Österreich
Zu wenig Schlaf für Wiener Spitalsärzte
Die Regierung arbeite an einer „Zwei-Kassen Gesellschaft", sagt Wolfgang Weismüller, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellter Ärzte der Ärztekammer Wien.
Mit einer Imagekampagne „Wiener Spitalsärzte leisten mehr" will die Ärztekammer Wien Aufmerksamkeit für die Probleme der Ärzte in den Wiener Spitälern generieren. Die Plakate sollen in Wien hängen, und auf Social Media geteilt werden um zu betonen, dass „Wiener Spitalsärzte" mehr leisten – als andere.
Die Regierung arbeite an einer „Zwei-Kassen Gesellschaft", sagt Wolfgang Weismüller, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellter Ärzte der Ärztekammer Wien. Wir wollen darauf aufmerksam machen und vor einem Qualitätsverlust in Wiens Spitälern warnen.
Zu wenig Schlaf für die Ärzte
Im Fokus der Kritik der Wiener Ärztekammer steht das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und die neue geplante Novelle der Regierung. Diese würde im Bereich der Rufbereitschaft eine Kürzung der Ruhezeiten für Ärztinnen und Ärzte von elf auf fünf Stunden vorsehen – also mehr als die Hälfte.
Konkret heißt das, dass normalerweise dem Arzt nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren ist. Unterbricht der Arzt diese Ruhezeit, weil er im Rahmen der Rufbereitschaft ins Spital muss, so steht dem Arzt neuerlich eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu. Diese soll jetzt auf fünf Stunden reduziert werden und das sei viel zu wenig, so die Ärztekammer.
Keine Rufbereitschaft darf in den Abteilungen Anästhesiologie, Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurochirurgie, Psychiatrie und Unfallchirurgie eingerichtet werden. Hier ist weiterhin die dauernde Anwesenheit eines Facharztes in der Krankenanstalt erforderlich.
Was sagt ein junger Arzt dazu?
30-jähriger Turnusarzt (KAV, Kaiser Franz Josef Spital) berichtet anonym von „drastischer Situation":
„Ich kann bestätigen, dass die Situation drastisch ist. Es gibt einen enormen Ärztemangel. Kaum ist einer krank oder auf Urlaub, kommt die ganze Abteilung ins Rudern, Überstunden fallen an. Die werden jedoch gut bezahlt. Ich hatte öfters 25 Stunden Dienste. Ich weiß, dass es früher noch schlimmer war. Mein Onkel war auch Arzt und der hatte 48 Stunden Dienste. Man gewöhnt sich an ausufernde Dienste. Es ist aber verständlich, dass junge Menschen ins Ausland gehen. Viele wollen gar nicht mehr hier in Wien studieren.
Die fünf Stunden Ruhezeit sind auf jeden Fall zu wenig. Man muss auch bedenken, dass die Ärzte nach Hause und wieder in die Arbeit fahren müssen. Da bleibt dann nichts mehr übrig. Von zehn Studenten bleiben fünf in Wien und ich verstehe warum".
Drohung an Sebastian Kurz
Die Ärztekammer findet drastische Parolen: Sollte die Novelle nicht rechtzeitig geändert werden, so will die Ärztekammer "hässliche" Bilder veröffentlichen. Im Wortlaut sagte Weismüller: "Ansonsten werde es – wie es Bundeskanzler Sebastian Kurz einst in der Flüchtlingssituation provokant formulierte – nicht ohne hässliche Bilder gehen." Ein Streik ist derzeit jedoch nicht vorgesehen.
300 Ärzte fehlen in den Spitälern
Laut Ärztekammer gehen durch das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz 10 Prozent an Arztstunden und damit medizinische Leistung am Patienten verloren. Das entspreche etwa 300 Ärztinnen und Ärzten im Vollzeitäquivalent, die allein in Wiens Spitälern fehlen. "Da wir derzeit maximal 48 Stunden arbeiten dürfen, müssen die vorher geleisteten Mehrstunden aufgefangen werden und dafür benötigen wir mehr Personal", so der Obmann.
Pensionierungswelle verschärft die Lage
In Wien gibt es derzeit 6.896 Allgemeinmediziner und Fachärzte, davon werden aber ein Drittel (2.324 Ärzte) in den nächsten zehn Jahren in Pension gehen. Betroffen sind vor allem die Bereiche Anästhesiologie und Psychatrie. Hier werden 40% Pensionsantritte erwartet. „Parallel dazu finden wir keine Jungärzte. Ärztinnen und Ärzte werden in unseren Spitälern ausgebildet, verlassen dann aber – und oft sind es die besten Köpfe – aufgrund der unattraktiven Arbeitsbedingungen Österreich".
Eine Aufstockung der Studienplätze würde nicht das gewünschte Ergebnis bringen, denn die enorme Arbeitsverdichtung der letzten Jahre, sowie eine nicht dem internationalen Niveau angepasste Bezahlung, würde den ärztlichen Nachwuchs abschrecken.
(no)