Ukraine

Heer-Oberst Reisner treibt Putins Schreckgespenster aus

Wladimir Putin will mit immer schärferen Drohungen Angst und Schrecken unter den Bürgern des Westens verbreiten. Dabei verfolgt er ein perfides Ziel.

Roman Palman
Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Screenshot ORF

Zum "Ghostbuster" der anderen Art wurde am Sonntag Oberst Markus Reisner im ORF-Talk "Im Zentrum". Der Leiter der Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt rückte dabei aber Wladimir Putins Schreckgespenstern nicht mit funkensprühender Strahlenkanone sondern mit gewohnt nüchterner Sachlichkeit zu Leibe.

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"Kriege im 21. Jahrhundert werden vor allem auf der psychologischen Ebene geführt. Das heißt, beide Seiten versuchen hier ganz gezielt zu beeinflussen. Und Russland im Speziellen spielt hier mit unseren Ängsten", erklärt der Militärstratege dabei die Äußerungen und Drohungen aus dem Kreml. 

Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Screenshot ORF

Dabei geht es aber längst nicht nur um die nukleare Katastrophe, die von Putin in den Raum gestellt wird, sondern auch um die Warnungen vor einem wirtschaftlichen Kollaps des Westens und der Umstand der massiv behinderten Getreideexporte in Richtung Afrika, was Hungersnöte und verstärkte Migration auslösen würde. 

"Russland spielt genau diese Themen an und immer wieder holt der Präsident sie aus der Schublade und zeigt uns diese Drohungen. Bezeichnend ist auch dieser Nebensatz: 'Und das ist kein Bluff!' so nach dem Motto 'Ich meine es wirklich ernst mit euch'!", räumt Reisner mit Putins Angstszenarien auf.

Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Screenshot ORF

Atomwaffen-Einsatz nur (leere) Drohung

Er rechnet jedenfalls nicht mit einem tatsächlichen Atomwaffen-Einsatz. Sowohl die Russen als auch Amerikaner und andere Mächte seien sich des Risikos einer Eskalationsspirale spätestens seit dem Kalten Krieg sehr wohl bewusst und würden auch jetzt noch darüber in ständiger Verbindung stehen.

Das Hochschaukeln nuklearer Drohungen sei "wie ein Tanz" zu verstehen. "Auch Russland wird sich sehr genau überlegen, eine solch gefährliche Waffe einzusetzen." Ein Atomwaffeneinsatz wäre jedenfalls – egal in welchem Umfang – eine solche Ultima Ratio, "dass man nur sehr schwer wieder zurück kann". 

"Es läuft nicht gut, doch Russland ist noch nicht in der Defensive". Und: Zudem habe die russische Armee ihr konventionelles Arsenal noch nicht so weit leergeschossen, dass sie damit auf dem Schlachtfeld nichts mehr bewirken könne. Warum also sollte Putin zu so einer gefährlichen Waffe greifen, solange er andere Möglichkeiten habe, so die Überlegung des Bundesheer-Offiziers.

Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Bundesheer-Oberst und Militärstratege Markus Reisner war am 16. Oktober 2022 zu Gast in Claudia Reiterers ORF-Talkshow "Im Zentrum".
Screenshot ORF

Krieg wird in unseren Köpfen entschieden

Reisner betont: Dieser Krieg werde voraussichtlich nicht auf dem Schlachtfeld entschieden, sondern in den Köpfen der Bürger in den Heimatländern. "Die Unterstützung der Ukraine ist von unserer Unterstützung abhängig und Russland möchte das verhindern und einen Keil hineintreiben. Darum zielt [Putin] auf unsere Haltung und unser Denken. Dieses Denken kann er nur angreifen, wenn er Angst erzeugt. Er hat sonst keine andere Möglichkeit das zu tun."

Die Ukraine selbst kann diesen Krieg nicht ohne Unterstützung weiterführen. Putin handle bei seinen Drohungen also "sehr rational", ist sich der Militärstratege sicher. "Wann immer es den Russen auf dem Gefechtsfeld schlechter geht, und das ist in den letzten Monaten ja vermehrt der Fall gewesen, dann zieht er diese Karte und zeigt sie uns. Und wir sind wieder nervös und wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen."

Putin schießt sich auf Zivilbevölkerung ein

Die kommenden Monate würden für die Ukraine aber auf jeden Fall sehr hart. Putin hat sich in Folge des Anschlags auf die Krim-Brücke an seinem 70. Geburtstag darauf verlegt, mit Raketen und Kamikaze-Drohnen die zivile Infrastruktur zu vernichten.

Alleine in den letzten Tagen wurde rund ein Drittel der Storm-Infrastruktur des Landes schwer beschädigt oder zerstört. Ganze Städte und Regionen sind von Blackouts betroffen, die Regierung in Kiew hat alle Bürger zum Energiesparen aufgerufen.

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    Aufnahme eines AFP-Pressefotografen in Kiew einer anfliegenden Kamikaze-Drohne vom Typ "Shahed-136" am 17. Oktober 2022.
    Aufnahme eines AFP-Pressefotografen in Kiew einer anfliegenden Kamikaze-Drohne vom Typ "Shahed-136" am 17. Oktober 2022.
    YASUYOSHI CHIBA / AFP / picturedesk.com

    "Das Verheerende ist, dass das erste Mal eine ganz klare Strategie erkennbar war: der Angriff auf die Infrastruktur. Die Infrastruktur, die die Ukraine braucht, um den Winter überleben zu können: Energieknotenpunkte, Wärmekraftwerke", analysiert Reisner. Die Russen würden damit ganz gezielt auf die Bevölkerung einwirken.

    Die Aussichten seien düster: "Man kann sich ausmalen, was es bedeutet, wenn vor dem Winter es zu nachhaltigeren Zerstörungen über diese 30 Prozent hinaus kommt. Dann ist das natürlich verheerend, vor allem für die Bevölkerung selbst."

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