Ist Christian A., der seit Jahren gegen Lebensmittelverschwendung kämpft, ein Dieb – oder ein Held? Die Gerichte beschäftigen sich seit rund einem Jahr mit dieser Frage, nachdem eine seiner Dumpster-Aktionen drastische Folgen hatte.
Der Wiener holt seit vier Jahren weggeworfene Lebensmittel aus Supermarkt-Müllcontainern und verteilt sie; manches behält er sich selbst. Doch im Mai 2024 wurde ihm seine Mission zum Verhängnis: Gemeinsam mit einer Kollegin entnahm er Pflanzen, Erde und Gemüse aus einem Container einer Hofer-Filiale – ein Passant rief die Polizei. Es folgte eine Anzeige wegen Diebstahls.
In erster Instanz wurde der "Mülltaucher" zu vier Wochen bedingter Haft verurteilt, doch er ging in Berufung – mit Erfolg. Das Urteil wurde vom Straflandesgericht im Jänner 2025 aufgehoben, weil sich das Bezirksgericht nicht ausreichend mit dem Wert der entnommenen Waren auseinandergesetzt hätte. Nun fand die erneute Verhandlung vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt statt.
Die große Frage, die im Raum steht, lautet: Kann Müll überhaupt gestohlen werden? "Ich habe keine Ahnung, wer sich diesen Warenwert von 50 Euro damals ausgedacht hat. Meiner Meinung nach hat Müll einen negativen Wert, denn sonst müsste man nicht für dessen Entsorgung bezahlen", argumentiert Christian.
Der 51-jährige Angeklagte hoffte im Zuge der erneuten Verhandlung, dass Vertreter der Hofer KG und des Entsorgungsunternehmens Saubermacher als Zeugen befragt werden, um zu sehen, ob die entwendeten Waren einen Wert hatten und somit diebstahlfähige Waren darstellen. "Der objektive Tatbestand ergibt sich aus dem Wert, den die Unternehmen den Waren selbst beimessen", erklärt sein Anwalt David Jodlbauer und fordert einen Freispruch.
Doch die Richterin sieht das anders: Der Container befand sich in einem abgesperrten Bereich, und die Waren könnten noch einen Restwert für den Supermarkt gehabt haben. "Die Waren hatten noch einen Tauschwert. Ich verstehe Ihren aktivistischen Grundgedanken, aber die Art und Weise, wie es in diesem Fall gemacht wurde, ist strafbar", sagt sie zum Angeklagten.
Nach der halbstündigen Verhandlung lag das Urteil vor: Christian wird wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15,127 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen, in Summe 500 Euro, verurteilt. Bei der Verkündung des Urteils kochten die Emotionen hoch: Rund 40 Unterstützer von Christian reagierten mit lautstarken Protesten. Die Richterin ließ den Saal kurzerhand räumen. Fünf Polizeibeamte schritten ein.
"Es ist unverständlich. Christian ist einer von uns; er macht das nicht zur eigenen Bereicherung", sagt Josef Etzelsdorfer von der Initiative "Robin Food". Auch der Lebensmittelretter selbst möchte das Urteil nicht akzeptieren. "Ich bin unschuldig; das ist kein Diebstahl", so Christian. Er kündigt eine erneute Berufung an. "Dann sehen wir uns in einem Jahr wieder vor Gericht", sagt er abschließend zur Richterin.