Österreich
Wien macht Tourismus "primär für die Wiener"
"Qualität statt Quantität" heißt das neue Motto des Wien-Tourismus. Künftig stehen Nachhaltigkeit und Mehrwert für Wien über den reinen Nächtigungszahlen.
Die Stadt Wien vollzieht beim Wien-Tourismus einen Perspektiven-Wechsel. Statt zu fragen "Was kann Wien für den Tourismus tun?", heißt es nun "Wie kann Wien und die Wiener Bevölkerung vom Tourismus profitieren?". Und so löst eine neue "Visitor Economy Strategie" bisherige Tourismus-Strategien ab.
Am Dienstag stellten Bürgermeister Michael Ludwig, Wirtschaftsstadtrat und Präsident des Wien-Tourismus Peter Hanke (beide SPÖ) und Tourismus-Direktor Norbert Kettner die Details vor.
Unter dem Motto "Shaping Vienna" definiert die Stadt das Phänomen Reisen und dessen Wirkungen auf die Destination Wien völlig neu und zielt auf eine nachhaltige Entwicklung und ein Ausbalancieren der Bedürfnisse von Einheimischen und Besuchern ab. Im Vordergrund steht künftig der Mehrwert für die Stadt, ihre Bewohnern und Unternehmen. "Neue Hot Spots werden ab nun primär für die Wienerinnen und Wiener gebaut, etwa die neue Multifunktionshalle. Wenn das dann neue Besucher nach Wien lockt, ist das ein positiver Nebeneffekt", so Ludwig.
In der neuen Strategie sind durchaus ambitionierte Ziele festgelegt, wie Tourismus-Direktor Kettner einräumt. So soll bis 2025 (ausgehend vom Geschäftsjahr 2018) folgende Ziele erreicht werden:
- Der Beitrag des Tourismus zum Wiener Bruttoinlandsprodukt steigt von 4 auf 6 Mrd. Euro
- Der Nächtigungsumsatz der Beherbergungsbetriebe steigt um Zweidrittel, konkret von 900 Mio. auf 1,5 Mrd. Euro. Gelingen soll das indem die, aus Sicht der Stadt "bisher schon sehr günstigen Nächtigungen" preislich angepasst werden
- Die Zufriedenheit der Gäste soll unverändert hoch bleiben. Laut Umfragen würden derzeit 9 von 10 Besuchern Wien als Destination weiterempfehlen
- Auch hohem Niveau soll auch die Tourismusgesinnung der Wiener Bevölkerung bleiben. Aktuell stehen 9 von 10 Wienern dem Tourismus positiv gegenüber
- Die Anzahl der Wiener Tourismus-Betriebe, die mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet sind, sollen sich bis 2025 von 112 auf 224 verdoppelt
- Im Sinne des Klimaschutzes will die Stadt mehr Wien-Reisende auf die Schiene bringen. Derzeit liege der Anteil der Wien-Touristen, die mit Bahn kommen bei 21%, hingegen reisen 26% per Auto an. Durch den Aufbau eines "Railservice" mit der ÖBB und privaten Anbietern soll sich das Verhältnis bis 2025 umkehren (d.h., 26% Bahn, 21% Auto).
(Quelle: Youtube)
"Tourismus für Wien entscheidender Wirtschaftsfaktor"
Der Wien-Tourismus hat sich in wenigen Jahrzehnten zu einem tragenden Wirtschaftssektor entwickelt. In Wien steht er für jährlich vier Milliarden Euro an Wertschöpfung, 90.000 Arbeitsplätze, Top-Infrastruktur und ein Kunst- und Kulturleben, das international seinesgleichen sucht. Seit 1990 sind die Ankünfte in Wiener Beherbergungsbetrieben um über 150 % auf 7,5 Millionen Besucher 2018 angewachsen.
"Wien ist zunehmend gefragtes Reiseziel und wir bekennen uns weiter zu Wachstum, aber nicht um jeden Preis. Wiens neue 'Visitor Economy Strategie 2025' reiht sich nahtlos in bestehende Strategien der Stadt ein und steht für einen frischen Denkansatz und nachhaltige Entwicklung, die die Grundlagen des Erfolges nicht untergräbt, sondern im Einklang mit den Zielen der Stadt und den Bedürfnissen der hier lebenden Menschen steht. Die zentrale Frage für die kommenden Jahre lautet daher nicht, was unsere Stadt für den Tourismus tun kann, sondern darauf zu fokussieren, was Tourismus für unsere Stadt tun kann!", erklärt Ludwig den neuen Ansatz.
Visitor Economy: Blaupause für Tourismuswachstum
Der Grundgedanke der Visitor Economy gehe über den herkömmlichen Tourismusbegriff weit hinaus: Sie öffne den Blick für die Vielfalt der Gäste und umfasse unter dem Begriff "Besucher" (Visitors) künftig alle Gäste, die in Wien leben, arbeiten oder studieren, einkaufen oder flanieren, Kultur- oder Freizeitangebote nutzen, Geschäfte machen oder Tagungen besuchen.
Rund ein Jahr wurde an der neuen Strategie gearbeitet, dabei wurden erstmals neben auch Stakeholdern aus der Tourismusbranche und der Tagungsindustrie unter anderem auch Bezirksverantwortliche, Stadt- und Immobilienentwickler, Handel, Mobilitätsanbieter oder Universitäten mit eingebunden.
Premium statt Massentourismus. Gemeinwohl hat Vorrang
Das Ergebnis ist eine Strategie, die auf Nachhaltigkeit und die Schaffung eines Mehrwerts für Wien und die Wiener abzielt, sowie das Ende des klassischen Massentourismus einläuten soll. Stattdessen soll Wien "Premium" werden. Nicht gleich zu setzen mit Luxus, betont Ludwig: "Auch ein Würstlstand kann Premium sein". Vielmehr ist hier Qualität statt Quantität gemeint. Damit will die Stadt Menschen anziehen, die Qualität und hohe Standards schätzen. "Daraus resultiert im Regelfall ein respektvoller Umgang mit der Stadt, hohe Zufriedenheit und die Bereitschaft, sich in die Stadt zu integrieren", so Kettner.
Künftig müssen touristische Maßnahmen im Zweifels- oder Ärgerfall dem Interesse der Wiener weichen. "Wo Einzelinteressen dem Gemeinwohl entgegenstehen, werden und müssen wir auch die Rolle des 'Spielverderbers' einnehmen", betont Kettner. Etwa dann, wenn es darum geht, den öffentlichen Raum zu verteidigen.
"Öffentlicher Raum soll qualitätsvollen Platz für Aufenthalt, Bewegung und Begegnung bieten. Das Gemeinwohl muss Vorrang vor Individualverkehr, Vereinnahmung durch überbordenden Straßenverkauf oder 'Verramschung' durch Standl aller Art haben", so Kettner. Die neuen Regeln gegen die "Mozartverkäufer" am Stephansplatz (City), "Heute" hat berichtet, seien hier ein erster Schritt.
Neues Regionenkonzept für dezentrale Stadtteile
Ein Schwerpunkt soll die Sichtbarmachung neuer, spannender Ziele innerhalb Wiens, aber außerhalb der Inneren Stadt sein. Zusätzliche Anziehungspunkte in den Bezirken, auch außerhalb des Gürtels, sollen Tourismusströme umleiten und die Bezirke an den Wertschöpfungseffekten teilhaben lassen. "Der Wien Tourismus wird ein Marketingkonzept für zentrale und dezentrale Stadtteile entwickeln, in das kreative Impulse, öffentliche und private Initiativen einfließen und das dort Frequenz schaffen soll, wo Menschen und Unternehmen zusätzlich profitieren wollen", so Kettner.
Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang neuen urbanen Hotspots wie der bereits erwähnten neuen Eventhalle, aber auch dem neuen Busterminal oder den Uferbereichen von Donau und Donaukanal zu. Bestrebungen der Hotellerie, als Quartierstreffpunkt zu fungieren, soll ebenso Rechnung getragen werden. Daneben sollen Wien als Filmstandort oder als "Kongress-Hauptstadt" stärker positioniert werden.
"Visitor Economy Strategie 2025" online
Die vollständige Visitor Economy Strategie 2025 – Shaping Vienna samt weiterführender Informationen, erklärender Grafiken und Videos steht auch online zur Verfügung.
Die Microsite soll in den kommenden Jahren auch als Plattform dienen, um den weiteren Prozess und Fortschritte abzubilden. Den Statusbericht zur auslaufenden Tourismusstrategie 2020 findest Du hier.