Babler im Sommergespräch
SPÖ-Chef klagt im ORF über Bremser in eigener Partei
Am Montag empfing ORF-Mann Martin Thür SPÖ-Chef Andreas Babler am Traunsee zum "Sommergespräch". Und dieser klagte über Widerstände in der SPÖ.
Vom Regen in die Gaststube: Das Wetter hatte es mit SPÖ-Chef Andreas Babler am Montagabend nicht gut gemeint, als ihn ORF-Moderator Martin Thür am Traunsee zum traditionellen "Sommergespräch" anlässlich der Nationalratswahl im Herbst empfing. Als erster der bisherigen Spitzenkandidaten musste Babler statt unter freiem Himmel in einem Innenraum interviewt werden – zuvor gab es mit Regenschirmen ausgestattet nur etwas Smalltalk am Seeufer. Ein wahrscheinlich nur schwacher Trost für die rote Polit-Hoffnung: Ungestört verliefen auch die vorangegangenen Sommergespräche nicht – NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wurde von Wespen attackiert, FPÖ-Chef Herbert Kickl von Aktivisten mit einem Boot gestört.
"Überall wo man zu Hause ist, ist schön", nahm es Babler dennoch gelassen. Er habe ein gutes Zeitmanagement und eine gute Vertretungsstruktur, deswegen gehe sich die Doppelrolle als Traiskirchner Bürgermeister und als SPÖ-Chef aus, so Babler. Mache er ernsthafte Politik? "Politik ist ja kein Spiel, Politik setzt Bedingungen", so der SPÖ-Chef, "das ist alles, nur kein Spiel". Die scharfe Kritik an seinem "unernsthaften" Programm von SPÖ-Parteikollegin Doris Bures tat Babler als ganz normalen Prozess ab – das Diskussionspapier stelle einen sehr offenen Prozess dar, der "ungewohnt" sei und wohl manche überrasche. Die Kritik von Bures sei "legitim", so Babler, inhaltlich könne er sie aber nicht nachvollziehen.
"Ich werde das stoppen"
"Ich habe einen neuen Weg in der Sozialdemokratie angetreten, auch genau in solchen Prozessen", so Babler. Das "sozialdemokratische, breit aufgestellte" Programm werde von der Partei getragen, das sei klar. Es gebe nur eine Gegenstimme beim SPÖ-Wahlprogramm, so Babler, und diese sei nicht Bures gewesen. "Das ist das Problem der SPÖ, dass öffentlich immer jemand glaubt, bremsen zu müssen." Es gebe Widerstand in der Partei, Erneuerung heiße aber "Reibung und Widerstand" und in der finalen Abstimmung sei man dann wieder geeint. "Ich finde es unfair, die Doris Bures da für etwas herzunehmen", so Babler, sie leiste gute Arbeit. Sein "Grundproblem" sei, dass Dinge an die Öffentlichkeit gespielt werden: "Ich werde das stoppen."
Jede Forderung der SPÖ sei am Papier durchfinanziert, so der SPÖ_Chef, dem auch aus der eigenen Partei vorgeworfen wurde, dass seine Pläne unfinanzierbar seien. Und wie seien sie nun finanzierbar? "Indem man versteht, wie Politik funktioniert und Budget funktioniert", so Babler. Seine Berechnungen seien sogar "defensiv", so der SPÖ-Chef, der erneut auf eine Erbschaftssteuer verwies. Auch solle es eine Rücknahme der Geschenke an die Superreichen geben, das seien weitere fünf Milliarden in einer Legislaturperiode, so Babler. Eine Reichen- oder Vermögenssteuer sei "Bedingung für eine bessere Zukunft in diesem Land", man müsse "die Fakten auf den Tisch hauen", so Babler, der ein Taferl hervorzog, um das zu unterstreichen.
"Fürchterlicher Moloch"
Auf die Frage, ob diese Steuer Koalitionsbedingung sei, antwortete Babler: "Ich habe eine Bedingung, dass Leben in Österreich gesünder und leistbarer wird." Damit konfrontiert, dass Babler erklärt hatte, dass die SPÖ bereits drei Mal eine solche Steuer gefordert hatte, diese aber nie umgesetzt wurde, wollte Babler erklären, warum es beim vierten Mal klappen solle. Gelungen war ihm das nicht, selbst Moderator Thür fragte sich: "Aber wer soll es Ihnen glauben?" Babler zeigte sich enttäuscht: "Ich glaube, Sie verstehen es nicht", aber er sei angetreten, "um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen". Ziel sei es zudem, dass man nicht nachdenke, wie man den "fürchterlichen Moloch" Mindestsicherung reformiere.
Stattdessen solle es weniger Bezieher geben, so Babler. "Das Wichtigste ist, dass die Mindestsicherung eine Absicherung ist", so der SPÖ-Chef, die meisten Bezieher seien das nur wenige Monate. Generell wolle Babler ein ganz neues Mindestsicherungssystem einführen, parallel zu einer Kindergrundsicherung. "Das treibt mich an, dass ich an Kinderrechte denke", so Babler. Sein Ziel sei, man "möglichst wenig über die Mindestsicherung reden" müsse, weil "die Menschen drinnen" seien – oder eben in Beschäftigung. Auch Babler sprach sich beim Thema Sozialleistungen für Kinder für eine bundeseinheitliche Lösung aus – das vierte Kind dürfe nicht weniger wert sein als die anderen drei, wie es einige Bundesländer handhaben würden.
Die ORF-"Sommergespräche" in der Übersicht
Hier findest du die Berichte zu allen bisherigen ORF-"Sommergesprächen":
"Steuern zahlen und nicht Steuern kosten"
"Es tut mir wahnsinnig leid, dass wir in einer Gesellschaft leben, wo wir Sozialmärkte wollen", so Babler dazu, ob er wie Wiens Stadtrat Peter Hacker es auch so empfinde, dass es mittelalterlich sei, wenn jüngere Kinder die Kleidung der älteren tragen müssten. Er sei in der Mitte der Gesellschaft, mit diesen Problemen aufgewachsen, habe selbst alte Fahrräder benutzt – und wolle genau deshalb das Leben der Kinder besser machen. Wechsel zum Thema Migration: Mit dem SPÖ-Modell würden 75 Prozent weniger Migranten in Österreich ankommen, so der SPÖ-Chef. Österreich habe die letzten Jahre "zigtausende Menschen" gehabt, die eigentlich hätten in Ungarn registriert werden müssen, so Babler. Deswegen wolle er auch Ungarn klagen.
Wer in Traiskirchen bei Rot über die Straße gehe, müsse Strafe zahlen, Spitzenpolitiker könnten allerdings das Recht brechen und passiere nichts, so Babler, der erneut Ankunftszentren an den EU-Außengrenzen und eine bessere Integration von Migranten in Österreich forderte. Wer nach Österreich komme, solle möglichst schnell "Steuern zahlen und nicht Steuern kosten", so Babler. Wütend zeigte sich Babler darüber, dass Ungarns Viktor Orbán "jahrelang Recht brechen" könne und ÖVP-Kanzler Karl Nehammer trotzdem mit ihm "Bussi Bussi"-Fotos mache und FPÖ-Chef Herbert Kickl ihn zum Vorbild ernenne. Neutralität oder Nato? Sei kein Widerspruch, so Babler, auch innerhalb von Gemeinschaften gebe es neutrale Länder.
"Ich werde das jetzt endlich durchkämpfen"
Warum warne er dann vor einem "Nato-Beitritt durch die Hintertür?" Weil es "eine völlige Frechheit" sei, "hinter dem Rücken der Bevölkerung" über solche Dinge zu sprechen, so der SPÖ-Chef. Koordination mit Nato-Staaten sei okay, so der SPÖ-Chef, "aber es braucht keinen weiteren Schritt zu einem Militärpakt". Am Ende der Sendung kehrte Babler zu den Missständen in der eigenen Partei zurück, es gebe "Widerstände in der Sozialdemokratie, die nicht wegzuwischen sind", so Babler, es gebe persönliche Machtdemonstrationen und Leaks an die Medien. Er sei angetreten, um das zu durchbrechen: "Ich will das endlich ändern, ich werde das jetzt endlich durchkämpfen", so Babler. Dazu gehöre auch Selbstkritik, so der SPÖ-Chef.
Angesprochen auf den Rücktritt des Linzer SPÖ-Chefs Klaus Luger könnte Babler den Beweis antreten, dass Lugers Rücktritt erst nach Bablers Ultimatum erfolgte, behauptete Babler – Luger behauptet ja bekanntlich das Gegenteil, dass er die Entscheidung schon vor Bablers Aufforderung getroffen habe. "So klare Ansagen hätte ich mir erwartet von den anderen Parteien in den letzten Monaten", so Babler, der "in eine neue Zeit" aufbrechen wolle, auch gegen alle Widerstände. Sei der Babler-Boom in der SPÖ vorbei? Keineswegs, so der SPÖ-Chef, der dies mit dem Herunterrattern von Zahlen zu belegen versuchte. Daraufhin setzte es eine Spitze des Moderators: "Bei der SPÖ muss man gelegentlich etwas nachrechnen", so Thür.
Die Babler-Ansage am Ende: "Ich bin angetreten, um Bundeskanzler zu werden." Einen Posten als Vizekanzler schloss der rote Parteichef dagegen aus – dann gebe es sicher einen Platz in der Opposition für ihn, denn das sei eine Sache des Respekts. Sein Wahlziel: "Bedingungen verbessern, keine Zahlen."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- SPÖ-Chef Andreas Babler klagt im ORF-Sommergespräch über interne Bremser in seiner Partei und verteidigt sein ernsthaftes Politikprogramm
- Er betont, dass seine Vorschläge finanziell durchdacht seien und setzt sich für eine Erbschaftssteuer und eine Reform der Mindestsicherung ein
- Babler strebt nach mehr Gerechtigkeit und Kinderrechten in Österreich