Österreich
Trans-Frau – "Mitschüler haben meine Haare angezündet"
Steffi Stankovic wurde als Bub geboren, heute lebt sie als Trans-Frau in Wien. Im "Heute"-Interview erzählt sie über ihre Umwandlung und Übergriffe.
Steffi Stankovic wurde 1992 in einem kleinen Dorf in Serbien geboren, kam mit 18 Jahren nach Wien und lebt seitdem als Trans-Frau. Von Kindheit an war die heute 30-Jährige daran gewöhnt, diskriminiert zu werden: "Meine Mutter ist Rumänin, mein Vater Serbe. Wir gehörten zur Minderheit der Walachen und wurden daher ausgegrenzt", erzählt Stankovic im Gespräch mit "Heute".
Bis zur anerkannten Trans-Aktivistin, die schon zahlreiche Medien-Auftritte absolviert hat, war es ein weiter Weg: "Ich war immer das komische Kind – ich war kein Junge, sondern wie ein Mädchen. Schon in der Volksschule, so mit acht, neun Jahren, habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt", berichtet die Make-up-Artistin.
„"Auf einmal war klar: Ich bin nicht allein, es gibt noch viele wie mich – das war befreiend!" - Steffi Stankovic“
Für ihre Familie war klar, dass sie "wie ein Mädchen ist. Aber es wurde niemals ausgesprochen." Stankovic spielte mit Barbie-Puppen, trug einen "Spice Girls"-Rucksack und verstand nicht, warum sie nicht die gleichen Dinge tun durfte wie ihre zwei Jahre jüngere Schwester: "Ich fragte: 'Warum darf ich kein Bikini-Oberteil tragen?' Ich habe immer so empfunden, als wären meine Schwester und ich gleich gestellt."
Mit dem Aufkommen des Internets und durch eine Sendung über Trans-Personen in einer deutschen Talkshow begann Stankovic zu recherchieren: "Auf einmal war klar: Ich bin nicht allein, es gibt noch viele wie mich – das war befreiend!", erinnert sich die 30-Jährige.
„" Im Gymnasium wurde ich gehänselt, beschimpft, geschlagen, mit einem Messer bedroht und sogar meine Haare wurden angezündet" - Steffi Stankovic“
Um der Enge des Dorfes und ihrer Familie zu entkommen, bewarb sich Stankovic für ein Stipendium an einem Kunst-Gymnasium in Belgrad – mit Erfolg. Sie zog mit 14 Jahren in eine kleine Wohnung in der serbischen Hauptstadt, wurde dort zeitweise von ihrer Mutter betreut und musste am Wochenende immer wieder in ihr 180 Kilometer entferntes Heimatdorf.
Stankovic hatte sich durch die neue Freiheit eine Verbesserung erhofft, aber das Gegenteil war der Fall: "Ich wurde dort in der Schule sehr gemobbt. Ich wurde gehänselt, beschimpft, geschlagen, mit einem Messer bedroht, und sogar meine Haare wurden angezündet. Auf Facebook wurden Fake-Profile mit Fotomontagen von mir erstellt, Mitschüler konnten sich in den Kommentaren über mich auslassen."
„"In Wien führte ich ein Doppelleben. Auf der Uni war ich Steffi, mit Make-Up, weiblicher Frisur und Handtasche. Aber für meine Eltern war ich noch Stefan" - Steffi Stankovic“
Die Jugendliche verbarg die Probleme vor ihren Eltern: "Ich hatte Angst und erzählte meinen Eltern nichts davon. Erst als meine Noten schlechter wurden, kam alles heraus. Die Polizei wurde eingeschalten und meine Eltern waren an der Schule dann sehr präsent. Schließlich wurde ich immer selbstbewusster, meine Mitschüler fingen an, Respekt vor mir zu haben."
Da Stankovic wusste, dass ein Leben als Frau in Serbien unmöglich war, ging sie nach der Matura nach Wien, um dort Kunstgeschichte zu studieren – ein Vorwand: "Ich führte damals ein Doppelleben. Auf der Uni war ich Steffi, mit Make-Up, weiblicher Frisur und Handtasche. Aber für meine Eltern war ich noch der 'Sohn', den sie geglaubt haben, zu haben. Ich trug kein Make-Up, hatte eine andere Frisur, trug nur Nagellack."
Outing führte zu Scheidung der Eltern
Bis 2011 ging die Täuschung gut: "Eines Tages kamen dann meine Eltern unangekündigt bei mir vorbei. Da musste ich mich natürlich outen. Das kam damals nicht gut an. Kein Elternteil freut sich, wenn ein Kind queer ist, weil viel Diskriminierung und Gefahren auf das Kind zukommen." Das Outing und der Wunsch nach einer Umwandlung zur Frau führte schließlich auch zum Bruch mit ihrem Vater: "Er sagte: 'Das ist falsch. Du bist verrückt!' Er hat mir eine große Summe Geld geboten, damit ich es nicht tue." Stankovic stürzte in ein tiefes Loch: "Ich wurde komplett allein gelassen, hatte sogar zwei Suizid-Versuche."
Die geplante Geschlechtsumwandlung führte auch zu vermehrten Streitigkeiten zwischen den Eltern: "Meine Mutter hat mich unterstützt, mein Vater lehnte es kategorisch ab. Das führte oft zum Clash, meine Eltern ließen sich schließlich scheiden. Meine Mutter kam nach Wien, wir haben dann zwei Jahre lang zusammen gewohnt", erklärt Stankovic.
„"Meine Mutter und ich sind gegenseitig stolz aufeinander. Wir hören uns fast jeden Tag, shoppen und reisen miteinander" - Steffi Stankovic“
Nachdem sich die Wogen etwas geglättet hatten, begann Stankovic mit der Umwandlung, die sich als langwieriger Prozess herausstellte: "Man benötigt in Österreich ein psychologisches, ein psychiatrisches und ein psychotherapeutisches Gutachten. Anschließend gibt es noch ein medizinisches Gutachten, in meinem Fall von der Transgender-Ambulanz im AKH. Schließlich gibt die ÖGK die Hormone auf Rezept frei. Bei mir hat dieser Prozess über zwei Jahre gedauert."
Keine leichte Zeit für die 30-Jährige und ihre Mutter: "Es war nicht so easy für sie – die Leute haben mich angeschaut. Wir haben viel geredet, waren aber oft nicht einer Meinung. Erst als wir Sachen einfach miteinander erlebt haben, haben wir uns verstanden. Heute sind wir gegenseitig stolz aufeinander. Wir hören uns fast jeden Tag, shoppen und reisen miteinander."
„"Mein Aussehen hat mir alle Türen geöffnet. Und das nutze ich, um meine Botschaft zu verbreiten. Für mich gibt es kein Zurück mehr" - Steffi Stankovic“
Aufgrund ihrer Verwandlung setzte sich Stankovic verstärkt mit Make-Up, Frisuren und Kleidung auseinander: "Es hat sich angefühlt wie bei den Olympischen Spielen. Ich wollte die höchsten Beauty-Standards – und habe sie auch eingesetzt. Diese lassen mich ein angenehmes Leben führen. Mein Aussehen hat mir alle Türen geöffnet. Und das nutze ich, um meine Botschaft zu verbreiten. Für mich gibt es kein Zurück mehr. Ich hab' mich daran gewöhnt, 'visible' zu sein."
Derzeit nimmt Stankovic Hormone: "Eine geschlechtsangleichende Operation ist eine Option, aber es fehlt in Österreich an Ärzten und Möglichkeiten. Die Kasse übernimmt zwar die Kosten, aber dann gibt es nur einen bestimmten Arzt, der die OP macht. Und wenn du den Eingriff privat machen möchtest, dann musst du mit mindestens 20.000 Euro rechnen."
„"Gesellschaftlich werde ich als Frau wahrgenommen, großgezogen wurde ich als Mann. Ich verbinde alle diese Erfahrungen" - Steffi Stankovic“
In der Zeit des Übergangs war Stankovic ein "ziemlich androgynes Wesen", fühlte sich wohl damit: "Gesellschaftlich werde ich als Frau wahrgenommen, großgezogen wurde ich als Mann. Ich verbinde alle diese Erfahrungen. Ich bin etwa kreativ und fürsorglich, was in der Gesellschaft als typisch weiblich gesehen wird. Ich bin aber auch sexuell offen, dominant und provoziere gerne, was eher als typisch männlich gesehen wird", meint Stankovic.
Trans-Personen haben es überdurchschnittlich oft mit sexualisierter Gewalt zu tun, werden öfter ermordet und nehmen sich auch öfter das Leben: "Ich habe fünf Freundinnen durch Mord bzw. Selbstmord verloren. Vor fünf, sechs Jahren musste ich mich deshalb von der Community distanzieren, weil ich es nicht mehr ertragen habe. Wir Trans-Personen sind eine gefährdete und unterdrückte Gruppe, die oft Gewalt erlebt – von extern oder gegen sich selbst", berichtet Stankovic.
„"Ich wurde angespuckt, geohrfeigt und beschimpft. Ich habe es wirklich satt. Ich lasse das nicht mehr über mich ergehen" - Steffi Stankovic“
Auch die 30-Jährige war bereits Übergriffen ausgesetzt: "Ich wurde angespuckt, geohrfeigt und beschimpft. Mittlerweile bin ich abgehärtet – ich werde laut und schreie oder schubse zurück. Ich habe es wirklich satt. Ich lasse das nicht mehr über mich ergehen", zeigt sie sich kämpferisch.
Zudem ist das Thema "Hass im Netz" für Stankovic kein unbekanntes. Die Trans-Aktivistin hat zwar einen Instagram-Account, ist aber weder auf Facebook noch auf Twitter aktiv, weil sie sich beleidigenden oder bedrohlichen Kommentaren nicht aussetzen möchte: "Ich habe viel Support, den haben nicht viele. Und ich sehe sehr feminin aus. Ich habe viele Bekannte, die nicht so weiblich aussehen. Aufgrund der derzeit hochkochenden Gender-Debatte trauen sie sich nicht mehr ins Fitness-Studio, aufs Frauenklo oder abends auf die Straße."
„"Trans-Frauen sind auch Frauen! Ich wünsche mir eine weltweite Trans-Befreiung – eine Befreiung für den Feminismus von morgen" - Steffi Stankovic“
Die Debatte rund um transsexuelle Personen, die von vielen Feministinnen wie Alice Schwarzer kritisiert und als "Trend" bezeichnet werden, sorgt für Spannungen in der Community: "Transpersonen gibt es seit 2.000 Jahren. Wir sind schon so lange da und werden noch immer bedrängt. Das macht mir Sorgen. Jeder will etwas blockieren oder uns in eine Ecke drängen. Man sollte alle Stereotypen, die man hat, weglegen. Trans-Frauen sind auch Frauen! Ich wünsche mir eine weltweite Trans-Befreiung – eine Befreiung für den Feminismus von morgen", appelliert Stankovic.