Ukraine

Wladimir Putins Atom-Drohungen laufen aus dem Ruder

Kreml-Despot Wladimir Putin wirft mit immer schärferen Atom-Drohungen um sich und lässt seine nuklearfähigen Streitkräfte Manöver abhalten.

Roman Palman
Das russische Raketen-Atom-U-Boot "K-18 Karelia" während einer Übung in der Barentsee. Archivbild 2018.
Das russische Raketen-Atom-U-Boot "K-18 Karelia" während einer Übung in der Barentsee. Archivbild 2018.
Lev Fedoseyev / Tass / picturedesk.com

Es sind Schlagzeilen, die Angst machen: "Atom-Schiffe in Stellung, Nuklear-Bomber in der Luft! Was plant Putin?", titelte etwa Deutschlands reichweitenstärkste Zeitung "Bild" am Mittwoch.

Die Schreckensmeldungen sollen auf dem Jahresbericht des norwegischen Geheimdienstes basieren, wonach Wladimir Putin atomwaffenfähige Schiffe in der Barentssee nördlich von Norwegen in Stellung gebracht habe. "Ein zentraler Teil der nuklearen Kapazitäten befindet sich auf den U-Booten der Nordflotte und Oberflächenschiffen", urteilen die Norweger.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Ukraine-Krieg auf einen Blick >

Und am Montag dann kam es zu einer Konfrontation von US-Kampfjets und zwei russischen Bombern Typ Tu-95 nahe Alaska. Zwei F-16 fingen die beiden Bomber noch in internationalem Luftraum ab und eskortierten sie aus der sogenannten Luftverteidigungsidentifikationszone. Auch die Tupulew-Bomber können mit Atomwaffen bestückt werden. 

Zwei Tu-95 Bomber der russischen Luftstreitkräfte im Rahmen der Siegesparade zum Weltkriegsende im Jahr 2018.
Zwei Tu-95 Bomber der russischen Luftstreitkräfte im Rahmen der Siegesparade zum Weltkriegsende im Jahr 2018.
YURI KADOBNOV / AFP / picturedesk.com

Das nukleare Säbelrasseln Russlands wird also immer lauter. Anders als es die "Bild"-Headline aber suggeriert, dürften weder die Schiffe und U-Boote noch die beiden Bomber mit Atomwaffen bestückt gewesen.

Der norwegische Geheimdienstbericht spricht in seinem Bericht nicht über eine akute Situation sondern die allgemeine Bedrohungslage, die sich durch den Krieg in der Ukraine verschärft habe. Darin heißt es etwa, dass die konventionellen Streitkräfte Russlands durch die hohen Verluste bei ihrer Invasion "erheblich geschwächt" worden sind.

"Mit geschwächten konventionellen Fähigkeiten hat die Bedeutung von Atomwaffen für Russland erheblich zugenommen. Strategische und regionale Abschreckungskräfte sind daher für die Russen immer wichtiger geworden. Taktische Atomwaffen bilden eine besonders ernsthafte Bedrohung in mehreren Einsatzszenarien, die auch NATO-Staaten einbeziehen." Eben weil ein großer Teil der nuklearen Kapazität bei der Nordmeer-Flotte liege, werde diese immer wichtiger.

Klar ist: Wladimir Putin droht dem Westen mit Atomwaffen. Allerdings dürfen diese jüngsten Drohgebärden nicht überbewertet werden. 

1/32
Gehe zur Galerie
    Bilder von der Schlacht um Bachmut im Osten der Ukraine, 2022.
    Bilder von der Schlacht um Bachmut im Osten der Ukraine, 2022.
    Libkos / AP / picturedesk.com

    "Wenn er es tut, dann ...."

    "Russland kommt militärisch am Boden in der Ukraine nicht voran und versucht es mit Einschüchterung und psychologischer Kriegsführung mit nuklearen Anspielungen", sagt etwa Nico Lange, der bis 2021 Chef des Leitungsstabs im deutschen Verteidigungsministerium war, gegenüber "Bild". Er mahnt, dass der Westen weiter geschlossen zur Ukraine stehen müsse.

    "Russland spielt sehr gerne mit unseren Atomängsten", weiß auch Sergej Sumlenny: "Solche Manöver kosten wenig und haben große mediale Wirkung. Dabei müssen die Crews sowieso ab und zu trainiert werden." Aber Moskau wisse, dass man durch das Schüren von Eskalationsängsten die westliche Einheit aufbrechen könne.

    Dass Putin wirklich zu Nuklearwaffen zum Einsatz bringt, hält der Osteuropa-Experte zumindest in der nahen Zukunft für unwahrscheinlich: "Wenn er es tut, wird er das nicht tun, weil der Westen ihn 'provoziert' hat, sondern weil er glaubt, er kann ohne Konsequenzen davonkommen."

    1/7
    Gehe zur Galerie
      Mit einem dramatischen Video will das Außenministerium zeigen, was die Folgen eines Atombomben-Abwurfs über Wien wären.
      Mit einem dramatischen Video will das Außenministerium zeigen, was die Folgen eines Atombomben-Abwurfs über Wien wären.
      Screenshot BMEIA

      Allgegenwärtiges Misstrauen gegenüber dem Westen

      "Je schwächer die konventionelle Abschreckung, desto stärker meint Russland, auf die nukleare Abschreckung angewiesen zu sein", analysiert auch Thomas Jäger, Professor für internationale Politik an der Uni Köln, die aktuelle Situation. "Abschreckung sichern und Angst verbreiten sind die beiden Seiten von Nuklearwaffen" – allerdings habe niemand vor, Russland direkt anzugreifen.

      Im Kreml sieht man das offenbar anders: "Russische Entscheidungen sind von starkem Misstrauen gegenüber westlichen Absichten geprägt. Diese Wahrnehmung hat sich durch die Reaktion des Westens auf den Einmarsch in der Ukraine verschärft", so die Norweger dazu.

      Nukleare Abschreckung hat für Putin oberste Priorität

      Dass die nukleare Abschreckung für Russland weiterhin höchste Priorität habe, "wird uns dauerhaft noch Kopfzerbrechen bereiten", sagt Frank Sauer dem ZDF. 

      1/5
      Gehe zur Galerie
        Eine Panzerhaubitze vom Typ M-109 A5Ö aus den früheren Beständen des österreichischen Bundesheeres wurde in der Ukraine in Trümmer geschossen.
        Eine Panzerhaubitze vom Typ M-109 A5Ö aus den früheren Beständen des österreichischen Bundesheeres wurde in der Ukraine in Trümmer geschossen.
        Twitter/Ukraine Weapons Tracker

        Denn Russland baut seine atomaren Fähigkeiten immer weiter aus, so steht es auch in dem norwegischen Geheimdienstbericht. Der Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München mit Schwerpunkt nukleare Abschreckung sieht den Kreml immer weiter aufrüsten.

        "Wahnsinnige Rüstungsprojekte" laufen aus dem Ruder

        "Da gibt es wahnsinnige Rüstungsprojekte wie 'Poseidon', eine nukleare Unterwasserdrohne", so Sauer. Der vor fünf Jahren vorgestellte Torpedo sei in der Lage, mit radioaktiven Tsunamis ganze Küstenregionen auszulöschen. Nun solle zum ersten Mal ein U-Boot damit bestückt werden. "Das hätte man selbst zu den schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges für durchgeknallt gehalten. Diese Aufrüstung ist in Russland total aus dem Ruder gelaufen."

        Die anhaltenden Drohmanöver und Aufrüstung bergen auch eine große Gefahr in sich, vor der auch Norwegens Geheimdienst warnt: "Sowohl die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen zwischen Russland und der NATO als auch von unbeabsichtigten Ereignissen steigt, was wiederum das Eskalationsrisiko erhöht."

        1/6
        Gehe zur Galerie
          Die ostukrainischen Städte Bachmut und Soledar sind aktuell heiß umkämpft.
          Die ostukrainischen Städte Bachmut und Soledar sind aktuell heiß umkämpft.
          REUTERS
          1/50
          Gehe zur Galerie
            <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
            21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
            privat, iStock
            An der Unterhaltung teilnehmen