Tiere
Türkis-Grün schweigt zu Wolf und Wilderei im Land
Kurt Kotrschal hat sich das aktuelle Regierungsprogramm angesehen. Sein Fazit: Sieht düster aus für Wölfe und andere geschützte Wildtiere.
(Kolumne/Text von Kurt Kotrschal; Wolfsexperte, Verhaltensforscher und Biologe.)
„"Dass die Schwarz-Türkisen kein Interesse an einer Änderung dieses Missstands haben, ist angesichts ihrer Verfilzung mit Landwirtschaft und Jagd verständlich. Dass aber die Grünen dabei mitmachen..."“
Was wäre wenn? Mit einem schönen Traum ins neue Jahr...
Die Feiertage waren geruhsam und nahrhaft, das Neue Jahr beginnt daher mit einem wohligen Gefühl. Zumal sich die neue Bundesregierung vorgenommen hat, Klimaneutralität in Österreich bis 2040 zu erreichen.
Das ist zwar nicht besonders realistisch, aber träumen wird man wohl noch dürfen. Und man hat sich entschlossen, endlich mit dem Artenschutz ernst zu machen. Unverzüglich wird die kleinräumige Landwirtschaft massiv unterstützt, den Feldern werden ihre Raine, Unkräuter und Hecken zurückzugeben, den Flüssen ihre Auen, und Boden wird nur noch in dem Ausmaß verbraucht, wie bereits verbaute Flächen renaturiert werden.
Wolf, Bär, Luchs und Greifvogel geht es ab sofort sehr gut im Lande. Es ist sichergestellt, dass nicht mehr gewildert und vergiftet wird und Landwirte und Jäger werden zu Ökosystem-Managern. Die Gesellschaft ist ihnen als Garanten einer gesunden Umwelt, einer reichhaltigen Tier- und Pflanzenwelt und als Beschützer der großen Beutegreifer dankbar und bezahlt ihnen daher viel bessere Preise für ihre wertvollen Produkte.
Damit können unsere Kinder und Enkel in einem Land leben, das nicht nur so aussieht, als wäre die Natur intakt.
Die großartigen Veränderungen merkt man besonders an den Wölfen. Bis Ende 2020 werden mindestens zehn Rudel in Österreich leben, in 10 Jahren etwa 100. Dabei nehmen die Konflikte mit den Bauern ab, weil konsequenter Herdenschutz die Wölfe davon abhält, Schafe zu reißen, wie das 2019 und zuvor noch der Fall war. Sie halten sich vielmehr an die dichten Wildbestände. Deswegen haben auch Jäger und Forstwirte den Wolf als Partner schätzen gelernt. Er hilft ihnen, die zuvor viel zu hohen Schalenwilddichten in Zaum zu halten. Wölfe reißen etwa kranke Wildschweine, daher breitet sich die gefürchtete afrikanische Schweinepest kaum aus und es gibt viel mehr natürliche Verjüngung im Wald. Und seit nicht die Wölfe gejagt werden, sondern mit den Wölfen, sind die Hirsche kräftiger, die Rehe gesünder geworden.
Die Leute in den Wolfsgebieten haben sich an die Wölfe gewöhnt und eingesehen, dass ihnen und den Kindern keine Gefahr droht. Man will lieber mit einer intakten Natur zu leben, als in einer Landschaft, die nur noch menschlichen Wirtschaftsinteressen dient.
Realität: Böses Erwachen mit dem Regierungsprogramm!
Leider war das ein schöner Traum. In der Realität bin ich aufgewacht durch die Lektüre des Regierungsprogrammes. Darin ist zwar einiges zur Ökologisierung der Landwirtschaft zu lesen, Respekt! Aber wenig zu Natur- und Artenschutz, gar nichts zu Wolf, Bär, Luchs, Fischotter, Biber und Greifvögel, nichts zur schrecklichen Wilderei im Lande – als gäbe es kein katastrophales Artensterben.
„Im Regierungsprogramm wird die „Biodiversitätsstrategie 2020" zitiert, ein Wischi-waschi aus dem früheren Landwirtschaftsministerium. “
Schöne Worte und Absichten, die schon in der Vergangenheit nicht funktionierten. Im Gegenteil: Während man im letzten Jahrzehnt diese Strategie eigentlich hätte umsetzen sollen, starben uns vor der Haustüre Fauna und Flora so rasch wie nie zuvor aus; die gerade eingewanderten Wölfe und Luchse werden wieder weniger, von den bereits vor 20 Jahren ausgerotteten Bären ganz zu schweigen.
„Man kann aber nicht das Klima schützen und gleichzeitig Wölfe, Luchse und Greifvögel abschießen. “
Das muss sich wohl erst im Lande durchsprechen, vor allem auch bei den Grünen. Dass die Schwarz-Türkisen kein Interesse an einer Änderung dieses Missstands haben, ist angesichts ihrer Verfilzung mit Landwirtschaft und Jagd verständlich. Dass aber die Grünen dabei mitmachen, erklärt sich wohl am ehesten durch ihre mangelnde Artenschutzkompetenz.