Dank Erneuerbaren
Strom-Hammer! Österreich erstmals wieder Exportland
Im November konnte Österreich erstmals seit 2007 mehr Strom exportieren als importieren. Grund dafür waren außergewöhnlich starke erneuerbare Quellen.
Wie der Netzbetreiber Austrian Power Grid (APG) am Dienstag mitteilt, ist Österreich im November etwas gelungen, was ganze 16 Jahre zuvor unerreicht gewesen war. Eine außergewöhnlich hohe Produktion aus erneuerbaren Energiequellen sorgte für einen Stromüberschuss von 46 Gigawattstunden (GWh). Bilanziell konnte so an 14 Tagen vertraglich Strom ins Ausland exportiert werden.
In der Regel nimmt laut APG die erneuerbare Produktion, darunter vor allem die Wasserkraft, in den Wintermonaten stark ab. Heuer jedoch konnten die erneuerbaren Energien demnach gesamt 5.216 GWh Strom erzeugen und damit rund 87 Prozent des österreichischen Strombedarfs (6.022 GWh) decken.
Wind und Wasser auf Hochtouren
Allein die Wasserkraft habe mit 3.878 GWh rund 74 Prozent der erneuerbaren Energien produziert, da die Kalenderwochen 44 bis 48 im November von großen Niederschlagsmengen im gesamten Bundesgebiet geprägt waren.
Die Laufwasserkraft konnte im Gegensatz zum November des Vorjahres um 72 Prozent zulegen, während sich die Windenergie im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verdoppeln konnte. Windenergie machte mit 1.073 GWh am Ende rund 21 Prozent aus.
Volatilität Teil der Zukunft
Damit gehen aber auch neue Herausforderungen einher: "Diese Dynamik zeigt deutlich die Volatilität eines auf erneuerbaren Energien basierenden Gesamtsystems und die Notwendigkeit kapazitätsstarker Netze, Speicher, Kraftwerksreserven sowie digitaler Intelligenz innerhalb des Stromsystems", heißt es in der Mitteilung des APG. Nur mit einem kapazitätsstarken Gesamtsystem könnten diese Volatilitäten kostengünstig, effizient und nachhaltig managebar gemacht werden.
Über das regionale Stromnetz der APG wird schon jetzt etwa der Energieaustausch zwischen den Bundesländern ermöglicht, um Überschüsse und Defizite zu kompensieren. Im November konnten die Bundesländer Niederösterreich (286 GWh) und Burgenland (234 GWh) den höchsten Energieüberschuss erzeugen und über das APG-Netz österreichweit zur Verfügung stellen. Die Steiermark musste mit 170 GWh, neben Wien (121 GWh), am meisten Strom aus dem Netz beziehen.
Bereits 134 Millionen Euro Zusatzkosten
Um dabei Überlastungen im Stromnetz zu verhindern und um die sichere Stromversorgung zu gewährleisten, wird mit sogenannten Redispatch-Maßnahmen der Stromfluss gesteuert. Darunter versteht man den gezielten und kontrollierten Einsatz thermischer und hydraulischer Kraftwerke.
Solche Redispatch-Maßnahmen mussten in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 bereits an 209 Tagen (17 im November) ergriffen werden. "Schon jetzt müssen wir im Schnitt an jedem zweiten Tag korrigierend eingreifen, damit es zu keinen Überlastungen im Stromnetz kommt. Denn gerade ein Zuviel an angelieferter Energie – zum falschen Zeitpunkt – ist problematisch", betont Gerhard Christiner, technischer Vorstand der APG.
Ein Umstand, der zu denken gebe und auch teuer komme: Die Kosten bis Ende November beziffert der Netzbetreiber bereits mit rund 134 Millionen Euro. Dies sei schon jetzt um rund 43 Prozent mehr als im Gesamtjahr 2022. Christiner pocht deshalb raschen Umsetzung aller Netzinvestitionsprojekte und die Notwendigkeit der dafür geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen. "Dies würde auch die daraus entstehenden Kosten für den Stromkunden massiv reduzieren", sagt er.
Massiver PV-Zubau erschwert Analyse
Die Daten zeigen auch eine Abnahme des Gesamtstromverbrauchs in Österreich. Verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 2017-2021 lag dieser November mit 6.022 GWh Verbrauch rund 7 Prozent unter dem Referenzwert. Dies sei vorwiegend auf die vermehrte Eigenproduktion bzw. den Eigenverbrauch durch Photovoltaik-Betreiber zurückzuführen, so APG. Daher könne der exakte Stromverbrauch Österreichs aktuell nicht genau verifiziert werden.
Aber: Diese Dynamik führt auch zu massiven Rückspeisungen aus den regionalen Verteilnetzen in das Übertragungsnetz. "Die bisherige Verbrauchsmittagsspitze 'existiert' nicht mehr, sondern Überschüsse müssen über das Übertragungsnetz zu den Speicherkraftwerken oder ins Ausland transportiert werden", betont der Netzbetreiber. Das verändere auch die Strompreiskurve signifikant – an verbrauchsarmen Wochenenden führt dies zum Beispiel zu negativen Marktpreisen.
"Im Sinne der Energiewende und des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien ist der rasche Ausbau der Photovoltaik Anlagen ausdrücklich zu begrüßen. Mit dem erwarteten Ausbau von nahezu 2.000 Megawatt Photovoltaik in diesem Jahr wird eine Leistung mit der Größenordnung aller Donaukraftwerke innerhalb eines Jahres an das Netz angeschlossen", erklärt Gerhard Christiner dazu.
Ein weiterer Ausbau der PV-Kapazitäten brauche deshalb eine umfassende Netzausbau- und Speicherausbaustrategie sowie auch eine umfassende Digitalisierung aller Akteure des Stromsystems.