Österreich
"Ich traf einen Staatsverweigerer"
Die Gruppierungen wachsen jährlich, ihre Ansichten sind skurril und gefährlich zugleich. In Österreich wird Hochverrat streng bestraft.
Beim Prozess gegen Mitglieder der Gruppe "Staatenbund Österreich"in Graz rücken die Staatsverweigerer erneut in den Vordergrund. Von den meisten werden ihre Aktionen belächelt. Fälle in der Vergangenheit zeigen jedoch auf, dass mit den "Aussteigern" nicht zu spaßen ist.
Woher kommen sie?
Der Ursprung der Staatsverweigerer liegt in den USA. In den 70er Jahren wurde das "sovereign citizen movement" gegründet. Konkret handelt es sich dabei um eine Vereinigung von weißen Extremistengruppen. Aktuell wird die Zahl der Mitglieder auf 300.000 geschätzt.
Seit 1998 werden die Staatsverweigerer in Österreich genauer unter die Lupe genommen. Im selben Jahr wurde nämlich die Bundesstelle für Sektenfragen gegründet. Seitdem wird beobachtet, wie die Mitgliederzahl jährlich steigt. Im vergangenen Jahr wurden 1.360 Personen bei besonders heiklen und schwierigen Fragen "beraten", so Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Auch hätten die Staatsverweigerer im Jahr 2017 ihren Höhepunkt erreicht.
Was wollen sie?
Die Ansichten der "Aussteiger" sind einfach und absurd zugleich. Staatsverweigerer oder "souveräne" Menschen sehen sich als autonome Individuen, für die die staatlichen Regeln nicht gelten und die sich beispielsweise "Freemen", "Reichsbürger" oder Mitglieder des "Staatenbundes Österreich" nennen.
Gegenüber heute.at erklärte Staatsverweigerer Joe Kreissl in einem Interview die Kernidee: "Ich bin keine Person. Ich bin ein Mensch." Damit meine er, dass er sich an keine Verträge gebunden fühle, die ihm durch den Staat "angehängt" würden. Für diese Ansichten sieht das österreichische Strafrecht Hochverrat vor, noch nie gab es in der Geschichte der Zweiten Republik eine vergleichbare Anklage wie aktuell in Graz – mehr dazu hier.
Kreissl kehrte dem Staat vor sechs Jahren den Rücken. In einem wirren Brief an das Bundeskanzleramt bestand er darauf, dass die Person Johannes Ewald Kreissl "lediglich als Urkunde" existieren würde, von welcher er aber Abstand nehmen wolle. In dieser Zeit wurde er zum Vorreiter der sogenannten "Freemen" in Österreich - einer Gruppierung der Staatsverweigerer mit Wurzeln in den USA.
Der bekannteste Staatsverweigerer Wiens ist wohl Nikolaus Lipurger. Er bewohnt die Fantasierepublik "Kugelmugel" im Wiener Prater. 1976 wurde sie von seinem Vater Edwin Lipburger gegründet, der 2015 im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Gegenüber "standard.at" erklärte Lipburger, dass rund 670 Menschen einen "Kugelmugel-Pass" hätten. Sein Vater wollte sich mit dem eigens erstellten Staat von dem Rest abgrenzen, damit seine künstlerischen Tätigkeiten nicht verdorben werden, erklärte er 2002 dem ORF.
Wovon leben sie?
Seit 2012 ignoriert Kreissl die österreichischen Gesetze. Die oftmals daraus resultierenden Strafen und Briefe der Behörde sehe er als "Handelsangebot" an: Er könnte den Beitrag zwar zahlen, müsse aber nicht. Gegenüber heute.at gesteht er jedoch, dass er Parkstrafen bezahle, um "Konflikten aus dem Weg zu gehen".
"Vollzeit-Staatsverweigerer" gehen oftmals keinem Beruf nach. Kreissl gibt an, auch keine soziale Hilfe der Republik annehmen zu wollen. Auf die Frage, was er denn im Krankheitsfall tun würde, erwiderte er: "Die Sonne schenkt mir Licht. Ich werde nicht krank."
Geld bekomme er laut eigenen Angaben von seinen Vorträgen, die er in Wirtshäusern abhält. Gut davon leben könne er aber nicht. Trügerischer wird es schon beim "Staatenbund". Dort verkaufe man den Mitgliedern "Fantasie-Urkunden", eigene Autokennzeichen und selbst ausgestellte Kennzeichen. Innerhalb von nur wenigen Monaten hätten die obersten Mitglieder damit 37.000 Euro eingenommen.
Kreissl ist aber auch der Überzeugung, dass ihm Österreich 225 Millionen Euro schulden würde. Der Vorwurf: Die Republik hätte ihn seit seiner Geburt aus "seinem Gebiet" drängen wollen. Das sei eine Zumutung. Wie er auf diese Summe kam, konnte er nicht wirklich erklären. Klarerweise wurde ihm das Geld noch nicht bezahlt, jedoch sei er überzeugt davon, dass es bald "hereinflattern" werde.
Sind sie gefährlich?
So harmlos die Staatsverweigerer auf den ersten Blick wirken, so gefährlich können sie aber auch sein. Das "sovereign citizen movement" aus den USA gilt derzeit als "mögliche nationale Terrorbedrohung". 1995 verübte einer der Mitglieder einen Bombenanschlag auf dein Bundesgebäude in Oklahoma City. Dabei starben 168 Menschen.
In Deutschland wurde im Oktober 2016 ein Polizist eines Sondereinsatzkommandos von einem Reichsbürger erschossen. Er wollte verhindern, dass sein Haus in Bayern durchsucht wird.
Wie sieht es derzeit aus?
Aktuell werden auch in Österreich immer mehr Aktivitäten der Staatsverweigerer-Szene beobachtet. Die Mitgliederzahl wird auf etwa 1.100 Personen geschätzt, über 20.000 Menschen würden mit der Ideologie sympathisieren, laut dem Sektenbericht der Bundesstelle für Sektenfragen.
Der derzeitige Fall in Graz sorgt wieder für Aufsehen: 14 Personen stehen vor Gericht. Ihnen wird Versuchte Bestimmung zum Hochverrat und Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung vorgeworfen. Der Fall macht auch die "verqueren Ansichten" der Staatsverwiegerer, wie ein Verteidiger es am Prozesstag nannte, deutlich. So wurde in der Anklageschrift vorgelesen, dass die Präsidentin des "Staatenbundes" selbst "Haftbefehle" verfasste. Sie hätte verlangt, dass das Bundesheer Mitglieder der Regierung verhaftet, um anschließend eine "militärische Übergangsregierung" zu bilden.
Es sind mehrere Prozesstage geplant, ein Urteil wird es frühestens am 19. Dezember geben.