Ukraine
Wagner-Chef beklagt Schlappe in Schlacht um Bachmut
Bachmut bleibt weiter in ukrainischer Hand. Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin schimpft nun, dass Putins Militär eine Eroberung bisher verhindert hätte.
Seit Monaten schon tobt eine erbitterte Schlacht um die ostukrainischen Stadt Bachmut in der Oblast Donezk. Obwohl sich der Belagerungsring der russischen Armee und der Söldner-Truppe "Wagner" immer enger zieht – mehrere Vororte wurden bereits erobert – erweist sich Bachmut weiterhin als uneinnehmbar.
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Für dieses Versagen hat Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (61) bereits einen Schuldigen gefunden. Natürlich nicht bei seinen Kämpfern, sondern bei der regulären russischen Armee. "Ich denke, wir hätten Bachmut eingenommen, wenn es nicht diese monströse Militärbürokratie gäbe und wenn man uns nicht jeden Tag Steine in den Weg legen würde", donnerte der Söldner-Boss in einem auf Telegram veröffentlichten Video. Deshalb könne eine Eroberung frühestens "März oder April" gelingen.
Er schießt damit zum wiederholten Male in Richtung Kreml, unterminiert dabei die Armeeführung von Verteidigungsminister Sergei Schoigu und den Leiter des Ukraine-Feldzugs Waleri Gerassimow (beide 67). Dabei achtet der Wagner-Führer peinlich genau darauf, das Ansehen seines Gönners Wladimir Putin (70) selbst nicht anzupatzen.
Über Jewgeni Prigoschin
Jewgeni Prigoschin (61) wurde durch Wladimir Putin zum Milliardär. Doch die zugeschanzten Staatsaufträge haben einen Preis: Erst zog Putins Intimus aus St. Petersburg für ihn an der Spitze einer Horde Internet-Trolle in den digitalen Propaganda-Kampf, doch mittlerweile führt er mit seiner Söldner-Truppe "Wagner" den Krieg gegen die Ukraine an vorderster Front.
Prigoschin beklagte in seiner Nachricht außerdem einen "Aderlass", weil der Strom an aus Gefängnissen rekrutierten Freiwilligen zu versiegen scheint. Offiziell ist diese Form der Rekrutierung vergangene Woche eingestellt worden, weil sich kaum mehr Strafgefangene verpflichten wollten. Ihnen wurde zwar für einen mehrmonatigen Diensteintritt Amnestie geboten, doch dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass nur die wenigsten diesen auch überleben.
Freiwillige werden "verheizt"
Die US-Regierung rechnete Ende 2022 mit rund 40.000 ehemalige Strafgefangene, die für Wagner an die Front geschickt wurden. "Nur rund 10 Prozent überleben", sagte Militärhistoriker Chris Owen mit Hinblick auf Angaben aus russischen Telegram-Kanälen. Bürgerrechtler sprachen davon, dass nur rund ein Fünftel der Ex-Insassen noch am Leben sei, laut anderen Quellen soll es rund die Hälfte sein.
Hinter den hohen Verlusten bei den Freiwilligen steckt kaltblütige Berechnung. Prigoschins Schattenarmee verheizt diese relativ untrainierten Einheiten bei Anstürmen auf ukrainische Verteidigungslinien. Sie werden als erste vorgeschickt, kommen unter Beschuss und nur wenn die ukrainischen Stellungen aufgedeckt sind und ein richtiger Vorstoß erfolgversprechend scheint, setzen die ausgebildeten und bestens ausgestatteten "echten" Söldner nach. So werden die Verluste unter den erfahrenen Kämpfern minimiert, doch die Freiwilligen bezahlen dafür mit ihrem Blut.
Und: Für die rekrutierten Gefangenen gibt es keinen Rückzug aus dem Gefecht. Wer kehrt macht, wird von den hinter ihnen postierten Söldnern erschossen.
Die Kämpferzahl von Prigoschins Schattenarmee schwindet also so schnell wie sie angewachsen ist. Das weiß auch der Söldner-Chef: "Irgendwann wird die Zahl der Einheiten sinken und als Konsequenz auch das Volumen der Aufgaben, die wir ausführen wollen", warnt er in Richtung Kreml. Über viele Monate hinweg war der Frontabschnitt der Wagner-Söldner der einzige, wo die russische Seite noch in der Offensive war.
Leitung von "Trollfabrik" zugegeben
Der Chef der Söldnertruppe hatte kürzlich auch erstmals die Gründung einer berüchtigten "Trollfabrik" eingeräumt. Er habe die Internet Research Agency in St. Petersburg "erschaffen und lange Zeit geleitet", erklärte Prigoschin am Dienstag. Aufgabe der Agentur sei es gewesen, Russland vor der "aggressiven Propaganda der antirussischen Thesen des Westens" zu schützen.
Als Trolle werden Internetnutzer bezeichnet, die bewusst Online-Diskussionen stören und die Atmosphäre in Chatrooms vergiften. Der Internet Research Agency werden Desinformationskampagnen im Netz und die Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 vorgeworfen.