Existenz bedroht

Wegen falschem Stempel verliert Familie den Almbetrieb

Ein jahrelanger Familienstreit könnte für Familie Seidl und ihre Mayrhofalm weitreichende Folgen haben. Die Familie vermutet hier Behördenfehler.

Österreich Heute
Wegen falschem Stempel verliert Familie den Almbetrieb
v. l. n. r. Katharina Seidl, Peter Seidl, Melanie Seidl – Die Familie könnte ihre Existenzgrundlage verlieren
Melanie Seidl

Es ist ein Rechtsstreit, der die Familie Seidl ihre Existenz kosten könnte. Aktuell sieht es für die Besitzer der Mayrhofalm in Werfenweng wahrlich nicht gut aus, denn sie sollen ihren Betrieb aufgeben müssen. Das hat eine überraschende Rechtssprechung gegen die Agrarbehörde entschieden. Die Familie sieht hier allerdings einen Behördenfehler und will mit allen Mitteln dagegen ankämpfen.

Jahrzehntelanger Rechtsstreit eskaliert

Die Familie ortet in der überraschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gegen die Agrarbehörde einen potenziellen Präzedenzfall. Dieser könnte Enteignungen Tür und Tor öffnen, denn das Urteil gegen die Agrarbehörde basiert auf 170 Jahre alten Dokumenten. Auch ein rechtskräftiges Testament scheint hier nichts bewirken zu können.

Die Alm musste aufgrund des Rechtsstreits vorübergehend geschlossen werden.
Die Alm musste aufgrund des Rechtsstreits vorübergehend geschlossen werden.
Melanie Seidl

Behördenfehler führt zu umstrittener Enteignung

Vor wenigen Wochen erreichte Familie Seidl eine niederschmetternde Nachricht. Nach einem langen Rechtsstreit zwischen den Brüdern Peter und Josef Seidl folgte jetzt ein überraschendes Urteil. Dieses bedeutet aktuell für Peter Seidl und seine Töchter Katharina und Melanie, die rechtmäßigen Besitzer und Betreiber der Mayrhofalm, dass sie schlichtweg enteignet werden. Überraschend deswegen, weil der über 29 Jahre andauernde Streit nun durch einen Fehler der Agrarbehörde zugunsten des Bruders Josef ausfällt.

"Vor 29 Jahren wurde nach bestem Wissen und Gewissen, notariell und behördlich begleitet, die Aufteilung des Besitzes unserer Großeltern geregelt. Die Anteile an der Alpe wurden vom Bauernhof (Mayrhofgut, das im Besitz von zwei weiteren Alpen ist) abgesondert und schließlich unserem Vater Peter Seidl vererbt. Seit 1983 betreibt unsere Familie eine Ski-Hütte und seit 2013 eine Sommer-Almhütte auf dieser Alpe. Die Absonderung wurde mittels Stempelbescheid der Agrarbehörde genehmigt", erklären die Co-Betreiberinnen und Schwestern Melanie und Katharina Seidl. Insgesamt wurden bisher rund 300.000 Euro in die Alm investiert.

Nicht einmal Testament hilft

Im Jahr 1995 wurde das Mayrhofgut somit an den Bruder Josef Seidl und die Alm an Peter Seidl übergeben. Im Jahr 2018 vermachte Josefa Seidl, die Mutter der beiden Brüder, all ihre Anteile an ihren Sohn Peter. Dies wurde auch in einem notariell beglaubigten Testament festgehalten. Sollte er das Erbe nicht antreten können, wurde seine Tochter Melanie als Ersatzerbin angegeben. Dies missfiel dem Bruder erneut, denn er kämpfte bereits seit mehreren Jahren um die Alm, da "Peter diese nicht rechtmäßig" erhalten habe. Die Eigentumsrechte wurden angefochten.

Neuerlicher Prozess deckt Fehler auf

Im Zuge des letzten Prozesses drehte sich aber plötzlich alles um. Dieser wurde nämlich nicht gegen die Familie Seidl, sondern gegen die Agrar-Behörde geführt. Der Oberste Gerichtshof stellte dabei fest, dass der Stempelbescheid, den die Behörde 1995 bei den Übergabevertrags-Verhandlungen ausgestellt hat, keine Gültigkeit habe "und eine Absonderung der Alpenanteile auf Basis von historischen Dokumenten und dem Salzburger Flurgesetz nicht hätte stattfinden dürfen", erklärt die gelernte Steinmetzmeisterin Melanie Seidl.

Wir sind der Kollateralschaden behördlicher Fehler
Melanie Seidl
Betreiberin der Mayrhofalm, Tochter v. Peter Seidl

Familie wurde enteignet

Ein Urteil mit dramatischen Folgen: Die im Jahr 1995 behördlich und notariell begleitete Abwicklung wird teilweise und zum Nachteil der Familie Seidl rückgängig gemacht und die Alpenanteile müssen wieder an den Hof gebunden werden, Familie Seidl wird zum Opfer von Behördenfehlern und damit einfach enteignet. Und das, obwohl Melanie Seidl gemeinsam mit ihrem Vater Peter bereits seit 2013 die rechtmäßige Betreiberin (2018 rechtmäßige Besitzerin) der Alm ist.

Die Schwestern Katharina und Melanie fürchten um die Existenz der Familie.
Die Schwestern Katharina und Melanie fürchten um die Existenz der Familie.
Melanie Seidl

"Es ist unfassbar, dass so etwas in Österreich möglich ist, wo bleibt hier die Rechtssicherheit. Wir haben darauf vertraut, dass die Behörde rechtskonform agiert, die richtigen Verfahren anwendet und rechtsgültige Bewilligungen und vor allem rechtsgültige Bescheide ausstellt. Nun wurde mein Vater auf Basis dieser Fehler aus dem Jahr 1995, die im Zuge der Klage gegen die Agrarbehörde nun festgestellt wurden, aus dem Grundbuch gestrichen, wir müssen die Alm räumen und verlieren unsere Existenzgrundlage", zeigt sich Katharina Seidl bestürzt. Sie hat die Führung beider Almen übernommen und ihre Existenz und die ihres Kindes darauf aufgebaut.

Politik gefordert – "Gefahr für weitere Familien"

Die geschädigte Familie sieht in ihrem Fall einen Präzedenzfall und damit weitere Familien in Gefahr. "In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Almen von landwirtschaftlichen Betrieben getrennt, um deren wirtschaftliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Dieses Urteil gegen die Agrarbehörde könnte jedoch einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen und weiteren Enteignungen Tür und Tor öffnen. Das Urteil bedroht nicht nur unsere Existenz, sondern auch die vieler anderer Familien, die in der Almwirtschaft tätig sind", warnt Familie Seidl. Die Politik sei gefordert, sich damit umgehend auseinanderzusetzen.

Situation spitzt sich zu

Die Situation zwischen den Familien scheint sich immer mehr zuzuspitzen, denn Josef Seidl hat nun auf die Hochweide aufgetrieben. Zum ersten Mal und auch ohne, dass Bruder und Almwirt Peter etwas davon wusste. Peter Seidl und seiner Familie wurde lediglich per Anwalt mitgeteilt, dass sie die Alm bis zum 20. Mai zu räumen hätten. Die Almwirtsleute mussten unfreiwillig nachgeben, denn die Kühe grasten auf einmal auf der Alm. Die beliebte Almhütte mit Ausschank ist zwar vorerst nicht betroffen, aber sie bleibt zwischenzeitlich geschlossen, bis sich der Streit geklärt hat.

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