Coronavirus
Thrombosen-Risiko bei AstraZeneca massiv überschätzt
Die Covid-19-Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson sind in Verruf geraten. Fachleute empfehlen sie währenddessen weiterhin.
Nach der Impfdebatte um den Corona-Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca rückt nun das Vakzin von Johnson & Johnson in den Fokus. Auch hier ist es nach Impfungen zu schweren Fälle von Thrombosen gekommen – sogenannten Sinusvenenthrombosen. Dabei handelt es sich um gefährliche Blutgerinnsel in den Venen, die Blut aus dem Gehirn abführen und unbehandelt zum Tod führen können. Bei beiden Impfstoffen kam es in einigen Fällen zudem zu einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie), was zu einer erhöhten Blutungsneigung führt.
Viele Länder haben daher Abstand von der Verimpfung dieser Präparate genommen: Deutschland etwa hat die Zulassung für AstraZeneca angepasst. Hier wird Vaxzevria nur noch Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Großbritannien hat angekündigt, das Präparat nicht mehr unter 30-Jährigen zu verabreichen. Am weitesten Abstand genommen hat Dänemark. Es stellt die Impfungen mit AstraZeneca dauerhaft ein. Und auch für Johnson & Johnsons Ad26.COV2.S gelten neue Regeln: In den USA wurden Impfungen mit dem Wirkstoff vorübergehend ausgesetzt. Zudem hat der Hersteller die Markteinführung in Europa verschoben.
Angst um Pandemieverlängerung
Nun werden Befürchtungen laut, der Wirbel um die beiden Impfstoffe und die damit einhergehende Ablehnung der Präparate könne zu einer Verlängerung der Pandemie führen. "Im Frühsommer haben wir AstraZeneca-Dosen übrig, aber nicht genug mRNA-Impfstoff, um die Herdenimmunität bis Herbst zu schaffen", twitterte Carsten Watzl, Immunologe an der Technischen Universität Dortmund, über seine Sorgen.
Dabei ist Vaxzevria ein guter Impfstoff, wie nicht nur die Europäische Arzneimittelagentur, sondern auch viele Experten immer wieder betonen: Der AstraZeneca-Impfstoff schütze sehr zuverlässig vor schwerer Erkrankung. Der Nutzen der Impfung sei damit deutlich höher als die Gefahr einer Sinusvenenthrombose oder eines Blutplättchenmangels. Zudem sei das Risiko, eine solche zu erleiden, "extrem gering", wie Immunologe Leif Erik Sander von der Charité in Berlin auf Twitter schreibt. Das gelte besonders für ältere Personen, die bei einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 am stärksten gefährdet seien.
Ob diese Aussagen auch für das Vakzin von Johnson & Johnson stimmen, wird sich diese Woche zeigen. Die EMA hat angekündigt, dann ihren Bericht über mögliche Hirnvenenthrombosen durch den Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson vorzulegen.
Vergleich zeigt, wie gering die Gefahr ist
Die positive Beurteilung des AstraZeneca-Präparats stützen auch die Daten: Von dem AstraZeneca-Impfstoff wurden bei rund 25 Millionen Geimpften insgesamt 62 solch "schwerwiegender thromboembolische Ereignisse" gemeldet. Für den Impfstoff von Johnson & Johnson seien bis zum 13. April in den USA sechs Fälle gemeldet. Dort waren bis zum Stopp mehr als sieben Millionen Dosen verabreicht worden. Derzeit schätzt man, dass diese Reaktionen in einer Größenordnung von etwa 10 auf eine Millionen Verimpfungen auftreten können.
Zum Vergleich: In der allgemeinen Bevölkerung treten Sinusvenenthrombosen je nach Studie bei circa zwei bis fünf Fällen oder bei bis zu 15 Fällen pro einer Million Personen pro Jahr auf. Die im Jahr 2020 im Fachjournal "Neurology" veröffentlichte und damit aktuellste Studie gibt eine Alters- und Geschlechts-angepasste Häufigkeit von Sinusvenenthrombosen von 13,9 bis 20,2 Fällen pro einer Million Menschen pro Jahr an, wobei jüngere Frauen insgesamt häufiger betroffen sind.