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Steht China "unvorstellbare" Bevölkerungskrise bevor?

Chinas strikte ehemalige Ein-Kind-Politik ist weltweit bekannt – wird sie nun zum Problem? Niedrige Geburtenraten könnten den Fortschritt gefährden. 

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Auch wenn es hier nicht so aussieht – Chinas Bevölkerung schrumpft erstmals seit 60 Jahren.
Auch wenn es hier nicht so aussieht – Chinas Bevölkerung schrumpft erstmals seit 60 Jahren.
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China versuchte bereits seit den 1960er-Jahren das Bevölkerungswachstum im Zaum zu halten. Anfangs wollte man die Kinderzahl von Familien auf zwei begrenzen, dann wurde die weltweit bekannte und umstrittene Ein-Kind-Politik etabliert. Zwar lag die tatsächliche durchschnittliche Kinderzahl pro Frau stets höher als geplant, dennoch könnte China die Steuerung der Fortpflanzung bald zum Verhängnis werden. 

Dies lassen die Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung befürchten: Erstmals seit sechs Jahrzehnten ist Chinas Bevölkerung 2022 geschrumpft. Laut dem Statistikamt in Peking habe das (noch) bevölkerungsreichste Land der Welt Ende des Jahres mit 1.411 Milliarden Einwohnern fast eine Million weniger gehabt als am Ende des Vorjahres. Experten sprechen von einem "Wendepunkt" in Chinas Geschichte und warnen vor den potenziell verheerenden Folgen einer "unvorstellbaren" Bevölkerungskrise. 

Düstere Aussichten

"Chinas demografische und wirtschaftliche Aussichten sind düsterer als erwartet", meint der US-Sozialwissenschaftler Yi Fuxian von der Universität von Wisconsin. "China wird eine Schrumpfung durchlaufen müssen." Änderungen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik würden bald nötig werden. Auf den Überschuss an Werktätigen, der Chinas Wirtschaftswunder als "Werkbank der Welt" angekurbelt hatte, folgt jetzt Arbeitskräftemangel: "Chinas Produktionssektor wird unterbesetzt und überaltern – und so schnell abnehmen wie der Japans", so die düstere Prognose. 

Der letzte Bevölkerungsrückgang in den Jahren 1960 und 1961 war durch verheerende Hungersnöte bedingt – stand also vor ganz anderen Vorzeichen als der aktuelle. Die Geburtenrate sank mit 6,77 Neugeborenen auf 1000 Menschen auf ein historisches Tief. Zum Vergleich: In Österreich, das ebenso über eine zu geringe Geburtenrate klagt, wurden 2021 pro 1000 Einwohner immerhin noch 9,6 Kinder lebend geboren. 

"Unumkehrbarer" Trend

Die Zahl der Geburten in China lag erstmals in der Geschichte des Landes unter zehn Millionen. Auf 9,56 Millionen Neugeborene kamen im letzten Jahr 10,41 Millionen Todesfälle. 

Der unabhängige Forscher Yi Fuxian verfolgt Chinas Bevölkerungspolitik schon länger kritisch. Aus seiner Sicht sind selbst die beängstigenden Zahlen des Statistikamts noch geschönt – er geht von einem schon seit vier Jahren andauernden Schrumpfen der Bevölkerung aus. Für den Wissenschaftler ist der Trend "unumkehrbar".

Folgen der Ein-Kind-Politik

Die Aufhebung der umstrittenen Geburtenkontrollen führten 2016 nur kurzzeitig zu einem leichten Anstieg der Geburten. Nur ein Kind zu haben, ist in China schon länger die soziale Norm, weswegen die Gesellschaft nun überaltert. Die Regierung hat die Problematik zumindest erkannt und versucht, es jungen Paaren leichter zu machen, für Kinder zu sorgen. Zu diesem Zweck wurden die Kosten für Bildung gesenkt, Finanzhilfe gewährt und der Mutterschafts- bzw. Elternurlaub erleichtert. Mit welchem Erfolg, wird sich zeigen. 

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    Allein in den 24 Stunden bis Montagmorgen waren 57 chinesische Militärflugzeuge und vier Kriegsschiffe nahe Taiwan im Einsatz, wie das Verteidigungsministerium in Taipeh berichtete.
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    IMAGO/StockTrek Images