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Wie Medikamente uns schleichend kaputtmachen

Heute Redaktion
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Antibiotika greifen alle Bakterien an - nicht nur die Krankheitserreger. Die Folgen können auf lange Sicht verheerend sein. Ein Plädoyer für mehr Bakterien.

Der menschliche Körper beherbergt mehr Bakterien als Zellen. In ihrer Gesamtheit werden sie als unser Mikrobiom bezeichnet. Es beeinflusst Stoffwechsel, Immunsystem und Gemüt.

Erschreckend ist, dass die Bakteriengemeinschaft in unserem Mikrobiom zunehmend verarmt. Dafür sind neben dem Lebensstil auch zahlreiche Medikamente verantwortlich.

Antibiotika schädigen das Mikrobiom

Die Mikrobiomforschung fokussiert sich auf die Bakteriengemeinschaft im menschlichen Darm. Er ist der Ort, an dem unterschiedlichste Mikrobenarten alle möglichen Aufgaben erfüllen. Diese reichen von der Verdauung bis zur Produktion des Glückshormons Serotonin.

Viele haben eine Schädigung des Mikrobioms durch Antibiotika bereits am eigenen Leib erfahren. Denn sie greifen alle möglichen Bakterien an - also solche, die Krankheiten verursachen, aber auch solche, die nützlich für uns sind.

Äußern kann sich ein solcher Angriff durch Übelkeit, Bauchzwicken und Durchfall. Für das Mikrobiom aber sind die Folgen noch wesentlich drastischer: Kurzfristig verliert es einen Teil seiner Mitbewohner und funktioniert deswegen nicht mehr richtig.

Viele Medikamente wirken ähnlich

Einige Studien, wie etwa eine des Molecular Biology Laboratory aus 2018, zeigen, dass jedoch nicht nur Antibiotika, sondern eine Vielzahl anderer Medikamente diesen Effekt ebenso haben. Die Studie testete die Wirkung von 1.000 Medikamenten an 40 weitverbreitete Darmbakterien. Das Ergebnis: 27 Prozent der Wirkstoffe haben einen ähnlichen negativen Effekt auf unser Mikrobiom. In weiterer Folge fördern sie auch Antibiotikaresistenzen.

Einige der Wirkstoffe, die zu diesen 27 Prozent zählen, sind Protonenpumpenhemmer (meist in Medikamenten gegen Sodbrennen, Gastritis sowie in Magenschutz-Mitteln enthalten), aber auch etliche Antipsychotika bzw. -depressiva.

Viele Bakterien noch unbekannt

Von dem komplexen Zusammenspiel von Mensch, Darmmikrobiom und Medikamenten ist Mikrobiomforscherin Jillian Petersen von der Universität Wien überzeugt. Das Problem dabei sei jedoch, dass die Wissenschaft bei weitem nicht alle Bakterienarten kenne.

"Vor ein paar Wochen gab es schon wieder eine neue Studie, in der 2.000 neue Menschendarmbakterienarten beschrieben wurden, die wir davor nicht kannten", so Petersen. Alle von ihnen aufzuschlüsseln, sei eine enorme Herausforderung. Auch eine Definition des idealen Mikrobioms gebe es nicht.

Eigener mikrobieller Fingerabdruck

Jeder Mensch hat ein anderes Mikrobiom. Es setzt sich aus hunderten bis tausenden verschiedenen Bakterienarten zusammen. Die unterschiedlichen Biome überschneiden sich in maximal 10 Prozent. Sie ist wie eine Art eigener mikrobieller Fingerabdruck. Unterschiedliche Zusammensetzungen alleine geben noch keinen Aufschluss über die Gesundheit oder Krankheitsanfälligkeit eines Menschen.

Die Wissenschaft beobachtet jedoch, dass der Fingerabdruck zusehends verarmt. Bakterienarten verschwinden immer mehr. Dies kann zu großen Teilen an dem heute üblichen Umgang mit Medikamenten liegen. "Und wenn wir Bakterienarten einmal verloren haben, können wir sie nicht auf die nächste Generation übertragen und den nächsten Generationen gelingt es auch nicht, sie aus der Umwelt wieder aufzunehmen", sagt Petersen.

Bakterienschwund kann Krankheiten verursachen

Mitunter erklärt der Bakterienschwund eine Vielzahl von Volkskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Allergien und Asthma. Auch der Anstieg von entzündlichen Darmerkrankungen wie Reizdarm, Morbus Crohn oder Darmkrebs können ihre Ursachen im Bakterienschwund haben.

Einige Forscher arbeiten daher daran, besonders nützliche Bakterien zu identifizieren und diese fortan als Medikamente zu nützen. Eine Methode hierfür ist die Fäkaltransplantation, die in den USA bereits standardisiert eingesetzt werden.

Gesunder Stuhl als schonendes Medikament

David Berry vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien erklärt: "Dort gibt es eine Stuhlbank, vergleichbar mit einer Organbank, für die gesunde Freiwillige ihren Stuhl spenden."

Nach einer Antibiotikabehandlung nützen die Erreger das Zeitfenster von ein bis zwei Monaten, in denen sich das Mikrobiom erholt. Folglich kommt es häufig zu Darmentzündungen und Durchfall.

Teufelskreis

Bei derartigen Infektionen werden jedoch meist erneut Antibiotika verschrieben - ein Teufelskreis beginnt. Fäkaltransplantationen sind insofern erfolgreicher, denn "platziert man nützliche Konkurrenten im Darm, verdrängen sie die pathogenen Bakterien", erklärt Berry.

Ein gesunder Lebensstil, ausgewogene Ernährung, Bewegung an der frischen Luft und ein Hineinhören in den Körper sind die wichtigsten Faktoren für unsere Gesundheit. Medikamente sollte man daher niemals leichtfertig einnehmen.

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