbar die Besetzung hintenrum legitimieren, obwohl das weder die Ukraine noch die internationale Staatengemeinschaft anerkennen werden. Kreml-Despot Wladimir Putin könnte damit versuchen, die "militärische Spezialoperation" in einen Verteidigungskrieg umzudeuten – und das würde alles verändern. Die Folgen hat ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz am Mittwoch im Ö1 "Morgenjournal" analysiert.

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"Das ist sicherlich eine gewaltige Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung. Denn mit diesen sogenannten Referenten habe ich dann plötzlich auch offiziell einen direkten Krieg zwischen Russland und der Ukraine – und natürlich auch der NATO und den USA, die die Ukraine unterstützen", so der Star-Reporter. Putin könne das als Legitimation für eine Generalmobilmachung nutzen. Doch das ist noch nicht alles.

"Die Mutter Heimat ruft"

"Zweitens geht es hier auch sehr stark um die Mobilisierung der öffentlichen Meinung in Russland. Putin ist es egal, was wir im Westen denken, es geht um die Seelen der Russen. Das heißt: Russisches Territorium ist angegriffen, wir müssen Russland verteidigen, das ist die Bedrohung aus dem Westen. 'Die Mutter Heimat ruft', so wie auch Stalin 1941 diesen Aufruf veröffentlicht hat. Das ist das, was, glaube ich, dahinter steckt."

Eine Generalmobilmachung wäre für Russland selbst jedenfalls ein "zweischneidiges Schwert", mahnt Wehrschütz. Einerseits könnten alle wehrfähigen Bürger einberufen und alles auf Kriegswirtschaft umgestellt werden, doch bereits jetzt sehe man bei den aktiv dienenden Armeeangehörigen, dass dieser Krieg "trotz aller Propaganda alles andere als populär" sei. "Wenn sich da viele irgendwie versuchen, durch Korruption oder Flucht dem zu entziehen, dann ist das auch ein Rückschlag für Russland insgesamt."

"Gesamtes Land ins Mittelalter zurückbomben"

Es könnte eine gewaltige Eskalation in den Kampfhandlungen geben: "Wenn es auch offiziell zu einem Kriegszustand zwischen Russland und der Ukraine kommt, dann könnte Russland etwas tun, was es bisher nur angedeutet hat: das gesamte Land ins Mittelalter zurückbomben", so der ORF-Korrespondent. Putin könnte die gesamte ukrainische Infrastruktur – Kraftwerke, Eisenbahnen, und und und – mit Raketen dem Erdboden gleich machen. "Das kann alles noch viel ärger werden!"

Doch auch das wäre ein Schritt, den der Kreml keinesfalls leichtfertig setzen dürfte. Denn: "Auf der anderen Seite kann auch die Ukraine stärker angreifen." Die strategisch äußerst wichtige Krim-Brücke – ein absolutes Prestigebauwerk Putins – sei bisher nicht angegriffen worden. "Da gibt es leider einen Rattenschwanz von Eskalationsmöglichkeiten am Schlachtfeld und Kriegsschauplatz."

Wissen nicht, wie russische Führung denkt

Doch warum jetzt? Ist das die Einsicht innerhalb der russischen Führung, dass man diesen Krieg in der derzeitigen Lage verlieren würde? "Da würde ich extrem vorsichtig sein", warnt der Osteuropa-Experte und nennt zwei Gründe. Einerseits arbeite die russischen Führung komplett abgeschottet hinter verschlossenen Türen: "Wir wissen nicht, was wirklich jetzt alles in der russischen Führung diskutiert und wie die Lage gesehen wird. Dass das anders sein kann, als wir sie sehen, das hat uns schon der Kriegsbeginn am 24. Februar gezeigt, wo Russland völlig falsche Einschätzungen hatte."

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    Wladimir Putin musste auf Recep Tayyip&nbsp;Erdogan warten. Dabei kam es zu kuriosen Szenen: <a target="_blank" data-li-document-ref="100228870" href="https://www.heute.at/g/ukraine-100228870">der Kreml-Despot blödelte plötzlich los &gt;&gt;</a>
    Wladimir Putin musste auf Recep Tayyip Erdogan warten. Dabei kam es zu kuriosen Szenen: der Kreml-Despot blödelte plötzlich los >>
    Sputnik/Alexander Demyanchuk/Pool via REUTERS

    Das zweite Problem: "Was heißt verlieren? Russland kontrolliert weiter rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums". Kiews Truppen hätten zwar bei der Gegenoffensive im Raum Charkiw beachtliche Erfolge erzielt, doch auch diese habe nun wieder deutlich an Tempo verloren. "Ich würde da sehr vorsichtig sein mit 'siegen' oder 'verlieren', weil das auch eine Frage ist, was versteht man darunter. Klar ist: die großen Kriegsziele wird Russland mit dem jetzigen Zustand nicht erreichen!"

    Putin will TV-Rede abhalten

    Die Blicke sind nun mit Spannung auf Moskau gerichtet, wo Wladimir Putin noch am Mittwochvormittag seine für den Vortag geplante und dann überraschend abgesagte TV-Rede halten will.

    Update 8.20 Uhr: Quasi zeitgleich mit der Veröffentlichung dieses Artikels hat der Kreml-Despot Putin über das russische Fernsehen eine Teilmobilmachung seiner Streitkräfte angekündigt. Mehr dazu HIER >>

    Erst tags zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einem Interview verlautbaren lassen, dass die Lage für Russland "durchaus problematisch" sei und er den Eindruck habe, dass Putin den Krieg zu einem baldigen Ende führen wolle.

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      <strong>22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar</strong>. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. <a data-li-document-ref="120078758" href="https://www.heute.at/s/einwegpfand-kommt-das-wird-ab-jaenner-neu-bei-spar-120078758">170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.</a>
      22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. 170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.
      SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger
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