ORF-Stars im "Heute"-Talk
"Wir stehen nicht da, weil wir so wichtig sind"
Susanne Schnabl und Alexandra Wachter waren so nah an den Spitzenkandidaten wie wenige. Jetzt sprechen sie über ihre Wahl-WG und riesige Handtaschen.
Es war ein kurzer aber intensiver Wahlkampf. Alleine im ORF fochten die Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien im September zehn TV-Duelle. In der Elefantenrunde am Donnerstag kämpften alle gemeinsam um die Wählergunst.
Susanne Schnabl (44) und Alexandra Maritza Wachter (34) waren im Wahlkampf so nah an den Parteispitzen dran wie kaum jemand. "Heute" hat die ORF-Moderatorinnen am Tag nach der Elefantenrunde getroffen: Ein Gespräch über Kritik, Überraschungen, die ORF-Wahl-WG und riesige Handtaschen.
"Heute": Wie geht es Ihnen nach Ende dieser Intensivphase? Ist der Stress vorbei?
Susanne Schnabl: Es ist eine Erleichterung. Man ist natürlich müde, das ist wie ein Marathon. Es geht aber am Wahlsonntag weiter. Und danach am Montag.
Also kein Entspannungsurlaub jetzt?
Schnabl: Nein, nein, nein. Am Sonntag wird gewählt, da gibt es Sondersendungen, am Montag einen Sonder-"Report". Wir schnaufen mal kurz durch und dann geht es weiter.
"Heute"-Backstage bei der ORF-Elefantenrunde
Alexandra Maritza Wachter: Ja, wir sind auch am Sonntag im Einsatz und am Montag gibt es einige "ZiB Spezial"-Sendungen. Am Samstag vor der Wahl können wir kurz runterfahren und am Sonntag fahren wir wieder hoch.
Wie viel Vorbereitungszeit fließt in eine 50 Minuten-Sendung mit zwei Spitzenpolitikern?
Schnabl: Stunden. Ich könnte jetzt nicht quantifizieren. Wenn wir die letzten vier Wochen zurückdrehen, würde ich sagen, das ist monatelange Vorbereitung. Es war ein ziemlich intensiver Sommer.
Wachter: Ja, es ist schon eine Art Tunnel. Ich habe zwei Töchter, 15 und drei Jahre alt, und die sind jetzt schon auch froh, dass ich wieder mehr Zeit habe. Es war wirklich zeitintensiv, aber es hat sich gelohnt.
Das heißt, ein Sommerurlaub ist sich heuer nicht ausgegangen?
Schnabl: Doch. Aber selbst im Sommerurlaub ist man im Kopf schon im Wahlherbst und bei Politikerantworten, und wie die vielleicht ausfallen könnten. Es ist also im Hinterkopf wie bei einer Maschine, das rennt dann ständig mit.
„Ich bin bekannt für riesige Handtaschen. Ich bin so ein analoges Steinzeitwesen und habe immer Zettel und Post-Its dabei“
Haben sie im Urlaub dann eine große Tasche mit Unterlagen dabei?
Schnabl: Ja, ich bin ja bekannt für riesige Handtaschen. Ich bin so ein analoges Steinzeitwesen, die überall Zettel und Post-Its mit sich rumträgt.
Konnten Sie bei der intensiven Vorbereitung auch daheim Mutter sein, oder waren sie quasi auf Dienstreise im Büro?
Wachter: Bei uns zu Hause wird normalerweise 50:50 aufgeteilt, aber jetzt hat mein Mann wirklich voll übernommen. Ich war einfach in einem Arbeitstunnel, ich finde Dienstreise beschreibt es eigentlich sehr gut.
Also mussten Sie sich keine Sorgen machen, dass sich daheim Berge von unerledigter Hausarbeit türmen?
Schnabl: Ich rede jetzt im Plural, bitte korrigiere mich: Die Männer haben das im Griff. Müssen sie!
Im Vorfeld haben Sie gescherzt, Sie beide könnten quasi im September in einer Art Wahl-WG zusammenziehen. Was ist daraus geworden?
Wachter: Die Wahl-WG haben wir hier gegründet, sozusagen. Vor allem vom Duell am Montag bis zur Abschlussdiskussion am Donnerstag, das war ein richtiges Zusammenleben.
Man liest ja derzeit auch von Schädlingsbefall in der ORF-Kantine. Wie verpflegt man sich, wenn man so oft und so viel hier ist?
Schnabl: Wir finden genug zu essen im ORF, wir haben einen Supermarkt. Wir sind gut ausgestattet. Also keine Sorge.
Haben sie eigentlich nach der letzten Sendung angestoßen und ein bisschen gefeiert?
Wachter: Wir haben schon miteinander angestoßen. Das eine Gläschen hat aber auch gereicht; ich hab' schon so lange nix mehr getrunken. (lacht)
Schnabl: Es steht ein riesiges Team dahinter. Wir stehen zwar vor dem Vorhang, aber es ist eine ja Großproduktion. Es ist ohne Pannen und ohne Fehler abgelaufen und da freut man sich gemeinsam.
Frau Wachter, vor Ihrem ersten Einsatz in der "ZiB 1" haben Sie auf Twitter gepostet, das wäre "selbst nach vielen Jahren TV sehr, sehr aufgeregt." Wie sah es denn jetzt aus mit der Aufregung?
Bilder: Backstage bei der ORF-Elefantenrunde
Wachter: Ja, das stimmt. Ich kann mich an diesen Tweet erinnern. Das war auch aufregend. Der ORF ist einfach das größte Medienhaus und das spürt man auch. Man spürt die Verantwortung, die man trägt, die wir tragen, für so viele Menschen, die zuschauen. Und dem will man auch gerecht werden.
Also wieder eine ähnliche Aufregung oder Anspannung dieses Mal?
Wachter: Es ist schon eine Anspannung, aber eine gute Anspannung. Ich brauche immer ein bisschen Druck.
Frau Schnabl, Sie haben ja schon zweimal durch die Sommergespräche geführt. Ist man da überhaupt noch aufgeregt vor so einer TV-Konfrontation?
Schnabl: Aufgeregt nicht, aber angespannt, so wie es Alexandra gesagt hat – im positiven Sinne. Die Spannung braucht es einfach, um sich noch mal zu fokussieren und vor allem diesen Blick gerade in so einer großen Runde aufs Wesentliche zu lenken. Ohne dem geht es nicht. Eine professionelle Anspannung muss sein. Da spaziert man jetzt nicht rein und sagt: Schauen wir mal.
Sie kannten ja alle Parteichefs schon vorher durch Interviews persönlich und jetzt standen diese nochmal jeweils mehr als fünf Stunden bei Ihnen im Studio. Hat Sie noch etwas überrascht?
Schnabl: Das ist die Stärke von dem Format der Konfrontation. Denn was mich schon überrascht hat und vielleicht viele Zuschauerinnen und Zuseher, ist, wie die manchmal untereinander oder miteinander agieren. Und da hat es ja durchaus eine sehr harte Auseinandersetzung gegeben zwischen Karl Nehammer und Andreas Babler. Da waren schon einige Aha-Erlebnisse auch für uns Journalistinnen und vor allem für das Publikum dabei.
Wachter: Ja, ich finde auch, dieses Duell kann man durchaus anführen, weil es sehr hart geführt wurde und als es vorbei war, haben sie sich die Hand geben und sich beieinander bedankt für das harte Duell.
Das ORF-Duell Nehammer gegen Babler in Bildern
Gibt es zwei Politiker, einen vor der Kamera und einen hinter der Kamera?
Wachter: Ich glaube, da geht es vielfach darum, hart in der Sache zu sein und dann aber trotzdem eine Ebene zu haben, auf der man sich persönlich austauschen kann. Weil klar ist: Sie müssen ja dann auch Mehrheiten finden für die Dinge, die sie durchsetzen wollen und Kompromisse schließen.
Schnabl: Ich kann nicht beurteilen, wie die beiden persönlich miteinander umgehen. Aber ich finde, man kann was über Strategie lernen. Die gehen ja auch mit einem Ziel in so ein Duell. Der Aha-Moment war, dass ihr Duell wirklich härter geworden ist, als ursprünglich erwartet.
Was passiert denn, wenn die Kameras aus sind? Trifft man sich nochmal, stößt auf ein gelungenes Duell an?
Schnabl: Also wir mit Politikerinnen und Politiker nicht. Wir haben eine Nachbesprechung – die gehen ihre Wege und wir unsere.
Mit Einführung der Haushaltsabgabe hat sich auch die Kritik am ORF verschärft. Es gibt auch mit Peter Westenthaler einen Stiftungsrat, der relativ stark gegen einzelne Journalistinen und Journalisten austeilt. Lässt Sie das kalt?
Schnabl: Wir machen hier unsere Arbeit bestmöglich, wie wir es können. Und die möchten wir genauso weiterhin machen. Wir arbeiten frei und unabhängig. Und das soll bitte so bleiben!
Wachter: Ich kann nur bestätigen, was Susanne sagt: Wir arbeiten völlig frei. Wir waren jetzt in den Duellen und in der Elefantenrunde ein Zweier-Team und konnten absolut frei entscheiden, was wir wen fragen und zwar so, wie wir es wollen.
Ihre Kollegin Nadja Bernhard hat in einem "Heute"-Interview gesagt, dass Frauen im Fernsehen deutlich kritischer beäugt würden als Männer. Würden Sie das unterschreiben?
Wachter: Ja, das ist ganz sicher so. Es ist 2024, deshalb hätte ich es vielleicht weniger erwartet, aber man wird doch strenger beurteilt. Da gab es ein gutes Posting von Martina Rupp auf Facebook. Kann man sich anschauen. Ich finde, sie hat es gut auf den Punkt gebracht.
Schnabl: Leider ja. Es ist wie beim Fußballmatch. Es gibt immer gleich ein paar Millionen Schiedsrichter. So ist es auch bei Fernsehkonfrontationen. Das ist das gute Recht von uns allen. Was mich dann doch überrascht, ist, dass gewisse Dinge bei männlichen Kollegen nicht diskutiert werden.
Zum Beispiel?
Schnabl: Wenn man zum Beispiel unterbricht. Das wird ja generell nicht gerne gesehen, aber ich finde, das wird dann doch auch noch einmal ein bisschen strenger ausgelegt und weiblich konnotiert bei uns als bei den Kollegen, wo das vielleicht als durchsetzungsstark gilt. Und wenn man sich als Frau durchsetzt, dann war es vielleicht wieder zu viel.
Wie entscheiden Sie, wann wer im Redefluss gestoppt werden muss?
Schnabl: Es ist ganz einfach: Da wird jeder gleichbehandelt. Wer auf die Frage nicht eingeht, der wird zurückgeholt. Wir stehen nicht da, weil wir so wichtig sind, sondern wir sind die Brücke zum Publikum und wir denken uns bei jeder Frage: Wer will das wissen? Wer muss das wissen? Und was ist relevant für unser Publikum? Es gibt natürlich gewisse Diskutanten, Diskutantinnen, die gerne abbiegen. Das ist ihr gutes Recht, aber auch unser gutes Recht, sie zurückzuholen.
Wachter: Wir wollen Antworten hören und wenn jemandem einfällt, dass er oder sie noch was zu einem Thema von vor 20 Minuten sagen will, muss man sagen: Okay, aber die Frage war jetzt eine andere.
Im TV sprechen Sie Hochdeutsch. Würden Sie gerne mal eine Sendung im Dialekt moderieren?
Schnabl: Eigentlich nicht, nein. Wir beide reden ja Kärntnerisch und Tirolerisch zusammen, das reicht.
Wachter: Des ist lustig, dass Sie das fragen. (lacht) I hab’ meine Sprecherausbildung bewusst in Deutschland gemacht, um den Dialekt quasi ablegen zu können, wenn ich das möchte. Mein Dialekt war sicher früher noch stärker. Ich finde, man hört das schon auch ein bisserl durch.
Wollten Sie beide eigentlich schon immer Journalistinnen werden?
Schnabl: Ich bin nicht in der Sandkiste gesessen und habe davon geträumt, einmal ein Mikrofon in der Hand zu haben. Das hat sich im Laufe des Studiums ergeben und durch Praktika. Ursprünglich hatte ich die Idee, an der Uni zu bleiben.
Parteipolitik war zu Hause nie großes Thema, aber über gesellschaftspolitische Themen wurde sehr viel diskutiert am Küchentisch. Und was meine Eltern schon eingefordert haben, waren Argumente. Wenn man was wollte, hat es nie einen Freibrief für etwas gegeben. Dieser Austausch von Argumenten und auch der Blick auf die Welt, warum sie ist, wie sie ist – deswegen bin ich dann in der Innenpolitik gelandet, weil die uns ja alle was angeht.
Frau Wachter, stimmt die Geschichte, dass Sie schon in der Volksschule ein Bild von sich selbst als ORF-Journalistin gemalt haben?
Wachter: Meine Schwester ist acht Jahre älter als ich und hat schon sehr früh den Weg in den Journalismus eingeschlagen, zu RTL nach Deutschland. In meiner Familie war Politik immer ein Riesenthema, das hat mich begeistert. Damals war natürlich "Tirol Heute" für mich allgegenwärtig. Ich habe das dann mal gezeichnet und meine Mama hat das Bild aufbewahrt und war dann natürlich ganz gerührt, als ich zum ORF gekommen bin.
Und dann kommt dazu, dass wir immer den ganzen Sommer in Mexiko bei meiner Familie waren. Ich habe sehr früh gesehen, wie unterschiedlich die Menschen leben, wie unterschiedlich die Situationen sind, die Ausgangslagen, wie viel auch unfair ist auf dieser Welt. Das hat mich als Kind und als Jugendliche extrem mitgenommen. Mein Gedanke dazu war immer: Ich muss es irgendwie erzählen, ich möchte weitergeben, was ich da sehe. Da ist dieser Beruf natürlich genau der Richtige.
Die Österreicher haben den Volkssport Sudern. Sie kennen beide Seiten, können wir etwas von Mexiko lernen?
Wachter: Wir haben in vielerlei Hinsicht sehr viel Glück, wenn man hier geboren wird. Das muss man einfach sagen. Ich habe 2019 eine Dokumentation über die sogenannte Geburtslotterie produziert. Damals haben wir in Luxemburg, in Rumänien und in Österreich gedreht und uns angeschaut: Wie sind die Startvoraussetzungen, welche Chancen auf Glück und Wohlstand haben Kinder, die in diesen Ländern innerhalb der Europäischen Union geboren werden. Da wurde ganz deutlich, dass die Unterschiede eklatant sind. Ich finde, diesen Gedanken muss man schon auch immer mitnehmen und sich dessen bewusst sein.
Schnabl: Die Österreicher können von anderen Ländern ganz viel lernen. Man muss immer über den Tellerrand schauen. Das ist ganz wichtig, auch im Journalismus, auch in der Innenpolitik.
Frau Wachter, Sie sprechen für eine Journalistin ungewohnt offen über Ihre Vergangenheit. War das eine schwere Entscheidung, zu sagen, darüber rede ich jetzt?
Wachter: Ja, das war natürlich ein schwieriger Schritt. Ich habe meine erste Tochter mit 19 bekommen, zwei Jahre zuvor ist mein Papa verstorben und wir waren in einer großen finanziellen Krise und armutsbetroffen. Ich habe gesehen, wie schwierig es ist, da rauszukommen. Und natürlich, ich hatte auch viel Glück und eine Familie, die mich unterstützt hat.
Ich habe dann den Robert-Hochner-Preis bekommen, als meine zweite Tochter gerade ein halbes Jahr alt war. Mein erster Gedanke dazu war, dass Menschen mit so einer Lebensgeschichte wohl eher weniger oft in solche Situationen kommen. Und das hat natürlich auch viel damit zu tun, dass eben nicht alle die gleichen Voraussetzungen in Österreich vorfinden und dass es nicht immer gerecht zugeht. Ich finde es wichtig, das auszusprechen und aufzuzeigen, dass wir da als Gesellschaft hinschauen müssen.
Sie sind ja vor genau zwei Jahren zum ORF gekommen. Jetzt hört man, dass der Talk-Bereich umgebaut wird: Für "Im Zentrum" und auch "Studio 2" werden neue Moderatorinnen und Moderatoren gesucht. Haben Sie da Ambitionen?
Wachter: Es ist immer wichtig, das Beste zu geben, dann ergeben sich viele Dinge. Und natürlich ist ein großer Teil auch Glück. Ich bin immer offen für Neues und für Herausforderungen.
Frau Schnabl, Frau Wachter, vielen Dank für das Gespräch!
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Der TV-Wahlkampf im ORF war intensiv und fordernd, mit zehn TV-Duellen und einer abschließenden Elefantenrunde, moderiert von Susanne Schnabl und Alexandra Wachter
- Im Interview mit "Heute" sprechen die beiden Moderatorinnen über die Herausforderungen, die intensive Vorbereitung und die Balance zwischen Beruf und Privatleben, sowie über die Kritik und Überraschungen, die sie während dieser Zeit erlebt haben