Ukraine
Ukraine-Wende? Heeres-Oberst sagt letztes Gefecht an
Bundesheer-Oberst Sandtner analysierte Freitagnacht die Lage um die Stadt Bachmut. Er sieht das letzte Gefecht dort unmittelbar bevorstehen.
Seit Monaten wird um die Stadt Bachmut schon erbittert gekämpft. Jeden eroberten Meter haben sich die Russen mit viel Blut erkauft, die Ukrainer halten weiter dagegen. Die Belagerung wurde von Analysten nicht selten mit den brutalen Stellungskämpfen des Ersten Weltkriegs verglichen.
Inzwischen soll die Stadt beinahe komplett von russischen Truppen und den Söldnern der Gruppe Wagner umschlossen sein. Der Chef von Putins Schattenarmee, Jewgenin Prigoschin, erklärte am Freitag, dass "nur eine Straße" aus dem Kessel für die Ukrainer noch offen sei. Der Fall der Donbass-Festung könnte also kurz bevor stehen, die Ukrainer sollen sich auf dem Rückzug befinden.
Erste Anzeichen für einen Rückzug der Ukrainer sieht auch Oberst Berthold Sandtner von der Landesverteidigungsakademie des österreichischen Bundesheeres darin, dass viele Brücken über den dortigen Fluss zerstört und neue Befestigungslinien im Westen errichtet worden. "Das sind starke Indikatoren, dass sich diese russische Schlinge zur Zeit wirklich schon ziemlich eng zusammenzieht." Das letzte Gefecht könnte hier unmittelbar bevorstehen.
"Es ist eine Mondlandschaft"
Doch was gewinnt der Kreml dadurch? "Der gesamte Donbass ist im Prinzip ein komplett entvölkertes Land, ein völlig zerstörtes Land. Es ist eine Mondlandschaft", zeichnet der Offizier in der ZIB2 ein düsteres Lagebild. Die Eroberung der Geisterstadt Bachmut habe für den Kreml eine strategisch-politische und einer militärstrategischen Bedeutung.
"Wladimir Putin hat letzten April nach dem gescheiterten Blitzkrieg, die Devise ausgegeben, den Donbass zu 'befreien'. Man hat ihn politisch widerrechtlich angeschlossen, aber militärisch noch immer nicht. Bachmut ist ein weiterer Schritt in die Tiefe des Donbass", erklärt der Militärexperte die politische Agenda Putins.
"Nicht nur auf den Donbass schauen"
Für die Ukraine sei es ähnlich wie in Mariupol oder den Schwesternstädten Sjewjerodonezk und Lyssytschansk darum gegangen, hier so lange wie möglich keinen Zentimeter nachzugeben.
Das spielt auch den militärstrategischen Zielen der Russen in die Hände, sagt Sandtner. Diesen sei es darum gegangen, möglichst viele ukrainische Soldaten in Bachmut zu binden, was vor allem an anderen Frontabschnitten im Westen die Offensivfähigkeit der Verteidiger eingeschränkt hätte.
Der Heeres-Oberst sieht im Fall Bachmuts nun den Anfang der russischen Frühlingsoffensive kommen. "Man darf sich aber nicht täuschen lassen und nur auf den Donbass schauen", mahnt er. Auch im Süden und Norden würden jetzt weitere Kräfte des Kremls herangeführt. "Es sind auch offensichtlich nicht alle Kräfte von dieser Mobilmachung im September eingesetzt. Man muss also schon auch ein Auge darauf haben, wo die Russen sonst noch vorgehen können. Die russische Offensive hat aber sicherlich begonnen."
Ukrainern fehlt es "an allem"
Bei den Ukrainern wird es hingegen "noch länger dauern", bis genügend Personal und Material für einen Gegenschlag gesammelt sind. Dafür brauche es auch westliche Waffen.
"Man könnte sagen, der Ukraine fehlt es an allem", sagt Sandtner zu den notwendigen Nachschublieferungen. "Es geht darum, ständig das nachzuschieben was verbraucht wird". Das größte Thema seien gar nicht die Panzer oder Fliegerabwehr, sondern die Munition, vor allem für die Artillerie.
"Die Dimensionen sind gewaltig"
"Da herrscht der große Mangel. Die Dimensionen sind gewaltig", so der Experte. Den "ungeheuren Verbrauch" könne man sich gar nicht vorstellen." Deshalb wollen die USA die Munitionsproduktion jetzt auch massiv hochfahren. Bisher seien weder die Kapazitäten der Amerikaner noch Europas in der Lage solche Mengen zu produzieren.
Da habe Russland sogar einen "leichten Vorteil" errungen, da man dort schon früher auf Kriegswirtschaft umgestellt habe und auch auf dem Schlachtfeld nun die Initiative habe. "Man hatte relativ große [Munitions-]Lager. Aber auch die russischen Bestände sind endlich."