Ukraine

Vertriebene: Darum gibt es kein Verhandeln mit Putin

Bald jährt sich der Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Europa sehnt sich nach Frieden – doch zu welchem Preis kann es diesen geben?

Roman Palman
Wladimir Putin bei der Inspektion von mobilisierten Reservisten in der westlichen Oblast Rjasan im Oktober 2022.
Wladimir Putin bei der Inspektion von mobilisierten Reservisten in der westlichen Oblast Rjasan im Oktober 2022.
Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kreml via REUTERS

Die Mehrheit der Österreicher meint in einer aktuellen "Heute"-Umfrage, die Ukraine müsse jetzt Friedensgespräche führen. Dafür solle Präsident Wolodymyr Selenskyj, wenn nötig, auch bereits besetzte Gebiete im Süden und Osten des Landes an Kriegstreiber Wladimir Putin abtreten.

Doch wir haben das nicht zu entscheiden und in der wehrhaften Ukraine selbst sieht das Stimmungsbild ganz anders aus, wie eine Vertriebene am Montag eindrücklich im ORF-Radio Ö1 schildert:

"Dafür bin ich Österreich am meisten dankbar"

"Man sagt: Die Zeit heilt alle Wunden. Das ist wirklich so, wir fühlen uns jetzt ein bisschen wohler, aber das heißt nicht, dass alles schon vorbei ist. Wenn man in Gedanken vertieft ist, dann fühlt man diesen Schmerz immer noch. Und der Schmerz ist noch genauso groß wie vor einem Jahr", beschreibt Alisa Khokhulya im "Morgenjournal" ihre jetzige Situation.

Sie ist am Tag des russischen Einmarsches mit ihren beiden Kindern aus der Ukraine geflohen, wohnt seither in Wien. Obwohl die Zweifach-Mama perfektes Deutsch spricht, sei es "schwierig" gewesen, sich hier einzuleben. Mittlerweile hätten sie diese Herausforderung aber gemeistert. Ihre jüngste Tochter (5) wird gerade eingeschult und ihre älteste (8) besucht eine normale Schule und wird auch schon benotet. "Ich glaube, den Kindern geht es am besten hier und dafür bin ich Österreich am meisten dankbar."

"Wir wissen nicht, wie es weitergeht"

Sie selbst habe das gesamte letzte Jahr innerlich damit beschäftigt, ob ihre Familie jemals wird nach Hause zurückkehren können, oder nicht. Ihre Heimat ist Cherson im Süden der Ukraine, direkt an der Landverbindung zur Halbinsel Krim. Beinahe die gesamte Region steht seit den ersten Kriegstagen unter russischer Besatzung, wurde nach Scheinreferenden sogar von Wladimir Putin illegal zu russischem Staatsgebiet erklärt.

"Es ist eine Region, die momentan immer noch sehr schwer leidet. Die Eltern meines Mannes wohnen in einer immer noch okkupierten Stadt", sagt Khokhulya. Dennoch hätte sie bislang immer das Gefühl gehabt, irgendwann wieder zurückkehren zu können. "Wenn ich meine Stadt anschaue, sehe ich, dass dieser Weg noch sehr lange ist. Das einzige, was ich mir wünsche für mich und meine Kinder ist, hier in Österreich eine Perspektive zu bekommen."

"Keiner hat uns gefragt, ob wir das wollen, oder nicht. Wir wollen das gar nicht" – Alisa Khokhulya

Das heiße aber nicht, dass ihr nun Angebote zugetragen werden sollen, sondern sie wünsche sich vom österreichischen Staat die Klarheit, was etwa nach dem Auslaufen ihrer Vertriebenenkarte passiert. "Wir wissen nicht, wie es weitergeht und irgendwann ist das sehr belastend."

"Verhandeln ist grünes Licht für Verbrechen"

Dass in Europa immer mehr Stimmung gegen Waffen- oder Panzer-Lieferungen an die Ukraine aufkomme, sehe sie mit Sorge. Und: Im Gegensatz zu den meisten Österreichern stellt sich die Ukrainerin aber entschieden gegen Friedensverhandlungen mit dem Despoten im Kreml.

"Die Idee von Verhandeln beispielsweise existiert in unserem Kopf gar nicht. Verhandeln ist ein grünes Licht für Verbrechen", erklärt Khokhulya. Die bisherigen Opfer ihrer Landsleute wären dann umsonst gewesen.

"Für uns ist es so, dass wenn man Verhandlungen zustimmt, dann heißt das für mich zum Beispiel, dass meine Region, aus der ich ursprünglich komme, russisch bleibt. Und keiner hat uns gefragt, ob wir das wollen, oder nicht. Wir wollen das gar nicht."

Die Frage darf also nicht lauten "Soll die Ukraine weiterkämpfen?" sondern: "Wann hört Putin endlich auf?"

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    Bilder von der Schlacht um Bachmut im Osten der Ukraine, 2022.
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    Libkos / AP / picturedesk.com
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      Fotos: iStock; Sabine Hertel
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