14,8 Prozent reichten den Wiener Grünen bei der Wahl 2020 nicht für den Platz als Koalitionspartner mit der SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig. Er entschied sich nach zehn Jahren der rot-grünen Koalition für die Neos. An denen lässt die grüne Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl am 27. April kein gutes Haar.
Das sagt Judith Pühringer zu:
Bei einem Interview von Judith Pühringer in der ZIB2 wollen manche das Wort "Bäuminnen" gehört haben, die Aufregung war groß. "Die Diskussion hat mich vor allem eines, sie hat mich extrem amüsiert. Und wenn man sich es ganz genau angehört hat, habe ich natürlich von den Bäumen in der Stadt gesprochen und über Bäume in den nächsten fünf Jahren"; so Pühringer. Ihr Ziel: für jedes Neugeborene einen Baum in der Stadt pflanzen. In Summe sollen es 100.000 Bäume werden.
„Gendern ist ein selbstverständlicher Beitrag zur Sensibilisierung, aber auch zu echter Gleichstellung“Judith Pühringerüber Sprache als Wirklichkeits-Schaffer
Abgesehen von Bäumen sei Gendern aber ein wichtiges Thema, "weil Sprache Wirklichkeit schafft", so die Grünen-Chefin. "Und wenn ich jungen Mädchen sage, du kannst Arzt werden, dann fühlen sich viele nicht angesprochen. Wenn ich sage, es gibt Ärztinnen und Ärzte, schaffe ich Realitäten", betont Pühringer. Gendern sei daher ein "selbstverständlicher Beitrag zur Sensibilisierung, aber auch zu echter Gleichstellung."
Bei der Wien-Wahl 2020 erzielten die Grünen 14,8 Prozent, die aktuellsten Umfragen sehen sie bei 12 Prozent. Ihr Wahlziel sei es, so stark zu werden, dass man "an den Grünen in der Stadt nicht vorbeikommt", erklärt sie. "Wir wollen mitgestalten und wir wollen mitregieren", so Pühringer. Die drei grün geführten Bezirke und auch zehn Jahre Regierungsbeteiligung der Grünen in der Stadt hätten gezeigt, "dass was weitergeht mit den Grünen". Als grüne Errungenschaften führt sie die neue Mariahilfer Straße, das 365-Euro-Ticket und auch die Kindermindestsicherung in Wien an.
Die zentrale Botschaft des Wien-Wahlkampf ist der Slogan "Wien, nur Mut". Muss man mutig sein, um die Grünen zu wählen? "Nein", lacht Pühringer. "Wir sind überzeugt davon, dass Wien mutig am schönsten ist und dass Wien in Wirklichkeit eine Stadt voller Chancen ist. Viele werden gerade liegen gelassen. Wir merken das, wenn die Straße aufgegraben ist wegen dem U-Bahn-Bau beispielsweise. Warum betoniert man nachher wieder zu und die Stadt schaut genauso aus wie vorher?" Hier sehen die Grünen Chancen, Baustellen gleich zu nutzen und für mehr Grünraum und Abkühlung zu sorgen.
"Wir haben in den letzten fünf Jahren viele Vorschläge gemacht, wie Wien mutiger sein kann, wie wir die Stadt mutiger gestalten. Und diesen Mut und dieses Tempo, das braucht es einfach auch, wenn wir die selbstgesteckten Klimaziele der Stadt erreichen wollen."
„Bei den Neos muss ich ganz ehrlich sagen, dass man nicht genau weiß, was in den letzten fünf Jahren weitergegangen ist“Judith Pühringerüber die Neos
Diesen Mut habe sie bei den Neos in den vergangenen fünf Jahren vermisst: "Bei den Neos muss ich ganz ehrlich sagen, dass man nicht genau weiß, was in den letzten fünf Jahren weitergegangen ist", kritisiert die Grüne Spitzenkandidatin. "Wenn man fragt, was ist in den letzten fünf Jahren an großen Leuchttürmen passiert? Etwas, das das Leben der Wienerinnen und Wiener wirklich verändert hat. Da kommt nicht viel, weil da war eigentlich auch nicht viel."
"Ich will, dass sich alle Wienerinnen und Wiener wirklich sicher fühlen können, und zwar egal in welchem Bezirk und egal zu welcher Uhrzeit. So muss mein Wien sein. Es muss sicher für alle Menschen sein", so Pühringer. Ein Waffenverbot unterstütze sie "zu 100 Prozent. Niemand muss in Wien mit einer Waffe herumgehen."
Ein generelles Alkoholverbot an Plätzen hält die Grünen-Chefin allerdings für "überhaupt nicht sinnvoll." An manchen Orten könnte das aber eine mögliche Lösung sein. Man müsse sich "wirklich anschauen, wo sind Orte, wo es Konflikte gibt und was tun wir dagegen? Und da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Das beginnt bei mehr Polizisten. Gibt es genügend Polizisten, Polizistinnen im öffentlichen Raum, die auch gut geschult sind?" Grätzel-Polizisten, die Gegend und Leute kennen, seien da ganz wichtig. Ebenso Sozialarbeiter, die im öffentlichen Raum sind und "Konflikte schon frühzeitig entschärfen können."
Auch die Stadtplanung würde viel zur Sicherheit und dazu beitragen, dass sich "alle Wienerinnen und Wiener und vor allem auch die Mädchen und die Frauen sicher fühlen können." Sicherheit von Frauen sei für sie "unverhandelbar".
"Da bin ich ganz klar und ich sage, wenn Menschen straffällig werden, dann braucht es hier auch eine klare und eine harte Kante gegen Gewalt aller Art. Da gibt es überhaupt keine Frage, da darf keine Grenze verschoben werden. Und da braucht es einfach die volle Härte des Gesetzes, was immer die Straftaten waren. Das ist unverhandelbar."
„Oft ist das ja das Ende einer langen Kette an Wegschauen und Dingen, die nicht funktioniert haben.“Judith Pühringerüber Jugendkriminalität
Auch hier ist Pühringer für "klare Kante gegen Gewalt. Das geht einfach nicht, dass sich Menschen unsicher fühlen oder Angst haben." Bei Jugendlichen müsse man aber genau hinschauen, woher die kriminelle Energie und der Hang zu Gewalt komme. "Oft ist das ja das Ende einer langen Kette an Wegschauen und Dingen, die nicht funktioniert haben. Und dann bin ich überzeugt, dass wir mit Experten aus der Kinderhilfe, aus der Jugendhilfe zusammenarbeiten müssen."
Man müsse sich "mit großer Ruhe, aber auch großer Bestimmtheit diesen jungen Menschen widmen", so die Grünen-Chefin. "Im Letzten muss es immer darum gehen, dass die auch wieder eine gute Perspektive auf ihr Leben haben. Weil eigentlich ist das natürlich ein Drama, wenn Jugendliche so früh so eskalieren, um auf sich aufmerksam machen zu müssen."
Eine Senkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre sieht sie als nicht sinnvoll an, zahlreiche Experten würden das auch bestätigen: "Mehr Strafe, mehr Druck bringt da im wenigsten Fall auch nur irgendetwas, wenn dann vielleicht ganz kurzfristig, aber nicht dauerhaft. Wichtig ist es, diese Probleme wirklich an der Wurzel zu packen und diesen jungen Menschen dann auch eine Perspektive zu geben." Es brauche hier auch gute Zusammenarbeit mit den Eltern.
"Da haben vor allem die Neos sehr viel verpasst in den letzten fünf Jahren“, ortet Pühringer "eine veritable Bildungskrise". Von den über 50 Prozent der Taferlklassler, die nur schlecht Deutsch können "sind wiederum 80 Prozent mindestens zwei Jahre in einen Kindergarten gegangen in Wien. Das heißt, die Neos haben in der letzten Stadtregierung total verabsäumt, schon in den Kindergärten dafür zu sorgen, dass die Kinder die Sprache gut können."
Die Kindergartengruppen seien zu groß, es gäbe zu wenig Personal und Deutschförderkräfte, so die grüne Spitzenkandidatin. Es sei "fatal, dass man Kindern Bildungschancen und damit Lebenschancen raubt." Die Pädagogen in Kigas und Volksschulen würden "großartiges leisten", würden aber oft "alleine gelassen". Auch hier müsste man die Eltern mehr und besser einbeziehen und gleichzeitig auch die Möglichkeiten schaffen. Stichwort Deutschkurse für Eltern.
"Natürlich ist es im Moment so, dass Wien auch hier sehr gefordert ist und auf vielen Ebenen herausgefordert ist", sagt Pühringer. Sie fordert, dass alle Bundesländer ihre Verantwortung übernehmen. Von Strafen für integrationsunwillige Menschen hält sie nichts. Man müsse Möglichkeiten schaffen, ist sie überzeugt.
„Niemand soll mehr als ein Viertel des Einkommens fürs Wohnen ausgeben“Judith Pühringerüber teures Wohnen
"Das Zuhause ist für ganz viele Menschen viel zu teuer und wir können aber an ganz vielen Punkten ansetzen. Unser Ziel ist es, dass niemand mehr als ein Viertel des Einkommens fürs Wohnen ausgeben soll, da sind wir leider weit entfernt." So würde ein Ausstieg aus Öl und Gas die Energiekosten senken, eine Leerstandsabgabe zusätzliche Wohnungen auf den Markt und günstigere Mieten bringen. Auch die zunehmende Zahl von Kurzzeitvermietungen – Stichwort Airbnb – würde zu einer Verteuerung der Mietkosten führen.
Pühringer fordert eine Reform des Mietrechtsgesetzes auch auf Bundesebene. Lagezuschläge seien "zum Teil jetzt doppelt so hoch sind wie die Miete". Auch das System von Wohnbeihilfe und Mietbeihilfe sei zu "komplex": "Wir wollen ein ganz einfaches Wohngeld, das man einfach beantragen kann und das vor allem auch für junge Menschen, für Studierende und Menschen in Ausbildung leicht abrufbar ist."
"Wir hatten im vergangenen Sommer 45 Tropennächte in Wien", so Pühringer. "Das heißt, es wird in der Nacht so heiß, dass man sich nicht mehr abkühlen kann, dass man nicht mehr gut schlafen kann und da erinnern sich schon viele, daran, dass man die ganze Nacht nicht schläft und sich dann irgendwie völlig übermüdet in die gekühlte U-Bahn schleppt. Oder manche ältere Menschen, die dann sagen, ich gehe in den Supermarkt, um sich abzukühlen. Und das finde ich schon sehr dramatisch." Eine Antwort darauf wäre die Schaffung von mehr entsiegelten Orten mit kühlendem Grün – wie eben die 100.000 neuen Bäume und die Nutzung von ohnehin geplanten Baustellen, um für mehr Grünräume zu schaffen.
Man könne nicht über das Klima reden, ohne über den Verkehr zu reden, ist sie überzeugt. Die Grünen wollen die Bim-Linien massiv ausbauen: Wir haben einen großen Plan für die Stadt vorgelegt, für die nächsten Jahre 17 neue Straßenbahnlinien, neun Verlängerungen von bestehenden über die Stadtgrenze hinaus, mit ganz vielen Querverbindungen.“