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Star-Virologin traute sich nur mit Perücke außer Haus
Dorothee von Laer trat mutig und entschlossen auf. Der Hass auf Deutsche und auf Virologen setzte ihr aber in der Pandemie gewaltig zu.
Die Pandemie schreibt viele Geschichten und verändert viele Leben. Wohl keiner hätte noch vor zwei Jahren erwartet, dass Virologinnen und Virologen zu Personen des öffentlichen Lebens werden. Auch sie selbst hätten wohl eher bezweifelt, dass sie mit allen Vor- und Nachteilen des Lebens im Rampenlicht umgehen lernen müssen.
Sexistische Untergriffe im Posteingang
Dorothee von Laer ist eine von ihnen. Die gebürtige Deutsche, die zuerst in Tirol und jetzt im Burgenland lebt, gilt als eine der wissenschaftlichen Superstars der Pandemie. Ihre Aussagen haben dabei aber immer wieder neben Zustimmung auch Hass auf sich gezogen.
In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" spricht von Laar offen über den Hass, der ihr in den letzten Monaten gegenüber gebracht wurde. Ihre Mail-Adresse sei daher in den Tiefen des Internets nicht mehr so leicht auffindbar. "Unterirdische Beschimpfungen, die man gar nicht wiedergeben möchte und sehr viele sexistische Untergriffe", habe von Laer über ihren Mail-Eingang hinnehmen müsste.
Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die auch "doofe Nachrichten" von Frauen kriegen würden, wird die Virologin nur von Männern angefeindet. Die Gründe für die massive Hasswelle, die von Laer entgegenschlägt, ist traurigerweise ihr Wissen.
Von Laer warnte früh vor Omikron
So entschieden und hart wie die 63-Jährige traten nur wenige Expertinnen und Experten im Verlauf der Pandemie auf. Als die Omikron in Europa noch ein griechischer Buchstabe und keine Bedrohung war, warnte sie bereits vor den Gefahren der Mutation. Auch ein "zweites Ischgl" schien für sie stets realistisch zu sein - sie sollte rechtbehalten.
Schutz von der Politik bekam die Wissenschaftlerin dabei nie - im Gegenteil. "In Tirol gibt es einen gut verankerten Klüngel von Männern, die die Geschicke des Landes lenken, wirtschaftlich und politisch. Das ist alles noch sehr konservativ - als deutsche Frau hat man in Tirol nicht viel zu melden", meint von Laer.
Auf die Frage, wie denn ihr Verhältnis zum Tiroler Landeshauptmann Günther Platter oder Seilbahnchef Franz Hörl sei, antwortete von Laer nur mit "Hm". Das Gespräch oder gar Hilfe hätten die mächtigen Männer aus Politik und Wirtschaft dabei nie mit ihr gesucht.
Doch nicht nur im virtuellen oder politischen Kontext wurde von Laer beleidigt bzw. ignoriert. Aufgrund wüster Anfeindungen in der Öffentlichkeit hat die Virologin bereits kurz nach Ausbruch der Pandemie die Tiroler Straßen nur noch verkleidet mit Perücke betreten. Auch der in Tirol stark verankerte "Hass auf Deutsche", den Touristen nicht mitkriegen, hätte dabei eine große Rolle gespielt.
Umzug ins Burgenland zum Erholen
Mittlerweile ist von Laer ins Burgenland gezogen. Im Sommer hat sie sich dabei von einer Burnout-Erkrankung erholt und kann nun auch ihr Leben wieder genießen. Die Wohnung in Tirol hat sie noch, aber der neue Wohnort zehn Minuten entfernt von der ungarischen Grenze ist im positiven Sinn "etwas ganz anderes als Tirol", so von Laer.
Trotz der Vielzahl an Anfeindungen denkt von Laer nicht darüber nach lieber den Mund zu halten - verantwortlich dafür sei auch ihre Familiengeschichte. Ihr Großvater kämpfte gegen die Nationalsozialisten und auch ihr Vater der Nobelpreisträger Klaus Hasselmann musste als einer der ersten Klimaforscher viel Gegenwind einstecken. "Bei uns in der Familie käme keiner auf die Idee, den Mund zu halten, nur damit es bequem ist", meint sie überzeugt.
Kurz´ "kein Lockdown"-Versprechen war entscheidender Fehler
Von Laer bleibt demnach kritisch. Sie habe viel Hass einstecken müssen, als sie im Frühjahr 2021 vor einer Herbstwelle warnte, als der vierte Lockdown kam, fiel ihr aber "ein Stein vom Herzen". Der zentrale Fehler der politischen Verantwortlichen sei in dieser Zeit gewesen, Versprechungen zu machen. Die Ansage von Ex-Bundeskanzler Kurz, der im Sommer einen weiteren Lockdown ausschloss, habe die Impfbereitschaft nicht gefördert.
Wann die Pandemie vorbei ist, prognostiziert von Laer nicht, sie gibt jedoch einen Ausblick. Bereits nächstes Jahr will die Virologin in Pension gehen, dann würden zwar regelmäßige Auffrischungsimpfungen sowie Maskentragen weiterhin Bestand des öffentlichen Lebens sein, Lockdowns "sind bis dahin aber gegessen".