Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist keine Erkrankung, die nur im Kindesalter diagnostiziert wird. Viele Menschen in Österreich erfahren erst im Erwachsenenalter, was mit ihnen los ist – nachdem die Symptomatik sie bereits Jahrzehnte begleitet. "Es ist für viele eine große Entlastung, wenn bisher nicht (...) zugeordnete Eigenheiten plötzlich einen Sinn ergeben und man merkt, dass man eben nicht einfach nur faul oder unkonzentriert ist", erzählt Andreas Heydwolff ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in Wien und Mitglied der Fortbildungsgesellschaft ADHS Austria im Gespräch mit dem ORF.
"Wir bekommen jeden Tag Anrufe von Menschen, die für Diagnostik oder auch gleich zur Behandlung von ADHS zu uns kommen wollen. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, es können durchaus auch mal 15 bis 20 Personen am Tag sein". Aber woran liegt es, dass heute mehr Menschen mit ADHS diagnostiziert werden als früher? Ein Trend, der sich weltweit beobachten ließe, so der Mediziner. Dafür gebe es mehrere Gründe. Zumal sei das Bewusstsein heute größer für die Erkrankung als früher und auch die Anforderungen in der Gesellschaft tragen dazu bei. "In der Arbeitswelt wird heute viel mehr Genauigkeit verlangt als früher. Betroffene, die sich nicht so gut konzentrieren können, finden heute kaum noch Arbeit, die für sie geeignet ist, und da kommen viele ADHS-Patientinnen und -Patienten dann an ihre Grenzen", so der Wiener Facharzt.
ADHS zu erkennen, ist nicht so einfach, weil sie sich je nach Person mit unterschiedlichen Symptomen zeigen kann. Deshalb ist es wichtig, eine Diagnostik beim Facharzt durchführen zu lassen. Im Gegensatz zum Kindesalter, fällt ADHS bei Erwachsenen nicht mehr so intensiv aus. Anstelle des starken Bewegungsdrangs bleibt im Erwachsenenalter eine verstärkte innere Unruhe, verminderte Aufmerksamkeit und Konzentration, weshalb viele Aufgaben nicht zu Ende ausgeführt werden. Betroffene wirken oft so, als seien sie mit ihren Gedanken woanders, und hören nicht zu. Hinzu können Stimmungsschwankungen kommen.
Ob eine ADHS behandelt werden muss, hängt immer vom individuellen Leidensdruck der Betroffenen ab. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Mittels Psychotherapie und/oder Medikamente. "Erwachsene, auch junge Erwachsene, haben meistens schon alles probiert, was man selber so machen kann, um ihre Schwächen zu kompensieren. Eine medikamentöse Behandlung ist da oft ein großer Schritt, der vieles erleichtern kann", sagt Heydwolff.
Das Problem: ADHS-Patienten bauen das Dopamin im Gehirn schneller ab als andere. Das führt zu den genannten Symptomen. Die Medikamente verlangsamen diesen Abbau – damit verschwindet auch die Symptomatik.