Mahü als Wahlkampf-Thema

Streit um Gruft – "Nicht auf Rücken der Ärmsten!"

Anrainer beschweren sich über Lärm rund um die Gruft. Die Caritas setzt auf Sozialarbeit und Unterstützung für Betroffene –"Heute" war vor Ort.
Christoph Weichsler
02.04.2025, 06:45

Die Gruft ist seit Jahrzehnten ein zentraler Zufluchtsort für obdachlose Menschen in Wien. Rund um die Einrichtung hat sich aber eine hitzige Debatte entfacht. Anrainer berichten von steigender Lärmbelästigung, Alkoholkonsum und Verschmutzung. Manche fordern härtere Maßnahmen – darunter ein Alkoholverbot oder sogar die Verlegung der Einrichtung an einen anderen Standort. Besonders die FPÖ setzt sich für eine Verlagerung der Gruft ein, um "die Probleme aus der Innenstadt zu entfernen".

"Nehmen die Anliegen der Anrainer sehr ernst!"

Doch ist die Lage wirklich so dramatisch, wie manche Anrainer schildern? Und sind strengere Maßnahmen die Lösung? "Heute" war vor Ort in der Gruft. Laut Gruft-Leiterin Lis Pichler zeigt sich die Situation vor Ort anders. "Uns ist beides wichtig: Eine bestmögliche Hilfe für obdachlose Menschen und eine gutes Einvernehmen mit unseren Nachbarn. Ich denke, sowohl der Bezirk als auch die Gruft nehmen die Anliegen der Anrainer sehr ernst und allen ist an einem guten Miteinander gelegen – nicht zuletzt auch den Anrainern selbst. Wir stehen deshalb in regelmäßigem Austausch mit unseren Nachbarn und bieten eine 24-Stunden-Erreichbarkeit an, falls es Probleme gibt.

Wir haben das Streetwork rund um die Gruft ausgebaut und zudem mehr Securitypersonal im Einsatz", betont sie. Beschwerden gebe es zwar immer wieder, doch eine drastische Verschlechterung der Situation in den letzten Monaten könne sie nicht bestätigen. "Im Gegenteil haben wir zuletzt eine Entspannung der Situation wahrgenommen. Zwei zusätzliche Quartiere brachten eine spürbare Entlastung und auch die Anzahl der Beschwerden ist deutlich zurückgegangen."

Wie die Gruft funktioniert und wer hier Hilfe findet

Die Gruft ist eine der wichtigsten Obdachloseneinrichtungen Wiens und bietet ganzjährig Schutz und Unterstützung. Der Betrieb ist rund um die Uhr geöffnet und auf zwei Standorte aufgeteilt. Tagsüber können sich Menschen im Tageszentrum aufhalten, eine warme Mahlzeit bekommen und sich beraten lassen. Ab 21 Uhr wird die Notschlafstelle mit 60 Plätzen geöffnet – 44 für Männer und 16 für Frauen. Die Gruft ist allerdings eine von vielen Hilfseinrichtungen der Caritas. Insgesamt gibt es in Wien rund 8.000 Schlafplätze für obdachlose Menschen, verteilt auf verschiedene Träger und in Zusammenarbeit mit der Stadt.

Neben festen Unterkünften spielt auch das Streetwork eine wichtige Rolle. Sozialarbeiter sind täglich auf den Straßen unterwegs, um Menschen in Not zu erreichen.

"Unsere Einrichtungen sind dafür da, Menschen in Not zu unterstützen. Wer in die Gruft kommt – sei es eine obdachlose Person oder jemand, der von Armut betroffen ist – findet hier im Tageszentrum Hilfe. Unser Ziel ist es, diese Menschen durch Sozialarbeit und Begleitung zu stabilisieren und ihnen eine Perspektive zu geben, damit sie langfristig wieder selbstständig wohnen können. Wir sind dabei deren Erstansprechpartner."

"Es gibt ausreichend Notquartiersplätze in Wien"

Trotz steigender Mieten und wachsender sozialer Ungleichheit ist die Obdachlosenhilfe in Wien gut aufgestellt. "Dank der städtischen Winternothilfe gibt es derzeit 1.000 zusätzliche Notquartiersplätze im 24-Stunden-Betrieb", so Pichler. Ein entscheidender Vorteil: Anders als früher müssen Menschen im Winter nicht mehr morgens aus den Notquartieren raus. Sie dürfen bleiben und haben damit einen sicheren Ort. Auch im regulären Betrieb gibt es genug Angebote, um niemanden in der Kälte schlafen zu lassen.

Doch warum sieht man dennoch obdachlose Menschen auf der Straße? Laut Caritas gibt es mehrere Gründe dafür. Viele Betroffene kämpfen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen, die ein Leben in Einrichtungen erschweren. Manche meiden Gruppenunterkünfte, weil sie mit Regeln und Strukturen nicht gut zurechtkommen. Andere haben schlichtweg Angst, sich in fremde Hände zu begeben. "Umso wichtiger ist es, diese Menschen auch mit mobiler Sozialarbeit aufzusuchen, sie mit Hilfe zu versorgen und sie dabei zu unterstützen, den Weg in eines der Notquartiere zu finden. Die Plätze sind vorhanden.“

Alkoholverbot als Lösung? Warum die Gruft skeptisch ist

Einige Anrainer fordern ein Alkoholverbot rund um die Gruft, um Konflikte zu reduzieren. Sie argumentieren, dass Alkohol zu aggressivem Verhalten führen und die Probleme verstärken könnte. Besonders in den wärmeren Monaten seien immer wieder Gruppen vor der Einrichtung zu sehen, die sich dort aufhalten und lautstark unterhalten. Ein Alkoholverbot soll ihrer Meinung nach dazu beitragen, das Umfeld ruhiger zu machen.

Pichler ist skeptisch: "Am Ende ist das eine politische Entscheidung. Aus Sicht einer Sozialarbeiterin bin ich allerdings überzeugt, dass man Sucht nicht nur mit Verboten bekämpfen kann. Die Antwort auf vorhandene Not sollte eine passgenaue Hilfe sein. Verbote würden das Problem nur verlagern – etwa in nahegelegene Parks."

Warum wird gerade jetzt über die Gruft diskutiert?

Die Gruft gibt es seit Jahrzehnten – warum flammt die Debatte gerade jetzt auf? Laut Pichler könnte der bevorstehende Wahlkampf eine Rolle spielen. "Wir wundern uns schon, warum das Thema plötzlich so groß ist", gibt sie zu bedenken. Tatsächlich zeigen die Zahlen: Durch den Ausbau der Notquartiere sei die Situation sogar verbessert worden.

Dennoch wird die Gruft plötzlich zum politischen Zankapfel. Die FPÖ nutzt die Diskussion, um eine härtere Gangart in der Obdachlosenpolitik zu fordern. Auch auf Bezirksebene wird über neue Maßnahmen diskutiert, wobei klar ist, dass viele Forderungen nur auf Landesebene umgesetzt werden könnten. Die Caritas sieht diese Entwicklung kritisch und betont, dass der Fokus auf langfristige Lösungen gelegt werden sollte – nicht auf kurzfristige Verbote oder Verlagerungen.

FPÖ will Gruft verlegen – Caritas lehnt das ab

Die Wiener FPÖ fordert, die Gruft aus der Innenstadt zu verlegen. Ihr Argument: Eine Obdachloseneinrichtung mitten in der Stadt sei nicht ideal. Sie schlage vor, dass solche Einrichtungen an den Stadtrand verlegt werden sollten, um Anrainer zu entlasten.

Doch für die Caritas wäre das ein fataler Schritt. "Die FPÖ hat sich noch vor Kurzem für einen Ausbau der Notquartiersplätze ausgesprochen. Ihr Argument damals: Mehr Not müsste eben auch mehr Hilfe zur Folge haben. Klar ist: Die Menschen, die in die Gruft und in anderer Notquartiere kommen, stehen unter einem enormen Druck. Ich würde mir wünschen, dass hier jetzt nicht auf dem Rücken der Ärmsten Wahlkampf betrieben wird. Das löst kein Problem – nicht jene der Betroffenen und auch nicht jene der Anrainer. Das gute Miteinander der vergangenen Jahre ist das, was ich mir auch für die Zukunft im Grätzl wünschen würde und ich denke, das kann uns gemeinsam auch gelingen.“

Obdachlosigkeit bis 2030 beenden – ein realistisches Ziel?

Die EU hat das Ziel ausgegeben, Obdachlosigkeit bis 2030 weitgehend zu beenden. Ein ambitioniertes Ziel, doch ist es realistisch? Pichler ist skeptisch. "Klar ist: Viele andere Metropolen nehmen sich an Wien ein Beispiel, wenn es um die Versorgung von obdachlosen Menschen geht. Und ich hoffe, dass wir hier weitere große Fortschritte machen. Aber ich bin keine Zukunftsforscherin", sagt sie.

Doch solange es Armut gibt, werde es auch Obdachlosigkeit geben. Die Caritas setze darauf, Menschen frühzeitig aufzufangen und ihnen langfristige Perspektiven zu bieten. Doch der Weg dorthin bleibe steinig. "Obdachlosigkeit wird nicht verschwinden, solange wir als Gesellschaft nicht grundlegend umdenken", so Pichler.

Im wirhelfen.shop kann man  unkompliziert Menschen in Not unterstützen, etwa mit:

-  70 Euro für einem winterfesten Schlafsack und sieben warmen Mahlzeiten: https://wirhelfen.shop/schenk-einen-schlafsack-und-warme-mahlzeiten/

-  25 Euro für eine warme Decke:

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- 2,80 Euro für eine warme Suppe:

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Spendenkonto für allgemeine Spenden:

Caritas Wien

IBAN: AT16 3100 0004 0405 0050

BIC: RZBAATWW

Kennwort: Gruft

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