Fälle verdoppeln sich

Warum auch Kinder nun alles über Demenz lernen sollten

Experten und Politiker sprechen schon von einer neuen "Volkskrankheit". Die Zahl der Demenz-Betroffenen wird rasch steigen. 

Peter Reidinger
Warum auch Kinder nun alles über Demenz lernen sollten
Dieser Rucksack hilft in Schottland dabei, dass schon Schulkinder über Demenz informiert werden und die Betroffenen so besser verstehen.
Land OÖ/Philipp Albert, iStock

Eine Taucherbrille, Handschuhe, ein Brettspiel, ein Telefon mit ungewöhnlich großen Tasten, das Modell eines Gehirns, ein Bilderbuch, Spielkarten. All das und noch viel mehr hat in einem großen, schwarzen Rucksack Platz, der auf einem Tisch im Konferenzraum der University of the West of Scotland (UWS) steht. Der Rucksack ist das Herzstück des Projekts "Class in a bag", mit dem die Uni das Thema Demenz auch jungen Schotten beibringen will. 

Schon 10.000 Schulkinder haben mit Hilfe des Rucksacks gelernt, was es heißt, wenn die Oma oder der Opa plötzlich an Demenz erkranken. Wie es sich anfühlt, nicht mehr so gut zu sehen oder zu fühlen. Den Rucksack samt Lernmaterialien gibt es in einer Ausführung für Kinder, aber auch für Erwachsene, wie Demenz-Spezialistin Dr. Louise Ritchie im Gespräch mit "Heute" erklärt. Rund 250 Pfund (ca. 290 Euro) kostet ein Rucksack samt Gegenständen.

Dieser Rucksack schafft Bewusstsein

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    Das Projekt "Class in a bag" soll mehr Bewusstsein schaffen.
    Das Projekt "Class in a bag" soll mehr Bewusstsein schaffen.
    "Heute"

    Hintergrund dieses und vieler weiterer Projekte ist die Bewusstseinsbildung. Schottland ist beim Umgang mit Demenz weltweit führend, eine Delegation aus Oberösterreich hat sich vor Ort angesehen, was von Edinburgh bis Glasgow schon besser gemacht wird als anderswo. Das Gesundheitsressort von LH-Stv. Christine Haberlander und das Pflegeressort von Wolfgang Hattmannsdorfer (beide ÖVP) sind ganz bewusst gemeinsam angereist, weil eine Herausforderung wie Demenz nur ressortübergreifend angegangen werden könne. 

    Hohe Dunkelziffer
    In Oberösterreich gibt es derzeit 25.000 diagnostizierte Fälle von Alzheimer. Die Dunkelziffer ist laut Experten wohl weitaus höher. Bundesweit sind rund 130.000 bis 150.000 Menschen betroffen. 
    Die Kosten sind laut einer IHS-Studie enorm. Alleine die medizinischen Aufwendungen belaufen sich auf 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen Pflegekosten in Höhe von 1,3 Milliarden.
    Rechnet man die Leistung dazu, die daheim privat an Pflege und Betreuung geleistet wird, wären das noch einmal bis zu 5 Milliarden Euro zusätzlich.

    Wie berichtet punktet Schottland vor allem damit, das Thema zu enttabuisieren. Demenz und die Folgen werden offensiv angesprochen. In Kirchengruppen, in Sportvereinen, bei Chören. Es gibt sogar VR-Brillen und eine eigene Software, mit der eine Demenzerkrankung simuliert wird. Sie soll Angehörigen und anderen Personen aus dem Umfeld von Betroffenen zeigen, wie sich jemand mit dieser Erkrankung fühlt. Die neue Demenzstrategie dort heißt "Everyone's Story" (Jedermanns Geschichte) und bringt auf den Punkt, worum es geht: Nämlich darum, dass Demenz jede und jeden betrifft, neben den Patienten auch das gesamte Umfeld und die Gesellschaft an sich.

    Hattmannsdorfer betont, dass das Thema quer durch alle Polit-Ressorts behandelt werden müsse. "Bis 2050 wird sich die Zahl verdoppeln", so der Politiker über die Betroffenen in Oberösterreich. "Demenz wird eine Volkskrankheit." Und er zitiert die berühmte Aussage von Ex-Kanzler Sebastian Kurz während der Pandemie: "Bald wird jede und jeder jemanden kennen, der direkt oder indirekt betroffen ist."

    Es sei ganz wunderbar, dass die Menschen immer älter werden, so Haberlander zu "Heute". Das bringe aber auch große Herausforderungen mit sich. "Eine der größten Herausforderungen, die heißt Demenz". Man sei nach Schottland gereist, "um von den Besten zu lernen".

    LH-Stv. Christine Haberlander und Wolfgang Hattmannsdorfer an der Uni im Westen Schottlands.
    LH-Stv. Christine Haberlander und Wolfgang Hattmannsdorfer an der Uni im Westen Schottlands.
    Land OÖ/Philipp Albert

    "Unser Ziel ist klar: Oberösterreich soll ein guter Ort sein, um alt zu werden", fügt Hattmannsdorfer beim Gespräch vor der spektakulären Kulisse der Altstadt Edinburghs hinzu. "Dazu gehört auch, dass wir das demenzfreundlichste Land Österreichs werden wollen".

    Jetzt gehe es angesichts der bevorstehenden Verdoppelung der Demenzfälle bis 2050 darum, die Pflegekräfte gut auszubilden, pflegende Angehörige gut zu begleiten. Man wolle zudem mehr Bewusstsein schaffen, denn: "Es gibt auch ein gutes Leben mit einer Erkrankung an Demenz".

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