Pass-Egal-Wahl 2024

Wienerin Nilay B. (28) wählte: "Bitte keine Diktatur"

Ein Drittel aller Wiener ist nicht wahlberechtigt, weil sie keinen österreichischen Pass haben. Nilay B. ist eine solch betroffene Wienerin.

Wien Heute
Wienerin Nilay B. (28) wählte: "Bitte keine Diktatur"
Pass Egal Wählerin Nilay B. (28) wählt "keine Diktatur"
Helmut Graf

Ein Drittel aller Wiener ist nicht wahlberechtigt. In den Wiener Bezirken Margareten, Favoriten und Brigittenau darf bereits beinahe jeder Zweite (47 Prozent) nicht wählen. Gefolgt wird die Größe "Nicht-Teilhabe" mit weit mehr als ein Drittel (44 Prozent) in den Wiener Bezirken Wieden, Meidling und Ottakring. "2050 wird überhaupt die Hälfte aller Wiener nicht wählen dürfen. Das ist ein Problem für die Demokratie", so SOS-Mitmensch-Vorsitzende Zeynep Buyraç.

2050 wird überhaupt die Hälfte aller Wiener nicht wählen dürfen
Zeynep Buyraç
Die SOS-Mitmensch-Vorsitzende hat lange keinen österreichischen Pass.

Die Schauspielerin weiß, wovon sie redet. Die in Istanbul Geborene lebt in Wien, hatte aber lange keinen österreichischen Pass. "Man hat das Gefühl, dass die eigene Meinung nicht wichtig ist, überhaupt nicht zählt", erklärt Buyraç weiter. Das war ein Grund, warum SOS Mitmensch 2013 die Pass-Egal-Wahl ins Leben rief.

Mehrheit der Pass-Egal-Wähler wählte SPÖ

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    Am Yppenpaltz wurde gewählt und gefeiert.
    Am Yppenpaltz wurde gewählt und gefeiert.
    Helmut Graf

    Die Pass-Egal-Wahl ist eine symbolische Wahl, bei der auch Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft ihre Stimme für die bei der Nationalratswahl kandidierenden Parteien abgeben können. Am Dienstag (24. September 2024) war am Yppenplatz die letzte Gelegenheit die Stimme abzugeben. Bei der ersten Wahl 2013 war die Beteiligung mit 600 beziffert. Heuer nahmen fast 20.000 Menschen an der bundesweit abgehaltenen Wahl teil – das ist ein Rekord.

    Wir sprechen mit den Menschen. Sehr viele sagen: Ich darf leider nicht wählen
    Judith Pühringer
    Stadträtin und Parteivorsitzende der Wiener Grünen

    Zugegen war auch Stadträtin und Parteivorsitzende der Wiener Grünen Judith Pühringer. Dabei bemerkt sie einen Umstand, den sie im Wahlkampf auf der Straße erlebt: "Wir sprechen mit den Menschen. Sehr viele sagen: Ich darf leider nicht wählen".

    Unter den Wählern der Pass-Egal-Aktion sind auch prominente Personen, wie der TV-Moderator und Kabarettist Dirk Stermann. Auf die Frage wie lange er schon daran teilnimmt, antwortet er: "Gefühlsmäßig nehme ich schon zu lange teil. "Er würde viel lieber einmal an der echten Wahl teilnehmen. Ich kann in Deutschland wählen. Ich würde aber gerne hier wählen", erzählt er weiter. Einen Unterschied würde es für ihn alle mal machen. Dabei bezieht er sich auf die Steuern, die in Österreich zahlt: "Es ist wie im Fußballverein: Man darf zahlen, aber nicht mitbestimmen"

    Es ist wie im Fußballverein: Man darf zahlen, aber nicht mitbestimmen
    Dirk Stermann
    Der TV-Moderator und Kabarettist lebt und zahlt in Österreich Steuern, darf aber hier nicht wählen.

    Indes kann der Moderator mit dem letzten Nationalrats-Wahl-Ergebnis seines Bezirks leben. "Ich weiß wie im Bezirk gewählt wird: bürgerlich, ein bisschen progressiv", erzählt er. In seinem Wohnbezirk sind 42 Prozent nicht wahlberechtigt. An der Wahl am Yppenplatz nahm auch der in Syrien geborene Rayan Z. (18) teil. "Ich komme aus einer Diktatur", so der 18-Jährige zum Thema Wahlrecht.

    Bitte keine Diktatur
    Nilay B. (28)
    kommentiert die Pass Egal Wählerin die zur Wahl stehende Partei FPÖ.

    "Hier ist es schön und sicher. Es gibt nicht so viele Probleme", meint er. Der gebürtige Syrer zählt sich zur LGBTQ-Community. "In meinem Geburtsland ist es erlaubt, mich zu töten", erzählt er weiter. In Österreich könne er sein, wie er ist. Auch die in der Türkei geborene Nilay B. (28) versteht sich als queer und ist froh, jetzt in einem Rechtsstaat zu leben. Hier hat sie keine Angst und kann sich in Sicherheit wiegen. Nichtsdestotrotz möchten beide Pass-Egal-Wähler in Wien auch an der echten Wahl teilnehmen dürfen. Nilay B. sowie Rayan Z. haben eine Präferenz für die SPÖ. Daneben kommentiert Nilay die zur Wahl stehende Partei FPÖ: "Bitte keine Diktatur"

    Pass-Egal-Wahlergebnis: SPÖ liegt weit vorne, aber FPÖ vor ÖVP

    Bei den Wahlteilnehmern ohne österreichische Staatsbürgerschaft konnte die SPÖ unter den bundesweit kandidierenden Parteien den ersten Platz erringen. Sie bekam 36,8 Prozent der Stimmen. Dahinter folgen die Grünen mit 19,3 Prozent, KPÖ mit 10,4 Prozent, FPÖ mit 8,1 Prozent, NEOS mit 7,9 Prozent, ÖVP mit 6,4 Prozent, KEINE mit 3,2 Prozent, BIER mit 2,9 Prozent und LMP mit 0,7 Prozent. "Das Wahlergebnis ist nicht repräsentativ und steht für das politische Stimmungsbild jener Menschen, die aktiv ein Zeichen für eine inklusive Demokratie setzen wollen", so die SOS Mitmensch Geschäftsführerin Gerlinde Affenzeller.

    Auf den Punkt gebracht

    • Ein Drittel der Wiener Bevölkerung ist nicht wahlberechtigt, da sie keinen österreichischen Pass besitzen, was ein Problem für die Demokratie darstellt
    • Die symbolische "Pass-Egal-Wahl" ermöglicht es diesen Menschen, ihre Stimme abzugeben, wobei die SPÖ die meisten Stimmen erhielt; prominente Unterstützer und Betroffene wie Rayan Z.und Nilay B.betonen die Bedeutung der Teilnahme an echten Wahlen
    red
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