Kritik an MA 11

Vernachlässigung, Gewalt: 657 Kinder in Wien abgenommen

Immer mehr Kinder werden in die Obhut von Pflegeltern oder in betreute WGs gebracht. Im Vorjahr gab es einen neuen Rekord. Kritik kommt von der VP! 

Thomas Peterthalner
Vernachlässigung, Gewalt: 657 Kinder in Wien abgenommen
In Wien gibt es immer mehr Kindesabnahmen durch die MA11.
Getty Images (Symbolbild)

Überforderte Erwachsene, vernachlässigte Kinder: Immer öfter wird Eltern in Wien der Nachwuchs abgenommen. Die Kurve zeigt steil nach oben: Im Vorjahr 2023 gab es 657 Kindesabnahmen durch die MA 11 – ein neuer Rekord!

Ein Jahr zuvor waren es 636 Abnahmen, im Jahr 2021 gab es 597 Abnahmen. In den letzten fünf Jahren gab es einen Anstieg um 12,5 Prozent. Das ergab nun eine Anfrage von  VP-Landtagsabgeordneter Sabine Keri an Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos).

Polizei und Schule meldeten Gefährdung

Die betroffenen Kinder wurden in betreuten Wohngemeinschaften oder bei Pflegeeltern untergebracht. Die meisten Gefährdungsmeldungen kamen in den letzten Jahren laut MA 11 von Polizei oder Schule, nur 4 Prozent waren Selbstmeldungen aus betroffenen Familien. Genau hier müsste man ansetzen, meint VP-Abgeordnete Keri.

Gefährdungsmeldungen an die MA 11 in Wien.
Gefährdungsmeldungen an die MA 11 in Wien.
Stadt Wien/MA 11

"Manche Fälle vermeidbar"

Kindesabnahmen wären in manchen Fällen vermeidbar, so Keri. Oft hätten überforderte Eltern Angst vor einer Kindesabnahme und würden deshalb nicht die MA 11 um Hilfe bitten. "Es braucht eine Investition in die Prävention", so Kerri. Abnahmen sollten das letzte Mittel sein, es bräuchte eine Alternative. Ähnlich wie bei den SOS Kinderdörfern sollte auch von der MA 11 ein betreutes "Eltern-Kind-Wohnen" angeboten werden. "Wo einem der Weg gezeigt wird, wie es geht." 

Vernachlässigung, Gewalt auf Platz 1

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MA 11 schritten im Jahr 2022 am Häufigsten wegen Vernachlässigung (55%), psychischer Gewalt (28%) und körperlicher Gewalt (16%) ein. Nur ein Prozent der Gefährdungsgründe betraf sexuelle Gewalt – immer noch ein großes Tabuthema.

Staatsbürgerschaft nicht ausgewertet

Sabine Keri kritisiert, dass viele Daten laut Vizebürgermeister Wiederkehr gar nicht ausgewertet werden. So ist angeblich nicht ersichtlich, welche Staatsbürgerschaft die Eltern eines abgenommenen Kindes haben oder bei wie vielen Kindesabnahmen im Vorfeld "Frühe Hilfe" in Anspruch genommen wurde. 

Verurteilung statt Hilfe

Die Wiener VP fordert daher nun eine "ordentliche und lückenlose Datenerhebung und Datenauswertung in der MA 11". Mit den betroffenen Eltern sollten auch schaffbare Zielvereinbarungen ausgearbeitet werden. "Wir beurteilen nicht, ob eine Abnahme von Kindern gerechtfertigt oder ungerechtfertigt war. Wir stellen fest, dass das Vertrauen in die MA 11 immer mehr verloren geht. Wir sehen Menschen, die sich an die MA 11 wenden, um Hilfe zu bekommen, aber statt Unterstützung von Verurteilung erzählen", so Keri. 

"Mitarbeiter arbeiten gewissenhaft!"

"Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe ist stets darum bemüht, die Rechte und das Wohl von Kindern zu schützen und sicherzustellen, dass Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls getroffen werden", heißt es dazu aus dem Büro von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). "Wir möchten betonen, dass sämtliche Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen von Kindesabnahmen durch die WKJH auf umfassenden rechtlichen Grundlagen und fachlichen Standards basieren. Unsere Mitarbeiter*innen arbeiten gewissenhaft und im Einklang mit geltenden Recht, um die Sicherheit und das Wohlergehen von gefährdeten Kindern zu gewährleisten." Jede Maßnahme, bei der die Eltern nicht zustimmen, werde dem Gericht übermittelt. Die Eltern haben zudem ein Recht auf eine Eilüberprüfung durch ein Gericht.

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    Helmut Graf

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Zahl der Kindesabnahmen durch die MA 11 in Wien ist im letzten Jahr gestiegen, was zu Kritik und Forderungen nach besseren Präventionsmaßnahmen der Wiener VP geführt hat
    • Die meisten Eingriffe der MA 11 erfolgten aufgrund von Vernachlässigung und psychischer Gewalt, während die VP eine umfassendere Datenerhebung und einen besseren Rechtsschutz für betroffene Eltern fordert
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