Gradwohl in Turbulenzen

"Waren Herz der Bäckerei" – Mitarbeitern droht AMS

Die Traditionsbäckerei Gradwohl muss 13 der 17 Filialen schließen. Zusammen mit dem AMS sucht man nach Perspektiven für die Mitarbeiter.
Aram Ghadimi
30.01.2025, 08:00

Filialen in besten Wiener Innenstadtlagen werden verschwinden. Von den insgesamt 17 Standorten der Bio-Vollwert-Bäckerei Gradwohl, einem Traditionsunternehmen in dritter Generation, werden im besten Fall vier überbleiben.

Auch das Anpassen der Öffnungszeiten hat nichts geholfen. Noch während der Recherche für diesen Text schließt am prestigereichen Wiener Fleischmarkt Gradwohl seine Tore. Die dortige Filiale hatte am 29. Jänner den letzten Tag offen.

Ungewisse Zukunft für Personal

Von den insgesamt 96 Mitarbeitern, werden 50, vielleicht 60 nicht mehr im Betrieb bleiben können, sagt Julia Bader-Gradwohl. Sie hat, so wie ihr Bruder Oliver Gradwohl, Wochen und Monate des Kopfzerbrechens hinter sich: "Oft kann ich nicht schlafen, das ist sehr belastend."

Die Bäcker-Geschwister haben es sich nicht leicht gemacht: "Im Familienbetrieb ist man mit seinen Mitarbeitern in einem nahen Verhältnis. Wir machen uns Sorgen, wie es für die Belegschaft weitergehen soll."

Vollkorn-Pioniere in dritter Generation

Schon Großvater Johann und sein Sohn Peter, setzten auf Vollkorn: "Sie waren Vorreiter beim Brot, hatten sich früh auf Vollwert und Vollkorn spezialisiert", sagt Bader-Gradwohl. So sei die Bio-Bäckerei Gradwohl in den 1990ern sehr beliebt gewesen und habe sich einen kräftigen Stock an Stammkunden aufgebaut.

„Die Menschen sollen sich nicht vom Supermarkt täuschen lassen.“
Julia Bader-GradwohlBio-Vollwert-Bäckerin

Mittlerweile hat sich das geändert. Stagnierende Umsätze setzten dem Traditionsbetrieb mehr und mehr zu. Wie in der Vergangenheit auf "Heute" öfter zu lesen war, stürzen die gestiegenen Energiepreise immer mehr Traditionsbetriebe in Probleme – so auch die Bio-Bäckerei Gradwohl.

Hauptproblem Billigbackware

Das war aber nicht das einzige Problem. Seit Längerem schon, sagt Bader-Gradwohl, merke man die Supermarkt-Konkurrenz. Die Billigbackshops, mit Billig-Gebäck würden in letzter Zeit immer mehr Kunden abziehen. "Wie sollen wir da mithalten?", fragt die Unternehmerin.

Auch für die Mitarbeiter ist das ein persönliches Drama, waren doch viele überzeugt, dass sie einen sicheren Job haben – mehr als der Hälfte von ihnen droht nun der Verlust des Arbeitsplatzes. "Diese Entscheidung war alles andere als leicht", sagt Oliver Gradwohl, der wie seine Schwester um die Zukunft des Unternehmens bemüht ist.

Oliver Gradwohl führt mit seiner Schwester die Bäckerei
Oliver Gradwohl führt mit seiner Schwester die Bäckerei
Bio Vollwert Bäckerei Gradwohl

Rückzug ins Burgenland

Gemeinsam habe man überlegt, wie man mit der schwierigen Situation umgehen könne. Am Ende hat das Geschwisterpaar entschieden, die Notbremse zu ziehen: "Wir konzentrieren und jetzt auf die Backstube, das Herzstück unseres Betriebs", sagen beide. Geplant sind Modernisierungsmaßnahmen. Nach einem weitgehenden Rückzug ins Burgenland wird nur noch eine Filiale in Niederösterreich oder Wien weiter betrieben. So soll Kapital für einen Neustart und neue Maschinen frei werden.

Eine Filiale in NÖ, in Guntramsdorf oder Mödling, könnte also erhalten bleiben: Schwechat, Wr. Neustadt und Baden sperren fix zu.

"Für unsere Mitarbeiter, von denen die meisten schon über zehn Jahre dabei sind, haben wir zu anderen Bäckereien Kontakt aufgenommen", sagt Bader-Gradwohl. Man versuche, die Filialen zusammen mit der jeweiligen Belegschaft an Interessenten zu übergeben: "Wir haben andere Bäckereien angeschrieben, ganz große und auch kleine." Auch vom AMS bekomme man Unterstützung.

Backshops bringen's nicht

"Unsere Mitarbeiter sind auf Qualität geschult. Sie wollten bei uns in Pension gehen", sagt Bader-Gradwohl. Aber bei der immer weiter sinkenden Kaufkraft der Menschen ginge das nicht. Viele der Stammkunden, die früher täglich gekommen waren, sagt die Bäckerin, kämen nur noch an einzelnen Tagen. "Das ist auch für unsere Mitarbeiter schwer zu verkraften."

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"Die Menschen sollen sich nicht vom Supermarkt täuschen lassen", möchte Bader-Gradwohl noch den Leserinnen und Lesern von "Heute" mitgeben: "Mehrkorn oder Vielkorn, hat nichts mit Vollkorn zu tun, Hefe und andere Zusatzstoffe nichts mit einem echten Sauerteig."

Einige Bäcker haben zuletzt gezeigt, wie man sich vom Supermarkt und seiner Billigware abhebt. Ob aber dem Geschwisterpaar Gradwohl ein Neustart gelingt, bleibt offen, sowie offen bleibt, ob Konkurrenten das altgediente Personal übernehmen werden.

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