Politik
"Wir brauchen sie"! TU-Motorexperte verteidigt E-Fuels
Setzt Karl Nehammer mit seinem flammenden Einsatz für den Verbrennermotor auf einen "lahmen Gaul"? Nicht unbedingt, sagt ein Autoexperte der TU-Wien.
Das Thema E-Fuels scheidet aktuell die Geister. Als die EU-Entscheidung zum Verbot von Verbrennermotoren durch Deutschland gekippt wurde und auch Kanzler Karl Nehammer auf diesen Zug aufsprang und Österreich als "Auto-Land" deklarierte, wurde ein heftiger Streit entfacht. Denn geht es nach dem ÖVP-Chef, dann setzt die Auto-Industrie künftig auf synthetische Kraftstoffe (siehe Infobox unten) und "grüne Verbrenner".
Umweltschutzorganisationen sehen darin einen "Klima- und Auto-Irrlauf", der etwa in einem Totalschaden gipfeln werde. "Wenn man auf SynFuels für Autos, Pkws, setzt, dann setzt man wirklich auf einen lahmen Gaul", donnerte auch der deutsche Wirtschaftswissenschaftler und Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer im Interview mit dem ORF-Radio Ö1 am Mittwoch.
Noch am selben Abend rechnete E-Fuels-Experte Jürgen Rechberger in der ZIB2 mit den Kanzler-Plänen ab: Über die nächsten 20, 30 Jahre werde erneuerbarer Strom ein "rares Gut", so Rechenberger, deswegen müsse man E-Fuels dort einsetzen, "wo es keine Alternativen gibt". Und das wäre die Luft- und Schifffahrt und nicht das Auto.
Österreich nicht energieautark
Etwas differenzierter sieht das Automobiltechniker Bernhard Geringer von der TU Wien. Prinzipiell geht er mit den Argumenten der letztgenannten Experten d'accord, jedoch stemmt auch er sich gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren. Diese seien gar nicht das Kernproblem, sondern die fossilen Kraftstoffe, mit denen sie betankt werden.
Im Ö1-Interview führt der Antriebsforscher aus, dass E-Fuels ein wichtiger Bestandteil der künftigen Energieversorgung Österreichs und auch ganz Europas sein müssten. Weder unsere Alpenrepublik noch der Kontinent sei in der Lage, in absehbarer Zeit völlig energieautark zu werden.
"Wir können nicht genug Primärenergie für den gesamten Verbrauch, Autos und Industrie, erzeugen", sagt Geringer. Ein großer Teil müsste weiterhin, wie auch schon bei Öl und Gas, importiert werden.
Koexistenz unabdingbar
Die Energie aus Wind und Sonne werde (auch) künftig aus Australien, Patagonien, Nordafrika und dem arabischen Raum kommen müssen. Mit Ausnahme von Nordafrika wären diese Entfernungen aber zu groß, um einfach eine Stromleitung zu legen.
Heißt: In den dortigen Ländern müsste mit dem Stromplus die Herstellung von E-Fuels geschehen, die dann einfach per Tankschiff nach Europa gebracht werden könnten. Da sei auch die horrende Energiebilanz durch die aufwendige Herstellung zweitrangig.
Was ihm wichtig ist, zu betonen: eine Koexistenz von Elektromotoren und E-Fuel-Verbrennern ist unabdingbar. "Wir müssen beide Themen machen. Es ist nicht so, dass das eine das andere ersetzt". Das Plädoyer des Forschers: "Wir brauchen diese [synthetische Energien], doch ist der Aufbau, die Herstellung ein langwieriger Prozess". Er rechnet noch mit mindestens 8 bis 12 Jahren, in denen E-Fuels ein äußerst knappes Gut sein werden.
Individualverkehr zweitrangig
Bis die Industrie den Umstieg geschafft hat und die Produktionskapazitäten hochgefahren sind, müssen Prioritäten in der Verteilung der synthetischen Kraftstoffe gesetzt werden. Da sieht selbst Gehringer den Individualverkehr in der zweiten Reihe. Viel wichtiger sei es, erst die Luft- und Schifffahrt mit E-Fuels zu versorgen.
Diese kurzfristige Lücken auf dem Weg zur Klimaneutralität 2035 auf den heimischen Straßen würden Elektrofahrzeuge perfekt ausfüllen können. Doch eines ist für Geringer sonnenklar: Ohne E-Fuels wird es nicht gehen. "Wir werden sie brauchen auf der Straße und wir werden viel viel brauchen."
Was hinter "E-Fuels" steckt
E-Fuels werden von ihren Befürwortern als klimaneutrale Alternative zum Elektroauto mit Akku hochgelobt, doch das stimmt nur bedingt.
Es handelt sich dabei um synthetische Kraftstoffe aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2). Deren Herstellung ist aber aufwendig und energieintensiv. E-Fuels sind daher – wie E-Autos auch – maximal genauso grün, wie die Kraftwerke, die den nötigen Strom dafür produziert haben.
E-Fuels haben zwar gewisse Vorteile (normal tankbar, geringeres Gewicht als ein Akku, etc.), doch der Knackpunkt ist ihre, der Herstellung geschuldete, horrende Energiebilanz gegenüber anderen Antriebsarten.
Der ADAC (ein E-Fuel-Befürworter) rechnet vor: mit einer 3-Megawatt-Windkraftanlage könnte man 1.600 E-Autos versorgen. Nutzt man den Strom für Wasserstoff-Umwandlung könnten nur 600 Fahrzeuge damit ausrücken. E-Fuel-Verbrenner sind es am Ende nur 250 Fahrzeuge.
Die künftigen Einsatzbereiche von E-Fuels werden deshalb vielfach primär in der Luft- und Schifffahrt gesehen, erst danach vielleicht auch im Individualverkehr.